14
Günther Binding
zur tausendsten Wiederkehr des vermutlichen Ge-
burtsjahres Bernwards und des sicheren Geburtsjahres
seines Nachfolgers Godehard 1960 erweiterte den
Kenntnisstand nicht.11
Die von Hartwig Beseler erschlossene Bauabfolge und
Datierung wurde unverständlicherweise in der Folge-
zeit nur von einigen Autoren übernommen, zumeist
jedoch ohne Begründung mehr oder weniger abgeän-
dert.
Peter Hirschfeld folgt 1968 in dem ausführlichen Ka-
pitel über Bernward in seinem Buch über „Mäzene,
die Rolle des Auftraggebers in der Kunst" der Da-
tierung von Beseler, relativiert aber Bernwards Betei-
ligung am Bau von St. Michaelis: „Ob man es nun mit
Beseler ,als das natürlichste der Welt' ansehen kann,
daß Bernward als sein eigener Baumeister selbst
zeichnete und vielleicht die großartige Form der
Kapitelle eigenhändig entwarf, scheint doch etwas
fraglich. Trotz seines handwerklichen Interesses über-
ließ er dies doch wohl den Werkmeistern und Stein-
metzen, die aber gewiß die präzisesten Anweisungen
bekamen. Welche Rolle dabei der von Bernward zum
Bau und zur Einrichtung des Klosters berufene frühe-
re Propst von St. Pantaleon in Köln, Goderamnus,
spielte, wissen wir nicht [...]. Alles deutet auf ein
glückliches Teamwork von Bauherr, Berater, Bauleiter,
Handwerker hin. Mit Goderamnus und seinen Brü-
dern konnten Kenntnisse der rheinischen Steinbe-
handlung nach Hildesheim kommen. Bernwards Be-
ziehungen zum Kaiserhof fanden im Kloster St.
Pantaleon eine neue Stütze. [...] Ohne Bernwards
Richtlinien hätte der Gesamtplan [... nicht] entstehen
können. [...] Nur Bernward kannte doch wohl so
genau die beeinflussenden Bauten in Tours, St. Denis,
Aachen, Mainz und Rom."12
Für Hans Erich Kubach (1968) wurde die Kirche 1010
begonnen und 1033 vollendet, während Gottfried
Edelmann 1970 formuliert: „996 gegründet; Leiter
des Baus, der wahrscheinlich schon vor der Grund-
steinlegung 1010 begonnen wurde, war Abt
Goderamnus, einer der Mönche, die Bernward aus St.
Pantaleon in Köln geholt hatte" (Weihe der vollende-
ten Kirche 1033).13 Weitere Verwirrung hat 1979
Ulrich Faust in seinem Buch „Die Benediktinerklöster
in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen"
gestiftet: „Sicher ist, daß die Mönche 1013 in Hildes-
heim eine klösterliche Gemeinschaft bildeten; denn
am 16. Juli 1013 ist der erste namentlich bekannte
Propst gestorben [Godescalc, den Goetting und
Schuffels als zum Domstift gehörig identifiziert
haben].14 Zwischen dem ersten Testament von 996
und 1013 ist somit die Besiedlung des Klosters anzu-
setzen, vermutlich um das Jahr 1000; denn die bauli-
chen Aktivitäten dieser Zeit setzen den Plan voraus,
eine große Abtei zu errichten. In der Tradition des Mi-
chaelsklosters wurde der Vers überliefert: ,Anno du-
sent ein / Legte Bernward den ersten Stein'. Ein inzwi-
schen aufgefundener Grundstein trägt die Aufschrift
1010."15 Zwei Jahre später führen Konrad Weide-
mann und Mechthild Schulze die Verwirrung noch
weiter: „Bernward [...] erbaute ab 996 auf dem Hügel
nördlich des Domes ein Benediktinerkloster mit der
Michaelskirche," und Mechthild Schulze folgt zudem
der unhaltbaren These von Werner Ueffing 1974,
dass der Krypta-Umgang erst 1193 entstanden sei.16
Hans Jürgen Rieckenberg datiert 1983 zwar den Bau-
beginn der Kirche in das Jahr 1010, aber die Entste-
hungszeit der Klostergebäude „seit 1001" und sugge-
riert damit eine Klostergründung in der Zeit davor.17
Hans Goetting hat 1984 in der Reihe Germania sacra
darauf hingewiesen, dass „nach überwiegender
Meinung, die aber durch keine zuverlässige Quelle
belegt ist, schon im Jahr 1001" Bernward mit dem
Bau der Michaeliskirche begonnen hat: „R. Drögereit
dagegen möchte wie auch H. J. Rieckenberg, wohl
mit Recht, den im Jahre 1908 aufgefundenen Stein
[...] als einen Grundstein des Gesamtbaues ansehen
und den Baubeginn in dieses Jahr [1010] verlegen."18
Die Ansiedlung der Mönche setzt Goetting nach April
1011 und die Berufung Goderams als Abt von St.
