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WILHELM DÖRPFELD
Und dazu kommt, daß die Wand mit ihren drei großen
Toren, wie wir beide sie übereinstimmend für die späthelle-
nistische Zeit ergänzen, auf keinen Fall als gewöhnlicher Spiel-
hintergrund gedient haben kann. Ihre Gestalt und auch ihre
durch eine Inschrift von Oropos gesicherte Benennung pro-
testieren laut gegen eine solche Deutung.
Denn erstens ist der Verfasser mit mir dariiber einig,
daß in der älteren hellenistischen Zeit in allen griechischen
Theatern eine Säulenhalle mit hölzernen Pinakes den Hinter-
grund fiir die skenischen Auffiihrungen bildete, und daß in
römischer Zeit ebenfalls eine Säulenreihe, zwar ohne Pinakes,
aber mit zwischengestellten Standbildern als gewöhnlicher Spiel-
hintergrund diente. Wie ist es da denkbar, daß in der Mitte
des II. vorchristlichen Jahrhunderts eine ganz andere Hinter-
grundswand mit glatten breiten Mauerpfeilern und mehreren
großen Toren zwischen ihnen plötzlich eingeführt worden und
dann in der römischen Zeit wieder ganz verschwunden sein
kann? Und während des Bestehens dieser merkwürdigen neuen
Hintergrundswand, für die auch nicht ein einziges positives
Zeugnis weder in der Literatur, noch unter den Theaterbildern
beigebracht werden kann, soll im Untergeschoß vieler Theater
das alte steinerne Proskenion mit seinen drei Tiiren und seinen
hölzernen Pinakes unverändert stehen geblieben sein, aber jetzt
nicht mehr als Hintergrund für das Spiel in der Orchestra,
sondern nur als Vorderwand einer Bühne gedient haben. Ich
kann dem Verfasser nicht zugeben, daß die Vorderwand des
Oberstockes mit ihren großen Toren jemals den Hintergrund
fiir gewöhnliche skenische Auffiihrungen auf dem Podium vor
ihr gebildet habe, und daß sie erst im II. Jh. v. Chr. an die
Stelle einer ganz anders gestalteten Wand getreten sei. Wie
ich oben (S. 62) dargelegt habe, muß die Thyromata-Wand
schon am Ende des V. Jhs. als Episkenion, besonders fiir die
Göttererscheinungen, im Gebrauch gewesen sein, bestand aber
aus Holz und wurde im II. Jh. in Stein erneuert.
Zweitens stimmen wir beide zwar darin iiberein, daß wir
nach den Inschriften von Oropos auch in Priene im unteren
Stockwerk der Skene ein steinernes jtQoayjjviov mit hölzernen
jiivaxeq und im Obergeschoß eine steinerne öxrjvrf mit hölzernen
WILHELM DÖRPFELD
Und dazu kommt, daß die Wand mit ihren drei großen
Toren, wie wir beide sie übereinstimmend für die späthelle-
nistische Zeit ergänzen, auf keinen Fall als gewöhnlicher Spiel-
hintergrund gedient haben kann. Ihre Gestalt und auch ihre
durch eine Inschrift von Oropos gesicherte Benennung pro-
testieren laut gegen eine solche Deutung.
Denn erstens ist der Verfasser mit mir dariiber einig,
daß in der älteren hellenistischen Zeit in allen griechischen
Theatern eine Säulenhalle mit hölzernen Pinakes den Hinter-
grund fiir die skenischen Auffiihrungen bildete, und daß in
römischer Zeit ebenfalls eine Säulenreihe, zwar ohne Pinakes,
aber mit zwischengestellten Standbildern als gewöhnlicher Spiel-
hintergrund diente. Wie ist es da denkbar, daß in der Mitte
des II. vorchristlichen Jahrhunderts eine ganz andere Hinter-
grundswand mit glatten breiten Mauerpfeilern und mehreren
großen Toren zwischen ihnen plötzlich eingeführt worden und
dann in der römischen Zeit wieder ganz verschwunden sein
kann? Und während des Bestehens dieser merkwürdigen neuen
Hintergrundswand, für die auch nicht ein einziges positives
Zeugnis weder in der Literatur, noch unter den Theaterbildern
beigebracht werden kann, soll im Untergeschoß vieler Theater
das alte steinerne Proskenion mit seinen drei Tiiren und seinen
hölzernen Pinakes unverändert stehen geblieben sein, aber jetzt
nicht mehr als Hintergrund für das Spiel in der Orchestra,
sondern nur als Vorderwand einer Bühne gedient haben. Ich
kann dem Verfasser nicht zugeben, daß die Vorderwand des
Oberstockes mit ihren großen Toren jemals den Hintergrund
fiir gewöhnliche skenische Auffiihrungen auf dem Podium vor
ihr gebildet habe, und daß sie erst im II. Jh. v. Chr. an die
Stelle einer ganz anders gestalteten Wand getreten sei. Wie
ich oben (S. 62) dargelegt habe, muß die Thyromata-Wand
schon am Ende des V. Jhs. als Episkenion, besonders fiir die
Göttererscheinungen, im Gebrauch gewesen sein, bestand aber
aus Holz und wurde im II. Jh. in Stein erneuert.
Zweitens stimmen wir beide zwar darin iiberein, daß wir
nach den Inschriften von Oropos auch in Priene im unteren
Stockwerk der Skene ein steinernes jtQoayjjviov mit hölzernen
jiivaxeq und im Obergeschoß eine steinerne öxrjvrf mit hölzernen