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Andree, Richard
Ethnographische Parallelen und Vergleiche — Stuttgart: Maier, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.35430#0045
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Hausbau. Sündenbock.

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Mann, so begräbt ihn die Frau mit aller Habe und verbrennt die
Hütte, und umgekehrt. Eine Zeitlang legt der überlebende Theil
Maiskolben auf das Grab des Todten x).
Der Brauch ist auch bei Melanesiern nachweisbar. Die Papuas
an der Ostspitze Neu-Guineas reissen die Hütten, in welchen ein
Todesfall stattfand, nieder und lassen nur die Pfähle mit der Platt-
form stehen, auf welcher die Leidtragenden sich gelegentlich ver-
sammeln * 2).

Sündenbock.

Der Sündenbock, welchen die alten Juden beim jährlichen Ver-
söhnopfer in die Wüste jagten3), hat heute noch bei verschiedenen
Völkerschaften seine Parallelen. Bei der Todtenfeierlichkeit der dra-
vidischen Badagas in den Nilgerris, die ihre Leichen verbrennen, wer-
den zwei Büffelkälber herangebracht und angebunden. Auf das eine
derselben legt man alle Sünden des Verstorbenen und seines ganzen
Geschlechts, lässt es dann los und jagt es spornstreichs in die Wüste
Im Leichensermon werden alle Sünden des zu Verbrennenden aufge-
führt und dann gerufen: „Unter des Büffels Fuss sollen sie fallen.“
Das Büffelkalb wird losgelöst und rennt unter dem betäubenden Ge-
schrei der Versammlung „hinweg, hinweg" wie rasend davon4).
Bringen die Katschinzen Südsibiriens dem guten Geiste Kudai
ihre Opfer dar, so führen sie ein weisses Pferd heran, waschen es
mit Milch und Wermut und jagen es dann unter grossem Geschrei
der Versammelten davon. Schliesst dieses Pferd, welches Isyg oder
Isik (auf tatarisch Sünde) heisst, sich an eine fremde Tabune an, so
bedeutet dies Glück5). Es wird also wohl die Vorstellung herrschen,
dass die eigene Sünde dem lieben Nachbar zugeschickt worden ist.
— Wenn bei den Miaotse in China der älteste Sohn des Hauses.

*) Jul. Fröbel, Seven years’ travel in Central-America. London 1859. 137.
2) Comrie im Journ. Anthropol. Instit. VI. 109.
s) 3. Mos. 16. 10.
4) K. Graul, Reise in Ostindien. Leipzig 1854. I. 296. 298.
5) Mitth. des Vereins für Erdkunde zu Leipzig. 1875. 25-
 
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