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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

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Binding, Günther: St. Michaelis in Hildesheim - Einführung, Forschungsstand und Datierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0064
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Günther Binding

einzelnen Klostergebäude verteilt werden und wel-
ches Aussehen sie erhalten sollten: „Nachdem er so-
fort Kunstfertige zusammengeführt hat, errichtete er
die Kapelle, die er vorgefunden hat, in einem umfang-
reicheren Zustand, auch baute er in schöner Weise
notwendige Klostergebäude nach Art und Form, die
vom heiligen Mann selbst vorhergezeigt waren" (con-
ductis statim artificibus, capellam quam invenit in
ampliorem statum erexit, officinas quoque necessari-
as iuxta modum et formam a sancto viri sibi prae-
monstratam pulchro schemate construxit).55
Wie schwierig es ist, für die Bauherren aus den kurzen
Notizen in den Quellen eine Vorstellung vom Umfang
ihres persönlichen Anteils an der Planung einer Kirche
zu gewinnen, soll an den Mitteilungen über Wilhelm
von Volpiano gezeigt werden, die Wilhelm Schiink
übersetzt „er gab den Meistern den Plan" und „nach
dem Plan, den er schon zuvor festgelegt hatte".56
Wilhelm von Volpiano war seit 990 bis zu seinem Tod
1031 Abt des Klosters Saint-Benigne in Dijon und
wirkte als Erneuerer des klösterlichen Lebens im Sinne
von Cluny seit 990 in Burgund, bald auch in
Lothringen und seit 1001 in der Normandie, insbeson-
dere als Abt von Saint-Trinite in Fecamp.57 In einer
Urkunde Herzog Richards II. von der Normandie aus
dem Jahr 1025 wird Wilhelm als Sachverständiger für
die herzogliche Stiftung Bernay genannt; Herzog
Richard übergab die Klosterkirche „zur Vollendung
und zur monastischen Ordnung dem verehrungswür-
digen Abt Wilhelm, der beim Fundamentsetzen ange-
messene Hilfe des Rates geleistet hatte" (... commi-
tens venerabili Villelmo abbati perficiendum et mona-
stice ordinandum, qui in locandis fundamentis modi-
cum praestiterat consilii auxilium). Unklar ist, ob sich
sein Rat auf den Kirchenbau oder eher auf die
Klosterdisziplin bezieht, wie Neithard Bulst vor-
schlägt.58 Wilhelms Einfluss auf den Kirchenneubau
von Saint-Benigne in Dijon wird aus der um 1060
abgefassten Chronik von Saint-Benigne deutlicher;
hier heißt es, dass die Abtei von Bischof Brun von
Langres und Abt Wilhelm von Volpiano nicht nur
durch andere Dinge, sondern auch durch den Neubau
einer Kirche (in nova aecclesia fabrica) wiederherge-
stellt wurde. „Für den wunderbaren Bau der Kirche
strengten sie sich an, in dem der Bischof Mittel zuteil-
te und marmorne Säulen und Steine herbeiführte und
der verehrungswürdige Abt die fleißigen Meister
zusammenführte und selbst den Bau bestimmte
(magistros conducendo et ipsum opus dictando insu-
dantes); so errichteten sie eine für den Gottesdienst
würdige Kirche. [...] Ihre Form des kunstvollen Baus
und die Feinheit [...] sind mehr göttlicher Inspiration
als der Erfahrung irgendeines Meisters zuzuschreiben
(que magis divinae inspiratione quam alicuius deputa-
ri debent periciae magistri). [...] Gegründet (funda-

tum) ist die Kirche am 14. Febr. 1001."59 (Weihe 13.
Mai 1018).
Über den Anteil Wilhelms am Kirchenbau von Saint-
Benigne berichtet der burgundische Mönch Rodulfus
Glaber in seinen bis zu seinem Tod (wohl 1047) auf
Anregung Wilhelms verfassten Historiae: „Außerdem
bestimmte er [Wilhelm], von Gottes Geist erfüllt, dass
die Kirche, als deren Hüter er geholt war, durch den
Körper eines umfangreicheren und höheren Baus
(operis) hervorrage. So bestimmte er, vom Heiligen
Geist gelehrt, den Maurern, das Fundament für das
unvergleichliche Werk zu legen (designavit latomis
incomperabilis iactare fundamentum operis), das er
selbst, wie gewünscht, bis zur Vollendung geführt hat
(ad perfectum duxit)."60 In der Vita Willelmi drückt
Rodulfus Glaber die Bedeutung Wilhelms mit anderen
Worten ähnlich aus: „Daraufhin aber beschleunigte
der verehrungswürdige Vater, durch noch heftigere
Aufopferung erfasst, das Werk der umzugestaltenden
Kirche [Saint-Benigne in Dijon], auf welche Art er es
bestimmt hatte, fertig zustellen (reformandae opus
basilicae instanter quemadmodum decreverat accele-
rabat perficere). Da er ja, wie wir schon gesagt haben
und wie es deutlich zu sehen ist, sie [die Kirche]
bewundernswerter unter den Kirchen ganz Galliens
und unvergleichbar durch die eigentümliche Anwen-
dung auszuführen darlegte (totius Galliae basilicis
mirabiliorem atque propria positione incomperabilem
perficere disponebat.)“61
Wilhelm Schiink macht deutlich, dass Wilhelm „nicht
den Einfluss auf die Planung und die baukünstlerische
Ausgestaltung der ihm anvertrauten Abteikirchen
genommen" hat, wie Lefevre-Pontalis, Poree und
Grodecki für die Bauplanung von Bernay angenom-
men haben.62 Die entsprechenden Begriffe, mit
denen Wilhelms Beteiligung am Kirchenbau ausge-
drückt werden, lauten: ipse opus dictando, designavit
latomis, decreverat, perficere disponebat. Alle vier
Begriffe sagen nicht mehr, als dass Wilhelm von
Volpiano den Bau der Kirchen als Baumaßnahme
bestimmt hat; über eine persönliche baugestaltende
Planung oder gar über die Bestimmung der Bau-
formen geben die Quellen keine Auskunft. Ähnliches
bedeutet wohl auch die vor 1100 von Osborn
gemachte Bemerkung über den 958 verstorbenen
Erzbischof Odo von Canterbury: „Den zusammenge-
holten Kunstfertigen machte er Vorschriften (congre-
gatis artificibus praecepit) und ließ die Mauern, die
eine zu geringe Höhe hatten, höher führen."63
Letztendlich ist zum Vergleich noch die Vita des
Augsburger Bischofs Ulrich (923-973) heranzuziehen,
in der bald nach dessen Tod der Propst des
Augsburger Domes, Gerhard, über Ulrichs Beteiligung
an den Kirchenbauten berichtet. „Niemals aber weil-
 
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