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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

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Braune, Michael: Die Zusammenfassung der Baugeschichte und ein kritischer Blick in den Baugrund
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https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0086
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Michael Braune

bunden und an drei unterschiedlichen Standorten ein-
gelagert.40 Der Bernwardssarkophag und die Grab-
platte waren ebenfalls in Sicherheit gebracht worden.
Wie vorausschauend diese Maßnahme war, zeigte
sich erst Ende des Winters 1944/45: Noch nicht so
gravierend am 22. Februar durch eine Sprengbombe
im nordöstlichen Seitenschiff, als genau einen Monat
später am 22. März 1945. (vgl. Binding, Abb. 8).41 Die
Sprengbomben zerstörten (nach Beseler) das gotische
Portal des südlichen Seitenschiffes, die sogenannte
Bernwardswerkstatt, den Nordteil der Rundung des
Kryptenumganges, den nordwestlichen Pfeiler der
Westvierung, die obere Empore des nordwestlichen
Querschiffarmes. Außerdem brannte die Kirche aus
und damit verbrannte ein gutes Achtel der Bilder-
decke auf der Ostseite, das nicht ausgebaut worden
war. Auf diesem Teil war Christus als Weltenherrscher
dargestellt. Allerdings waren diese Felder wohl bereits
beim Abbruch des östlichen Vierungsturmes zerstört
(1650), 1676 ergänzt und 1856 neu gemalt wor-
den.42 Andererseits (und das geht aus einer Akten-
notiz vom 21.8.1945 hervor) machte man sich Ge-
danken über ein Notdach „über allen drei Schiffen,
deren Dachstuhl zu etwa noch vorhanden ist, aus
Stangenhölzern und Blech" aufzubringen, weil „auf
dem südlichen Teil des westlichen Querschiffes erheb-
liche Teile des Dachstuhls vorhanden" (vgl. Binding,
Abb. 8) waren, ebenso lagen „die Verhältnisse beim
nördlichen Teil des östlichen Querschiffs, dessen
Sicherung dringlicher ist, da sich hier alte Mauerreste
der Engelschöre befinden",43
Auch wenn Sandsteinmauerwerk gegen die große
Hitze bei einem Kirchenbrand nicht so empfindlich ist
wie das Material Kalkstein entstanden zusätzliche
Schäden durch Regenwasser, da die Kirche zu einer
ungeschützten Ruine gebombt worden war. In der
Nachkriegszeit fehlt es an allem;44 Es gab keine Hand-
werker, es gab nur auf Bezugsscheine wenig Material
und daher war Materialdiebstahl von Trümmern ein
gängiges Phänomen. Es fehlte an elektrischer Energie,
ebenso wie an Kohle, Benzin und Schweröl, also an
den Grundvoraussetzungen, die das Brennen von
Kalk, Zement und Ziegelsteinen überhaupt möglich
machen. Außerdem hatte begreiflicherweise der
Wohnungsbau Priorität, daher kam in kirchlichem
Bereich der Eigenleistung der Gemeindemitglieder die
höchste Bedeutung zu. Natürlich benötigt man für
den Wiederaufbau auch sehr viel Geld, das zunächst
durch Spenden aufgebracht wurde. Dennoch bleibt es
erstaunlich, dass bereits im Herbst 1947 über dem
Langhaus das Dach auf einem eisernen Dachstuhl45
vor dem Wintereinbruch fertig gestellt werden konn-
te. Die enormen Schwierigkeiten des Wiederaufbaus
sind in extenso 1993 von Alphei dargelegt worden
(worauf sich diese Zusammenfassung gemeinsam mit
den Belegen aus dem Archiv des NLD stützt).

Schon lange vor der Kriegszerstörung hatten Mohr-
mann und Zeller46 aus bauarchäologischem Interesse
auf der Ostwand gegraben, um den bernwardini-
schen Bau rekonstruieren zu können und spätestens
seit dieser Zeit gab es Begehrlichkeiten, die Kirche
wieder in die Ursprungsform des Bernward-Baus zu
bringen, den bereits Karl Mohrmann 1910 zeichne-
risch rekonstruiert hat47 Stadtarchitekt Gothe hatte
sich innerhalb seines Sanierungskonzeptes zwischen
1943-45 ebenfalls zeichnerisch mit einem Rückbau
befasst,48 nach der Zerstörung auch Hartwig Beseler
und Hans Roggenkamp. Nach regem Meinungsaus-
tausch fand schließlich der Entwurf von Regierungs-
baudirektor Blaich die grundsätzliche Zustimmung.
Begreiflicherweise traten diese Überlegungen im An-
blick der Ruine verstärkt auf und wurde von dem
beratenden Gremium („Wiederaufbauausschuss"),
das die bauhistorischen, kunstwissenschaftlichen,
denkmalpflegerischen und technischen Fragen be-
handeln sollte, voran getragen. Vor dieser neuen
Herausforderung des Wiederaufbaus war eine sorg-
fältige Baugrundanalyse notwendig, denn an der
Feuchteproblematik des Baugrundes hatte sich nichts
geändert. So erstellte das Reichsamt für Bodenfor-
schung in Hannover im März 1947 ein ausführliches
Gutachten. Aus dem Gutachten des Geologen Armin
Graupner sei das wesentliche wiedergegeben: Unter
einer knappen Überdeckung von Humus und Schutt
reicht der Lösslehm bis in eine Tiefe von 1,40-1,80 cm.
Er ist gelbbraun, klebrig, kalkfrei und wenig nördlich
der Kirche von feinen Sandstreifen durchzogen. Unter
ihm fließt ein schwacher, oberflächennaher Grund-
wasserhorizont, der sich aus den örtlichen Nieder-
schlägen ergänzt und - wie bei den Ausgrabungen
2006 vor allem in den südöstlichen Grabungsschnit-
ten zusehen war - mit einer Verzögerung von 3-5
Tagen wirksam wird. Dieser Wasserzu- und -abfluss
hat den Lösslehm weitgehend verändert. Der ur-
sprüngliche Kalkgehalt ebenso wie die Eisen- und
Aluminiumanteile, die dem Löss seine Standfestigkeit
und Wasserdurchlässigkeit verleihen, wurden ausge-
waschen, so dass die zu Bernwards Zeiten noch güns-
tige Beschaffenheit des Lösslehms verloren gegangen
ist. Durch die dauernde Durchfeuchtung gelangen die
unteren Schichten des Lösslehms nahe an ihre
Fließgrenze. Es bedarf also nur geringfügiger mecha-
nischer Einwirkungen, um die untersten wasserüber-
sättigten Lösslehmschichten zum Fließen zu bringen.
Unter der gelbbraunen Lösslehmschicht liegt ein brau-
ner bis grauer zäher „fetter" Ton, deren oberster
Bereich durch die Feuchtigkeit des Lösslehms eben-
falls aufgeweicht ist. Er ist aufgequollen und verliert
Feuchtigkeit nur in trockenen Zeiten, wobei er sich zu-
sammenzieht. Dieses Wechselspiel kann sich unend-
lich oft wiederholen. Die Standfestigkeit für die Fun-
damente ist also ebenso wenig gegeben wie bei dem
diese Schicht überlagernden Lösslehm. Darunter folgt
 
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