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den gleichen Grundsätzen zu bemessen.
Thatsachen beweisen, daß die Urheber von
Altar-Entwürfen oft sehr wenig Rücksicht
daraus nehmen, sondern von der Fläche
der Mensa für ihre künstlerischen Bildnn-
gen so viel nehmen, als ihnen in Ansehung
des geplanten Ausrisses für den Grund-
riß nöthig scheint, und wenig Rücksicht
daraus nehmen, ob die übrige Fläche der
Mensa für das Messelesen zu schmal, oder
für bequemes Näherrücken des Tabernakels
zu tief ist. Man wahre sich also recht-
zeitig das Recht und die Möglichkeit der
Einsprache und dulde sa kein willkürliches
Abweichen von der Regel. Es ist nicht
überflüssig, das Nöthige kontraktlich fest-
zustellen. (Fortsetzung folgt.)
Studien über Plastik.
Von F. Festing.
IV.
Geschichtliches. Inhalt und Form.
Nachdem wir im vorigen Abschnitte die
Art und 'Weise des Zustandekommens des
plastischen Kunstwerkes angedeutet haben,
treten wir nun an die Betrachtung des
Kunstwerkes selbst heran. Die Frage
nach Inhalt und Form der Werke der
christlichen Bildhauerkunst soll uns im Fol-
genden beschäftigen.
Wer sollte aber diese Frage besser lösen
können, als die Geschichte dieser Kunst?
Die Geschichte der Künste zeigt uns die
wirkliche Kunst, wie sie objektiv vor-
handen, wie sie gleichsam in naturnoth-
wendigem Drange in ihren Werken That
und Wirklichkeit geworden ist.
Um für unsere Schilderungen einen ent-
sprechend wirksamen Hintergrund zu gewin-
itert, wollen wir die antike Kunst wenigstens
streifen. Ihr eingehendes Studium, das
sowohl für den Künstler als den Kunst-
freund, ja für jeden Gebildeten von emi-
nentem Interesse und höchst lehrreicher
Bedeutung ist, können wir den Lesern hier
nur anrathen. Die antike Kunst liefert
uns unter andern den schlagenden Beweis,
daß nicht nur das Judenthum, sondern
auch das Heidenthum nicht zu unterschätzende
Momente der Vorbereitung aus das Chri-
stenthum enthält. Für die christliche Kunst
gibt sie in formeller Beziehung geradezu
den Grund und Boden ab, aus dem sich
diese in ihren Anfängen aufbaut. Bei
den Griechen vermochte sie zum Theil die
Mängel der Religion zu decken und einiger-
maßen Ersatz zu bieten für das, was jene
durch ihre Versinnlichung in intellektueller
und moralischer Beziehung verdarb.
Besonders standen die Schöpfungen der
antiken Plastik in der besten Zeit, diese hoch-
edlen, formvollendeten Götterbilder, nicht
nur ans einer Stufe künstlerischer Voll-
endung , wie sie verhältnißmäßig nicht
mehr erreicht wurde, auch an Er-
habenheit und Reinheit der Auffassung
ragen sie weit empor über die poetisch-
religiösen Gebilde der Mythologie. Wenn
es wahr ist, daß den einzelnen Nationen
ein bestimmtes Dogma aus den Trümmern
der Urofsenbarung zugetheilt wurde, damit
es einen festen Anhaltspunkt biete, um
welchen das gesammte politische und private
Leben zur Regelung der intellektuellen und
sittlichen Entwicklung sich bewege; wenn
die religiösen Vorstellungen der Inder
und ihre poetischen Erzeugnisse die Ahnung
der Inkarnation, der Gedanke von dem
Herabsteigen des Göttlichen in die irdische
Welt, durchdrang; wenn die Aegypter vor
allen die Wahrheit von der Unsterblichkeit
der Seele und die gerechte Vergeltung
nach dem Tode hochhielten; wenn die Per-
ser den Widerstreit des guten und bösen
Prinzips und die Phönizier die Thatsache
des Sündenfalles mit der Sühne durch
blutige Menschenopfer als Grundlage ihrer
religiösen Anschauungen festhielten: so
„empfieng und bewahrte sich Griechenland
die doppelte Erinnerung an den Menschen
als das Ebenbild Gottes und an den Fall
und die Erniedrigung des Geschlechts"; so
liegt die Größe jener Nation und die
Bedeutung der griechischen Kunst vor allem
darin begründet, daß sie „instinktmäßig
die Rehabilitation des Menschengeschlechts,
man könnte sagen, die Erlösung und
Restauration unserer Natur und der sie
umkleidenden Formen versuchte, mit einem
Wort darin, daß Hellas den Begriff des
Idealen in die Welt gebracht hat". (Siehe
Dr. F. 3£. Kraus, Die christliche Kunst
in ihren frühesten Anfängen.)
Vorzüglich die griechische Bildhauerkunst
hat diese Ausgabe, die Idee des Schönen
zu Pflegen, auf dem ihr eigenthümlichsten
Gebiete in unübertroffener Weise gelöst.
den gleichen Grundsätzen zu bemessen.
