St. Michaelis in Hildesheim
Einführung, Forschungsstand und Datierung
mich Hans Jakob Schuffels hingewiesen hat.).
Goderam wurde nach der Kirchweihe am 29.
September 1022 und vor Bernwards Tod am 2. No-
vember 1022 als Abt eingesetzt. Die einheitlichen,
ungewöhnlich sauber gesetzten Fundamente, der die
Kirche außen umziehende Schmiegensockel und die
in unterschiedlicher Höhe endenden Putzkanten an
den Ecken beider Querschiffe weisen auf eine einheit-
liche Baumaßnahme hin, zu der Bernward 1010 die
Grundsteine gelegt hat, von denen einer (und ein
Fragment) 1908 unter dem südwestlichen Querschiff-
treppenturm gefunden wurde. Im Westen - mit der
1015 geweihten Krypta - waren die Bauarbeiten
jeweils etwas weiter gediehen als im Osten, worauf
die Würfelkapitelle hinweisen. Das heißt aber: Die
Mönche kamen erst nach Baubeginn und der Abt
kurz vor der Fertigstellung Köln nach Hildesheim, so
dass wir die Baugestaltung Bernward selbst oder
einem seiner „talentierten und überdurchschnittlich
begabten jungen Männer (pueri) in seiner Begleitung,
die alles, was im Bereich irgendeiner Kunst an
Wertvollem auffiel, genau studieren mussten" (Vita
Bernwardi, cap. 6) und die auf den Silberleuchtern für
St. Michaelis als Verfertiger genannt sind, zuschreiben
müssen. Als Bernward in Erwartung seines baldigen
Todes die Kirche am 29. September 1022 weihte, war
sie noch nicht fertig. Unter Bernwards Nachfolger,
Bischof Godehard, wurden die Bauarbeiten vermut-
lich zunächst unterbrochen, als er kurzzeitig den
Mönchskonvent in die Einsamkeit des Vorharzes, nach
Holthuson, verlegte. Erst unter dem Nachfolger
Goderams (31. Juli 1030 gestorben), dem aus dem
Kloster Hersfeld stammenden Abt Adalbert, wurde
die „bis auf irgendwelche Türme und kleinere
Kapellen löblich vollendete Klosterkirche" von Bischof
Godehard am 29. September 1033 zu Ehren des hei-
ligen Erzengels Michael abschließend geweiht.
Mit der Methode der formanalytischen, formverglei-
chenden und stilistischen Untersuchung der Einzel-
formen von St. Michaelis erkennt man einen hohen
Innovationsgrad mit geometrischer Gestaltung und
ikonologischer Durchdringung. Dieser ordo lässt einen
hochgebildeten Geistlichen als Planer vermuten, der
auf Reisen viel gesehen hat. Es ist Bischof Bernward
selbst, von dem sein Lehrer Thangmar in der vor 1000
verfassten Vita Bernwards überliefert, dass er an der
Hildesheimer Domschule sowohl in den artes liberales
als auch insbesondere in den artes mechanicae ausge-
bildet worden ist und als Bischof sich intensiv um die
Werkstätten gekümmert hat. Ut sapiens architectus
fundamentum posui hat der Apostel Paulus im 1. Brief
an die Korinther (3, 10) bezüglich der ecclesia spiritua-
lis gesagt, das gleiche trifft für Bischof Bernward zu,
der die ecclesia materialis St. Michaelis gestiftet und
gestaltet hat, um „sich das Himmlische erkaufen zu
können" (possem mercari caelestia). Die Michaelis-
kirche ist zugleich Höhepunkt einer Entwicklung und
Beginn für eine neue Zeit, sie steht an der Schwelle
der vorromanischen zur romanischen Baukunst.
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Einführung, Forschungsstand und Datierung
mich Hans Jakob Schuffels hingewiesen hat.).
Goderam wurde nach der Kirchweihe am 29.
September 1022 und vor Bernwards Tod am 2. No-
vember 1022 als Abt eingesetzt. Die einheitlichen,
ungewöhnlich sauber gesetzten Fundamente, der die
Kirche außen umziehende Schmiegensockel und die
in unterschiedlicher Höhe endenden Putzkanten an
den Ecken beider Querschiffe weisen auf eine einheit-
liche Baumaßnahme hin, zu der Bernward 1010 die
Grundsteine gelegt hat, von denen einer (und ein
Fragment) 1908 unter dem südwestlichen Querschiff-
treppenturm gefunden wurde. Im Westen - mit der
1015 geweihten Krypta - waren die Bauarbeiten
jeweils etwas weiter gediehen als im Osten, worauf
die Würfelkapitelle hinweisen. Das heißt aber: Die
Mönche kamen erst nach Baubeginn und der Abt
kurz vor der Fertigstellung Köln nach Hildesheim, so
dass wir die Baugestaltung Bernward selbst oder
einem seiner „talentierten und überdurchschnittlich
begabten jungen Männer (pueri) in seiner Begleitung,
die alles, was im Bereich irgendeiner Kunst an
Wertvollem auffiel, genau studieren mussten" (Vita
Bernwardi, cap. 6) und die auf den Silberleuchtern für
St. Michaelis als Verfertiger genannt sind, zuschreiben
müssen. Als Bernward in Erwartung seines baldigen
Todes die Kirche am 29. September 1022 weihte, war
sie noch nicht fertig. Unter Bernwards Nachfolger,
Bischof Godehard, wurden die Bauarbeiten vermut-
lich zunächst unterbrochen, als er kurzzeitig den
Mönchskonvent in die Einsamkeit des Vorharzes, nach
Holthuson, verlegte. Erst unter dem Nachfolger
Goderams (31. Juli 1030 gestorben), dem aus dem
Kloster Hersfeld stammenden Abt Adalbert, wurde
die „bis auf irgendwelche Türme und kleinere
Kapellen löblich vollendete Klosterkirche" von Bischof
Godehard am 29. September 1033 zu Ehren des hei-
ligen Erzengels Michael abschließend geweiht.
Mit der Methode der formanalytischen, formverglei-
chenden und stilistischen Untersuchung der Einzel-
formen von St. Michaelis erkennt man einen hohen
Innovationsgrad mit geometrischer Gestaltung und
ikonologischer Durchdringung. Dieser ordo lässt einen
hochgebildeten Geistlichen als Planer vermuten, der
auf Reisen viel gesehen hat. Es ist Bischof Bernward
selbst, von dem sein Lehrer Thangmar in der vor 1000
verfassten Vita Bernwards überliefert, dass er an der
Hildesheimer Domschule sowohl in den artes liberales
als auch insbesondere in den artes mechanicae ausge-
bildet worden ist und als Bischof sich intensiv um die
Werkstätten gekümmert hat. Ut sapiens architectus
fundamentum posui hat der Apostel Paulus im 1. Brief
an die Korinther (3, 10) bezüglich der ecclesia spiritua-
lis gesagt, das gleiche trifft für Bischof Bernward zu,
der die ecclesia materialis St. Michaelis gestiftet und
gestaltet hat, um „sich das Himmlische erkaufen zu
können" (possem mercari caelestia). Die Michaelis-
kirche ist zugleich Höhepunkt einer Entwicklung und
Beginn für eine neue Zeit, sie steht an der Schwelle
der vorromanischen zur romanischen Baukunst.
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