XII
Wandlungen im Bevölkerungsbild Heidelbergs
standen noch Krapp- und Tapetenfabriken. Die meisten dieser Unternehmen erlebten die Jahrhundertwende
nicht mehr. Dank der Gunst Kurfürst Karl Theodors setzte in Heidelberg um die Mitte des 18. Jahrhunderts
eine neue Bautätigkeit ein, an der die Jesuiten in erster Linie beteiligt waren. Noch heute verleihen die in jener
Zeit entstandenen Bauten der Stadt charakteristische Akzente. Auch die Universität erlebte einen neuen Auf-
schwung, der sich allerdings in bescheidenen Grenzen bewegte.
Die französischen Revolutionskriege, die auch Heidelberg mit Einquartierung, Plünderung und andern La-
sten in Mitleidenschaft zogen, schließlich das Ende der alten Kurpfalz im Jahre 1803 und der Übergang ihrer
rechtsrheinischen Ämter an Baden brachte für Heidelberg zunächst einen erneuten Rückschlag. Er wurde aber
bald überwunden, als mit der Wiederherstellung der Universität durch den neuen Landesherrn Karl Friedrich
die Voraussetzung für eine neue Blütezeit geschaffen war. Und dieser wissenschaftliche Aufschwung verband
sich aufs glücklichste mit der dichterisch-künstlerischen Entfaltung der Romantik. Der Zauber der Heidelberger
Landschaft wird empfunden und besungen. Der Zustrom von Reisenden setzt ein. Der Name Heidelberg ge-
winnt in jenen Jahrzehnten neuen Klang. Auch äußerlich wandelte sich das Bild der Stadt. Die Stadtmauer fiel,
Türme und Tore wurden abgebrochen, viele freie Plätze in der Vorstadt wurden überbaut. Die Einwohnerzahl
stieg wieder langsam an, wie nachstehende Übersicht zeigt:
1786: 10 721 1805: 9 498 1810: 10 312 1821: 11 739
1802: 8 919 1807: 10 031 1816: 9 532 1833: 13 413
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besaß die Heidelberger Industrie nur geringe Bedeutung. Noch im
Jahre 1861 heißt es von der Heidelberger Bevölkerung: „Dieselben ernähren sich meist mit Kleinhandel, mit
Vermiethen von Wohnungen an Fremde, sowie der Hochschule Angehörigen, doch sind auch verschiedene Fa-
brikzweige in Blüthe begriffen und außerdem wird Ackerbau in der Ebene mit Erfolg betrieben.“ Nun wan-
delte sich aber die wirtschaftliche Struktur der Stadt, als mit dem Bau der Eisenbahnen nach Mannheim (1840),
Karlsruhe (1843), Frankfurt (1846) und Würzburg (1863) neue Verkehrsverbindungen geschaffen waren. Sie wa-
ren der Entwicklung neuer Fabrikanlagen förderlich. So entstand 1848 der keramische Fabrik von Heinstein,
im folgenden Jahr die Gasfabrik, 1850 die Schnellpressenfabrik, 1853 die Eisenbahnwaggonfabrik. Ältere Fa-
briken, wie die bereits 1810 begründete Tabakfabrik Landfried, erlebten in jenen Jahrzehnten einen weiteren
Aufschwung. Wenn auch das äußere Gesicht Heidelbergs durch seine Industrie nie allein und entscheidend be-
stimmt wurde, weil Universität und Fremdenverkehr stärkere Faktoren blieben, so ist sie doch für die wirt-
schaftliche Struktur der Stadt und die soziale Schichtung der Bevölkerung von größter Bedeutung geworden.
Ihr vor allem ist das beschleunigte Ansteigen der Einwohnerzahl zwischen 1865 und 1910 zuzuschreiben. In die-
sen 45 Jahren hat sich die Bevölkerung verdreifacht.
1845:
13 633
1875:
22 234
1900:
43 998
1919:
60 831
1855:
15 129
1885:
26 128
1905:
49 527
1925:
73 034
1864:
17 657
1890:
31 739
1910:
56 016
1933:
84 641
Die starke Bevölkerungszunahme Heidelbergs in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, wie sie aus
der obigen Übersicht abzulesen ist, geht nicht allein auf den alljährlichen Geburtenüberschuß zurück, sondern ist
in erster Linie durch den mit der zunehmenden Industrialisierung der Stadt zusammenhängenden Wanderungs-
gewinn veranlaßt. Besonders groß ist die Zuwanderung in den Jahren 1886 1890 gewesen.