Michaelis -nach der Kirchweihe am 29. September
1022.19 Goetting gelang durch eine sorgfältige
Quelleninterpretation eine über den bisherigen
Forschungsstand hinausgehende Darstellung des
Lebens und Wirkens Bernwards, eine überzeugende
Leistung, die nur durch intensive Forschungen zu
übertreffen sein wird.
Auf dem Hildesheimer Bernward-Symposium im
Oktober 1984 (veröffentlicht 1987 und 1988) hatte
ich - gleichzeitig mit dem Erscheinen von Goettings
Buch - Bischof Bernward als sapiens architectus
gewürdigt und ausführlich begründet dargelegt, dass
St. Michaelis erst 1010 gestiftet bzw. gegründet wor-
den ist und die Mönche erst nach 1011 und vor 1013
angesiedelt wurden; damit kann Goderam frühestens
in dieser Zeit von Köln nach Hildesheim gekommen
sein, also nach der feierlichen Grundsteinlegung
1010; er kann weder den Plan noch die anfängliche
Ausführung beeinflusst haben.20 Meine Ausführun-
gen habe ich anschließend mit dem Historiker Hans
Jakob Schuffels diskutiert und erhielt von ihm
Zustimmung; er hat sich seit langem intensiv mit den
Hildesheimer Quellen und der Vita Bernwardi be-
schäftigt. 1992 unterscheidet der Historiker Gerhard
Weilandt angemessen zwischen der Klerikergemein-
schaft an der 996 geweihten HL Kreuzkapelle und der
Beschaffung von Mönchen aus dem Kölner Kloster St.
Pantaleon vor 1019; Goderam habe erst 1022 den
Abtstitel bekommen; den Baubeginn der Kirche setzt
Weilandt in das Jahr des Grundsteins 1010.21
Günther Binding
zur tausendsten Wiederkehr des vermutlichen Ge-
burtsjahres Bernwards und des sicheren Geburtsjahres
seines Nachfolgers Godehard 1960 erweiterte den
Kenntnisstand nicht.11
Die von Hartwig Beseler erschlossene Bauabfolge und
Datierung wurde unverständlicherweise in der Folge-
zeit nur von einigen Autoren übernommen, zumeist
jedoch ohne Begründung mehr oder weniger abgeän-
dert.
Peter Hirschfeld folgt 1968 in dem ausführlichen Ka-
pitel über Bernward in seinem Buch über „Mäzene,
die Rolle des Auftraggebers in der Kunst" der Da-
tierung von Beseler, relativiert aber Bernwards Betei-
ligung am Bau von St. Michaelis: „Ob man es nun mit
Beseler ,als das natürlichste der Welt' ansehen kann,
daß Bernward als sein eigener Baumeister selbst
zeichnete und vielleicht die großartige Form der
Kapitelle eigenhändig entwarf, scheint doch etwas
fraglich. Trotz seines handwerklichen Interesses über-
ließ er dies doch wohl den Werkmeistern und Stein-
metzen, die aber gewiß die präzisesten Anweisungen
bekamen. Welche Rolle dabei der von Bernward zum
Bau und zur Einrichtung des Klosters berufene frühe-
re Propst von St. Pantaleon in Köln, Goderamnus,
spielte, wissen wir nicht [...]. Alles deutet auf ein
glückliches Teamwork von Bauherr, Berater, Bauleiter,
Handwerker hin. Mit Goderamnus und seinen Brü-
dern konnten Kenntnisse der rheinischen Steinbe-
handlung nach Hildesheim kommen. Bernwards Be-
ziehungen zum Kaiserhof fanden im Kloster St.
Pantaleon eine neue Stütze. [...] Ohne Bernwards
Richtlinien hätte der Gesamtplan [... nicht] entstehen
können. [...] Nur Bernward kannte doch wohl so
genau die beeinflussenden Bauten in Tours, St. Denis,
Aachen, Mainz und Rom."12
Für Hans Erich Kubach (1968) wurde die Kirche 1010
begonnen und 1033 vollendet, während Gottfried
Edelmann 1970 formuliert: „996 gegründet; Leiter
des Baus, der wahrscheinlich schon vor der Grund-
steinlegung 1010 begonnen wurde, war Abt
Goderamnus, einer der Mönche, die Bernward aus St.
