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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Drittes Heft
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Möbius, Hans: Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0202
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HANS MÖBIUS

Als Kultbild betrachtet Robert1 auch aus mir nicht ersichtlichem
Grunde eine kleine weibliche Sitzfigur zierlichen archaischen Stiles
aus Rhamnus (Tat. XIII)2. Ferner bezeugen uns unzählige Terra-
kotten, daß sich die Tempelbilder nicht von den uns erhaltenen
archaischen Statuen unterschieden haben3. Freilich können die
Tonfiguren eigentlich nur dann herangezogen werden, wenn sie
aus freier Hand modelliert sind. Sobald man sie mit Hilfe der
Form herstellt, wird man natürlich die frei herausragenden
Teile möglichst dem Körper nähern; die mit einem Attribut
vorgestreckten Arme werden an die Brust oder auf die Schenkel
gelegt4. Auch größere Figuren wie die von Granmichele5
stehen unter dem Zwang des Materials. Die Münzen, die
allerdings mehr für die spätere Zeit in Betracht kommen, führen
uns in entgegengesetzter Richtung irre: um in ihrer Kleinheit
die Haltung der dargestellten Figur deutlich zu machen, geben
sie Arme und Beine in möglichst stark differenzierter Bewegung6.
Es sind weibliche Gottheiten, welche uns die frühen Terra-
kotten vor Augen führen, von männlichen scheinen die Koro-
plasten nur vereinzelt und spät Hermes oder einen böotischen
Lokalheros mit einer Schüssel auf den Knieen7 gebildet zu haben.
Nur in Ionien gibt es thronende Götterpaare im Stile der
Branchiden8 und nur auf Münzen Arkadiens, das uns ja auch
1 Preller-Robert, Griech. Mythologie I4 537 Anm. 2.
2 Athen. Nat.-Mus. Nr. 2569. Pentelischer Marmor. Höhe: 0,445 m.
Untere Breite des Sitzes: 0,275 m. Rechter Arm für Anstückung her-
gerichtet, der Kopf war in ein rechteckiges Loch eingesetzt. Unsere
Taf. XIII nach Inst.-Phot. N.-M. 2289, 2290.
3 Nach dem Vorbilde geometrischer Terrakotten denkt sich v. Wila-
mowitz die Athena von Ilion (Die Ilias und Homer 381 Anm. 4). Dagegen
hat Bethe (Homer II 311 ff.) mit Recht darauf hingewiesen, daß lebens-
große Sitzbilder vor der zweiten Hälfte des VII. Jhs. nicht denkbar sind,
und datiert danach die Ilias.
4 Diese Entwicklung ist gut zu verfolgen an den kleinen Herafiguren
von Tiryns (Tiryns I Taf. 1—5).
5 Mon. Line. XVIII 1908 tav. IV (Orsi).
6 Über Sitzfiguren auf Münzen vgl. Regling, Antike Münze als Kunst-
werk 23f.
7 Winter, Typen derfigürl. Terrakotten 1179, 1. 2. Ein Männchen mit
ähnlichem konischem Hut stellt eine Bronze aus Dodona dar (Carapanos,
Dodone pl. X nr. 2, 2 bis).
8 Boehlau, Aus ion. Nekropolen Taf. XIV 6. 8. K. i. B. VII 202, 7.
 
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