Wandlungen im Bevölkerungsbild Heidelbergs
standen noch Krapp- und Tapetenfabriken. Die meisten dieser Unternehmen erlebten die Jahrhundertwende
nicht mehr. Dank der Gunst Kurfürst Karl Theodors setzte in Heidelberg um die Mitte des 18. Jahrhunderts
eine neue Bautätigkeit ein, an der die Jesuiten in erster Linie beteiligt waren. Noch heute verleihen die in jener
Zeit entstandenen Bauten der Stadt charakteristische Akzente. Auch die Universität erlebte einen neuen Auf-
schwung, der sich allerdings in bescheidenen Grenzen bewegte.
Die französischen Revolutionskriege, die auch Heidelberg mit Einquartierung, Plünderung und andern La-
sten in Mitleidenschaft zogen, schließlich das Ende der alten Kurpfalz im Jahre 1803 und der Übergang ihrer
rechtsrheinischen Ämter an Baden brachte für Heidelberg zunächst einen erneuten Rückschlag. Er wurde aber
bald überwunden, als mit der Wiederherstellung der Universität durch den neuen Landesherrn Karl Friedrich
die Voraussetzung für eine neue Blütezeit geschaffen war. Und dieser wissenschaftliche Aufschwung verband
sich aufs glücklichste mit der dichterisch-künstlerischen Entfaltung der Romantik. Der Zauber der Heidelberger
Landschaft wird empfunden und besungen. Der Zustrom von Reisenden setzt ein. Der Name Heidelberg ge-
winnt in jenen Jahrzehnten neuen Klang. Auch äußerlich wandelte sich das Bild der Stadt. Die Stadtmauer fiel,
Türme und Tore wurden abgebrochen, viele freie Plätze in der Vorstadt wurden überbaut. Die Einwohnerzahl
stieg wieder langsam an, wie nachstehende Übersicht zeigt:
1786: 10 721 1805: 9 498 1810: 10 312 1821: 11 739
1802: 8 919 1807: 10 031 1816: 9 532 1833: 13 413
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besaß die Heidelberger Industrie nur geringe Bedeutung. Noch im
Jahre 1861 heißt es von der Heidelberger Bevölkerung: „Dieselben ernähren sich meist mit Kleinhandel, mit
Vermiethen von Wohnungen an Fremde, sowie der Hochschule Angehörigen, doch sind auch verschiedene Fa-
brikzweige in Blüthe begriffen und außerdem wird Ackerbau in der Ebene mit Erfolg betrieben.“ Nun wan-
delte sich aber die wirtschaftliche Struktur der Stadt, als mit dem Bau der Eisenbahnen nach Mannheim (1840),
Karlsruhe (1843), Frankfurt (1846) und Würzburg (1863) neue Verkehrsverbindungen geschaffen waren. Sie wa-
ren der Entwicklung neuer Fabrikanlagen förderlich. So entstand 1848 der keramische Fabrik von Heinstein,
im folgenden Jahr die Gasfabrik, 1850 die Schnellpressenfabrik, 1853 die Eisenbahnwaggonfabrik. Ältere Fa-
briken, wie die bereits 1810 begründete Tabakfabrik Landfried, erlebten in jenen Jahrzehnten einen weiteren
Aufschwung. Wenn auch das äußere Gesicht Heidelbergs durch seine Industrie nie allein und entscheidend be-
stimmt wurde, weil Universität und Fremdenverkehr stärkere Faktoren blieben, so ist sie doch für die wirt-
schaftliche Struktur der Stadt und die soziale Schichtung der Bevölkerung von größter Bedeutung geworden.
Ihr vor allem ist das beschleunigte Ansteigen der Einwohnerzahl zwischen 1865 und 1910 zuzuschreiben. In die-
sen 45 Jahren hat sich die Bevölkerung verdreifacht.
1845:
13 633
1875:
22 234
1900:
43 998
1919:
60 831
1855:
15 129
1885:
26 128
1905:
49 527
1925:
73 034
1864:
17 657
1890:
31 739
1910:
56 016
1933:
84 641
Die starke Bevölkerungszunahme Heidelbergs in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, wie sie aus
der obigen Übersicht abzulesen ist, geht nicht allein auf den alljährlichen Geburtenüberschuß zurück, sondern ist
in erster Linie durch den mit der zunehmenden Industrialisierung der Stadt zusammenhängenden Wanderungs-
gewinn veranlaßt. Besonders groß ist die Zuwanderung in den Jahren 1886 1890 gewesen.