Pantaleon in Köln geholt hatte" (Weihe der vollende-
ten Kirche 1033).13 Weitere Verwirrung hat 1979
Ulrich Faust in seinem Buch „Die Benediktinerklöster
in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen"
gestiftet: „Sicher ist, daß die Mönche 1013 in Hildes-
heim eine klösterliche Gemeinschaft bildeten; denn
am 16. Juli 1013 ist der erste namentlich bekannte
Propst gestorben [Godescalc, den Goetting und
Schuffels als zum Domstift gehörig identifiziert
haben].14 Zwischen dem ersten Testament von 996
und 1013 ist somit die Besiedlung des Klosters anzu-
setzen, vermutlich um das Jahr 1000; denn die bauli-
chen Aktivitäten dieser Zeit setzen den Plan voraus,
eine große Abtei zu errichten. In der Tradition des Mi-
chaelsklosters wurde der Vers überliefert: ,Anno du-
sent ein / Legte Bernward den ersten Stein'. Ein inzwi-
schen aufgefundener Grundstein trägt die Aufschrift
1010."15 Zwei Jahre später führen Konrad Weide-
mann und Mechthild Schulze die Verwirrung noch
weiter: „Bernward [...] erbaute ab 996 auf dem Hügel
nördlich des Domes ein Benediktinerkloster mit der
Michaelskirche," und Mechthild Schulze folgt zudem
der unhaltbaren These von Werner Ueffing 1974,
dass der Krypta-Umgang erst 1193 entstanden sei.16
Hans Jürgen Rieckenberg datiert 1983 zwar den Bau-
beginn der Kirche in das Jahr 1010, aber die Entste-
hungszeit der Klostergebäude „seit 1001" und sugge-
riert damit eine Klostergründung in der Zeit davor.17
Hans Goetting hat 1984 in der Reihe Germania sacra
darauf hingewiesen, dass „nach überwiegender
Meinung, die aber durch keine zuverlässige Quelle
belegt ist, schon im Jahr 1001" Bernward mit dem
Bau der Michaeliskirche begonnen hat: „R. Drögereit
dagegen möchte wie auch H. J. Rieckenberg, wohl
mit Recht, den im Jahre 1908 aufgefundenen Stein
[...] als einen Grundstein des Gesamtbaues ansehen
und den Baubeginn in dieses Jahr [1010] verlegen."18
Die Ansiedlung der Mönche setzt Goetting nach April
1011 und die Berufung Goderams als Abt von St.
Michaelis -nach der Kirchweihe am 29. September
1022.19 Goetting gelang durch eine sorgfältige
Quelleninterpretation eine über den bisherigen
Forschungsstand hinausgehende Darstellung des
Lebens und Wirkens Bernwards, eine überzeugende
Leistung, die nur durch intensive Forschungen zu
übertreffen sein wird.
Auf dem Hildesheimer Bernward-Symposium im
Oktober 1984 (veröffentlicht 1987 und 1988) hatte
ich - gleichzeitig mit dem Erscheinen von Goettings
Buch - Bischof Bernward als sapiens architectus
gewürdigt und ausführlich begründet dargelegt, dass
St. Michaelis erst 1010 gestiftet bzw. gegründet wor-
den ist und die Mönche erst nach 1011 und vor 1013
angesiedelt wurden; damit kann Goderam frühestens
in dieser Zeit von Köln nach Hildesheim gekommen
sein, also nach der feierlichen Grundsteinlegung
1010; er kann weder den Plan noch die anfängliche
Ausführung beeinflusst haben.20 Meine Ausführun-
gen habe ich anschließend mit dem Historiker Hans
Jakob Schuffels diskutiert und erhielt von ihm
Zustimmung; er hat sich seit langem intensiv mit den
Hildesheimer Quellen und der Vita Bernwardi be-
schäftigt. 1992 unterscheidet der Historiker Gerhard
Weilandt angemessen zwischen der Klerikergemein-
schaft an der 996 geweihten HL Kreuzkapelle und der
Beschaffung von Mönchen aus dem Kölner Kloster St.
Pantaleon vor 1019; Goderam habe erst 1022 den
Abtstitel bekommen; den Baubeginn der Kirche setzt
Weilandt in das Jahr des Grundsteins 1010.21