Aer (3olf von Bajae.
„Kein Meerbusen strahlt anmutsvoller als Bajae."
(Horaz.)
„Jetzt wenn der Morgenstern, das Licht ankündend, hervorgeht,
Eos im Safrangewand dann über das Meer sich verbreitet."
(Homer.)
heiliger Frühe unternahmen wir heute einen Ausflug ins Reich der Phlegräischen Felder,
ins Reich des segelbevölkerten Bajaegolfs.
I Am der Torretta bestiegen wir den Dampftram, der in einer Stunde ungefähr Pozzuoli
erreicht. — Zunächst kommt man durch den neuen Tunnel, der Neapels Gebirgsrücken
durchschneidet. Die alte, schon zur Zeit des Augustus hergestellte Grotte ist schon seit längerer Zeit
wegen Baufälligkeit für den Verkehr geschlossen.
Trotz der Morgenstunde war der Tram stark besetzt, denn es war Sonntag und viel Publikum
fuhr hinaus in die Campagna, um einen lustigen Tag zu verbringen. Der ganze Zug bestand aus
drei Wagen, einem erster, einem zweiter und einem dritter Klasse. Wir zogen letzteren vor, um einige
Menschenstudien zu machen, denn eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft befand sich hier im offenen
Wagen, darunter mancher höchst interessante Kopf. Kurz vor der Grotte befindet sich links oben, mitten
im frischen Grün einer Masseria (Obstfeld), das unscheinbare sogenannte Grab des Dichters Virgil.
Der Weg durch die mit Laternenlicht erleuchtete, von Menschen, Tieren, Wagen stets erfüllte
Grotte führt uns in eine neue Welt. Aus dem Dunkel heraus kommt man in das bunte, schmutzige,
menschenwimmelnde Städtlein Fuorigrotta, und dann durch üppig bewachsene Weinfelder, der Landstraße
folgend, bis zum kleinen Badeort Bagnoli. Von hier geht nun die Bahn bis nach Pozzuoli immer
dem Meer entlang — eine prächtige Fahrt. Das ferne schroffe Kap Mifeno war in bläulichen Nebel
gehüllt, spiegelglatt breitete sich das weite Meer aus, verschiedene Segelschiffe lagen unbeweglich, schlaff
hingen die Segel hernieder. Das gänzliche Fehlen einer Wolke am tiefblauen Himmel zeigte einen
warmen Tag an.
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