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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 44.1919

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Rodenwaldt, Gerhart: Zur Entstehung der monumentalen Architektur in Griechenland
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https://doi.org/10.11588/diglit.29500#0186
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Gerhart Rodenwaldt

Schon die !dee des Tempeis besitzt keine Vorstufen im Mykenischen.
Aber immerhin wäre es noch denkbar, daß eine neue Zeit oder ein neues
Voik eine übernommene Bauform einem anderen Zweck dienstbar ge-
macht habe, ohne daß eine Unterbrechung der Benutzung stattgefunden
hätte. Eine Betrachtung der Grundrißformen der ältesten Tempel lehrt
jedoch, daß zwischen ihnen und dem Megaron ein schärfster Gegensatz
besteht; ich kann hier auf die Ausführungen im Jahrb. d. Inst. XXXIV
1919, 95 f., Arm. 2 verweisen, wo jedoch noch nicht weit genug gehende
Folgerungen daraus gezogen worden sind. Dieser Gegensatz kann nicht
das Ergebnis einer direkten Entwicklung aus dem Megaron sein. Denn
einerseits knüpfen die Grundrißformen an vormykenische Formen des
Hauses an, und andererseits sehen wir, daß die Entwicklung erst nach
den Anfängen in einer Richtung verläuft, die den Tempel dem myke-
nischen Megaron ähnlicher macht. Der Grundriß eines klassischen Tempels
mit dem Ausgleich zwischen Längen- und Breitenausdehnung und der
relativen Weiträumigkeit des Inneren steht dem mykenischen Megaron
näher als ein archaischer Tempel. Mit der Herleitung aus dem Megaron
fällt aber auch die Notwendigkeit, eine ununterbrochene Tradition des
Monumentalbaues anzunehmen. Die Idee des Tempels und seine Bau-
form kann von einem neuen Völkerstrom aus dem Norden mitgebracht
sein, kann aber auch erst im späteren Verlauf der geometrischen Kultur
entstanden sein.
Wie eine schwere, dumpfe Masse lastet der älteste Tempel auf dem
Boden, in den er fast zu versinken scheint. Ganz langsam erst füllt er
sich mit Leben und Freiheit. Man hat längst gesehen, daß dieser älteste
Stil des griechischen Tempels nicht das Ergebnis einer Holzarchitektur
sein kann. Man kann sagen, daß der archaische griechische Tempd
gerade das Extrem der Steinarchitektur gegenüber einem Bauen aus Holz
vertritt. Daß man aber bei dem Übersetzen der vorausgesetzten Holz-
architektur in Stein in das entgegengesetzte Extrem verfallen sei, würde
der allgemeingültigen Erfahrung widersprechen, daß bei einer Umsetzung
in eine andere Technik oder ein anderes Material die alten Stilformen
sich erst allmählich den neuen Bedingungen anzupassen pflegen i). Schon
9 Nachieben von Holzformen in Stein kann man in der polnischen Re-
naissance-Architektur beobachten; z. B. bei der obersten Arkade des Krakauer
Schlosses.
 
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