Thatsachen beweisen, daß die Urheber von
Altar-Entwürfen oft sehr wenig Rücksicht
daraus nehmen, sondern von der Fläche
der Mensa für ihre künstlerischen Bildnn-
gen so viel nehmen, als ihnen in Ansehung
des geplanten Ausrisses für den Grund-
riß nöthig scheint, und wenig Rücksicht
daraus nehmen, ob die übrige Fläche der
Mensa für das Messelesen zu schmal, oder
für bequemes Näherrücken des Tabernakels
zu tief ist. Man wahre sich also recht-
zeitig das Recht und die Möglichkeit der
Einsprache und dulde sa kein willkürliches
Abweichen von der Regel. Es ist nicht
überflüssig, das Nöthige kontraktlich fest-
zustellen. (Fortsetzung folgt.)
Studien über Plastik.
Von F. Festing.
IV.
Geschichtliches. Inhalt und Form.
Nachdem wir im vorigen Abschnitte die
Art und 'Weise des Zustandekommens des
plastischen Kunstwerkes angedeutet haben,
treten wir nun an die Betrachtung des
Kunstwerkes selbst heran. Die Frage
nach Inhalt und Form der Werke der
christlichen Bildhauerkunst soll uns im Fol-
genden beschäftigen.
Wer sollte aber diese Frage besser lösen
können, als die Geschichte dieser Kunst?
Die Geschichte der Künste zeigt uns die
wirkliche Kunst, wie sie objektiv vor-
handen, wie sie gleichsam in naturnoth-
wendigem Drange in ihren Werken That
und Wirklichkeit geworden ist.
Um für unsere Schilderungen einen ent-
sprechend wirksamen Hintergrund zu gewin-
itert, wollen wir die antike Kunst wenigstens
streifen. Ihr eingehendes Studium, das
sowohl für den Künstler als den Kunst-
freund, ja für jeden Gebildeten von emi-
nentem Interesse und höchst lehrreicher
Bedeutung ist, können wir den Lesern hier
nur anrathen. Die antike Kunst liefert
uns unter andern den schlagenden Beweis,
daß nicht nur das Judenthum, sondern
auch das Heidenthum nicht zu unterschätzende
Momente der Vorbereitung aus das Chri-
stenthum enthält. Für die christliche Kunst
gibt sie in formeller Beziehung geradezu
den Grund und Boden ab, aus dem sich
diese in ihren Anfängen aufbaut. Bei
den Griechen vermochte sie zum Theil die
Mängel der Religion zu decken und einiger-
maßen Ersatz zu bieten für das, was jene
durch ihre Versinnlichung in intellektueller
und moralischer Beziehung verdarb.
Besonders standen die Schöpfungen der
antiken Plastik in der besten Zeit, diese hoch-
edlen, formvollendeten Götterbilder, nicht
nur ans einer Stufe künstlerischer Voll-
endung , wie sie verhältnißmäßig nicht
mehr erreicht wurde, auch an Er-
habenheit und Reinheit der Auffassung
ragen sie weit empor über die poetisch-
religiösen Gebilde der Mythologie. Wenn
es wahr ist, daß den einzelnen Nationen
ein bestimmtes Dogma aus den Trümmern
der Urofsenbarung zugetheilt wurde, damit
es einen festen Anhaltspunkt biete, um
welchen das gesammte politische und private
Leben zur Regelung der intellektuellen und
sittlichen Entwicklung sich bewege; wenn
die religiösen Vorstellungen der Inder
und ihre poetischen Erzeugnisse die Ahnung
der Inkarnation, der Gedanke von dem
Herabsteigen des Göttlichen in die irdische
Welt, durchdrang; wenn die Aegypter vor
allen die Wahrheit von der Unsterblichkeit
der Seele und die gerechte Vergeltung
nach dem Tode hochhielten; wenn die Per-
ser den Widerstreit des guten und bösen
Prinzips und die Phönizier die Thatsache
des Sündenfalles mit der Sühne durch
blutige Menschenopfer als Grundlage ihrer
religiösen Anschauungen festhielten: so
„empfieng und bewahrte sich Griechenland
die doppelte Erinnerung an den Menschen
als das Ebenbild Gottes und an den Fall
und die Erniedrigung des Geschlechts"; so
liegt die Größe jener Nation und die
Bedeutung der griechischen Kunst vor allem
darin begründet, daß sie „instinktmäßig
die Rehabilitation des Menschengeschlechts,
man könnte sagen, die Erlösung und
Restauration unserer Natur und der sie
umkleidenden Formen versuchte, mit einem
Wort darin, daß Hellas den Begriff des
Idealen in die Welt gebracht hat". (Siehe
Dr. F. 3£. Kraus, Die christliche Kunst
in ihren frühesten Anfängen.)
Vorzüglich die griechische Bildhauerkunst
hat diese Ausgabe, die Idee des Schönen
zu Pflegen, auf dem ihr eigenthümlichsten
Gebiete in unübertroffener Weise gelöst.