EXPRESSIONISMUS - KUNST?
Nicht von vornherein habe ich den Expressionismus abgelehnt. Im
Gegenteil hatte ich den festen Willen, diese Kunst kennenzulernen, um
sie verstehen zu können. Aus diesem Grunde habe ich mir nicht nur
den Einführungsvortrag von William Wauer angehört, sondern sogar
die Ausstellung zweimal angesehen. — Ergebnis??
Ich kann an diesen Bildern nichts Schönes und Künstlerisches finden,
so sehr ich mich auch bemühte. Wenn beim Expressionismus das Wort
„Kunst" unbedingt gebraucht werden muß, dann kann aber auf keinen
Fall der Maler sich als Künstler bezeichnen, sondern Künstler ist in
diesem Falle der Beschauer. Er nämlich muß sich aus diesen unmög-
lichen Farben, Strichen, Kreisen und Klecksen etwas zusammenreimen
können.
Vielleicht tut es aber der Wille nicht allein, sondern es fehlt mir das Ver-
ständnis für diese „Kunst"! Möglich!!! Ich hatte nur noch einen
Wunsch, als ich vor den Bildern stand, und zwar den, daß Gott mir
meine blühende Phantasie erhalten möge; denn nur diese macht es mir
möglich, wenigstens etwas von dieser Ausstellung zu profitieren.
Ich bin der Meinung, daß ein Mensch, der sich noch etwas Schönheits-
sinn bewahrt hat, ihn überhaupt besitzt, diese Ausstellung mit dem Ge-
fühl der tiefsten Niedergeschlagenheit verlassen wird.
Ingeborg Dressel
Man nennt ihn „Kunst". Gut, ich will als Laie keineswegs Kritik üben
und sagen, er sei eine Abart der Kunst. Aber meine Meinung über den
Expressionismus will ich Euch doch sagen.
Im großen und ganzen stehe ich dieser zwar alten, aber doch modernen
Kunst abweisend und skeptisch gegenüber, ja, ich lehne sie ab. Warum?
— Kleinen Kindern gibt man Mosaiksteinchen, damit sie Menschen, Tiere
und Figuren formen. Auf fast genau dieselbe Art haben sich einige Maler
beschäftigt, indem sie aus Dreiecken und sonstigen komischen Figuren
den berühmten „Reiter" und ähnliches schufen. Mit welcher Berechtigung
nennt man diese Menschen Künstler? Wo liegt die Grenze zwischen
3—8jährigen Kindern und Kunstschülern der expressionistischen Schule
oder gar reifen, älteren Malern? Die „Werke" meiner 6jährigen Kusine
ähneln jedenfalls manchen der sogenannten „Kunstschüler" auffallend
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Nicht von vornherein habe ich den Expressionismus abgelehnt. Im
Gegenteil hatte ich den festen Willen, diese Kunst kennenzulernen, um
sie verstehen zu können. Aus diesem Grunde habe ich mir nicht nur
den Einführungsvortrag von William Wauer angehört, sondern sogar
die Ausstellung zweimal angesehen. — Ergebnis??
Ich kann an diesen Bildern nichts Schönes und Künstlerisches finden,
so sehr ich mich auch bemühte. Wenn beim Expressionismus das Wort
„Kunst" unbedingt gebraucht werden muß, dann kann aber auf keinen
Fall der Maler sich als Künstler bezeichnen, sondern Künstler ist in
diesem Falle der Beschauer. Er nämlich muß sich aus diesen unmög-
lichen Farben, Strichen, Kreisen und Klecksen etwas zusammenreimen
können.
Vielleicht tut es aber der Wille nicht allein, sondern es fehlt mir das Ver-
ständnis für diese „Kunst"! Möglich!!! Ich hatte nur noch einen
Wunsch, als ich vor den Bildern stand, und zwar den, daß Gott mir
meine blühende Phantasie erhalten möge; denn nur diese macht es mir
möglich, wenigstens etwas von dieser Ausstellung zu profitieren.
Ich bin der Meinung, daß ein Mensch, der sich noch etwas Schönheits-
sinn bewahrt hat, ihn überhaupt besitzt, diese Ausstellung mit dem Ge-
fühl der tiefsten Niedergeschlagenheit verlassen wird.
Ingeborg Dressel
Man nennt ihn „Kunst". Gut, ich will als Laie keineswegs Kritik üben
und sagen, er sei eine Abart der Kunst. Aber meine Meinung über den
Expressionismus will ich Euch doch sagen.
Im großen und ganzen stehe ich dieser zwar alten, aber doch modernen
Kunst abweisend und skeptisch gegenüber, ja, ich lehne sie ab. Warum?
— Kleinen Kindern gibt man Mosaiksteinchen, damit sie Menschen, Tiere
und Figuren formen. Auf fast genau dieselbe Art haben sich einige Maler
beschäftigt, indem sie aus Dreiecken und sonstigen komischen Figuren
den berühmten „Reiter" und ähnliches schufen. Mit welcher Berechtigung
nennt man diese Menschen Künstler? Wo liegt die Grenze zwischen
3—8jährigen Kindern und Kunstschülern der expressionistischen Schule
oder gar reifen, älteren Malern? Die „Werke" meiner 6jährigen Kusine
ähneln jedenfalls manchen der sogenannten „Kunstschüler" auffallend
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