Nassau unter dem Minister von Marschall.
Von
Dr. W, Sauer,
König], Archivrat und Staatsarchivar zu Wiesbaden,
I.
K. F. vom Stein und die Entstehung der nassauischen Verfassung.
Die erste Ständeversammlung 1818.
1. Die Entstehung der Verfassung.
Der herzoglich nassauische Staatsminister von Marschall1) gehört zu
den am übelsten berufenen Ministern, welche in den Zeiten des Rheinbundes
und der folgenden Aera Metternich die Geschicke eines deutschen Staates ge-
leitet haben. Schwere Anklagen sind gegen die dreissigjährige politische und
administrative Thätigkeit dieses Mannes erhoben worden; es mag hier die
Hinweisung auf die Beurteilung genügen, welche derselbe noch neuerdings bei
Treitschke gefunden hat. Und einen gewichtigen Gewährsmann können die
Gegner des Ministers beibringen, der zunächst für die Verurteilung der gesamten
inneren Geschäftsführung desselben, dann aber auch seines Charakters selbst
der erste und der vollwichtigste in der Reihe der Zeugen ist, und zwar keinen
geringeren, als den Freiherrn vom Stein.
Stein war es, der in heftiger Erbitterung gegen Marschall den Grund
zu der Opposition des nassauischen Landes gegen diesen legte und in weiten
Kreisen ein in dunkeln Farben gezeichnetes Bild dieses Mannes verbreitete;
wir gehen nicht fehl, wenn wir annehmen, dass Steins Worte zum grossen
Teile den Ausgangspunkt der späteren Beurteilung Marschalls gebildet haben.
Es ist meine Absicht, in einer Reihe von einzelnen Aufsätzen eingehende
Vorarbeiten zu der uns fehlenden Geschichte der Regierungszeit des Herzogs
Wilhelm nach den Akten zu bringen, hier mögen auch bezüglich seines
Ministers die Thatsachen reden.
’) Ernst Franz Ludwig Freiherr Marschall von Bieberstein wurde am 2. Äug. 1770
zu Wallerstein als Sohn des wiirtembergisohen Obersten, dann fürstlich Öhringen-Wall erstein-
sohen Oberamtmanns Freiherrn Konrad Otto Christoph Marschall von Bieberstein geboren.
1791 trat er in die Dienste des Fürsten Karl Wilhelm von Nassau-Usingen, wurde 1792 As-
sessor bei der Regierung und dem Hofgerichte und zugleich Kammerjunker, 1793 Regierungs-
rat, 1796 in Veranlassung einer Mission an Hardenberg Geheimer Regierungsrat, 1797 Ge-
heimer Rat, 1803 Präsident der Regierung und 1806 dirigierender Staatsminister. Er starb
am 22. Januar 1834. In der Allgemeinen deutschen Biographie ist er nicht berücksichtigt.
Von
Dr. W, Sauer,
König], Archivrat und Staatsarchivar zu Wiesbaden,
I.
K. F. vom Stein und die Entstehung der nassauischen Verfassung.
Die erste Ständeversammlung 1818.
1. Die Entstehung der Verfassung.
Der herzoglich nassauische Staatsminister von Marschall1) gehört zu
den am übelsten berufenen Ministern, welche in den Zeiten des Rheinbundes
und der folgenden Aera Metternich die Geschicke eines deutschen Staates ge-
leitet haben. Schwere Anklagen sind gegen die dreissigjährige politische und
administrative Thätigkeit dieses Mannes erhoben worden; es mag hier die
Hinweisung auf die Beurteilung genügen, welche derselbe noch neuerdings bei
Treitschke gefunden hat. Und einen gewichtigen Gewährsmann können die
Gegner des Ministers beibringen, der zunächst für die Verurteilung der gesamten
inneren Geschäftsführung desselben, dann aber auch seines Charakters selbst
der erste und der vollwichtigste in der Reihe der Zeugen ist, und zwar keinen
geringeren, als den Freiherrn vom Stein.
Stein war es, der in heftiger Erbitterung gegen Marschall den Grund
zu der Opposition des nassauischen Landes gegen diesen legte und in weiten
Kreisen ein in dunkeln Farben gezeichnetes Bild dieses Mannes verbreitete;
wir gehen nicht fehl, wenn wir annehmen, dass Steins Worte zum grossen
Teile den Ausgangspunkt der späteren Beurteilung Marschalls gebildet haben.
Es ist meine Absicht, in einer Reihe von einzelnen Aufsätzen eingehende
Vorarbeiten zu der uns fehlenden Geschichte der Regierungszeit des Herzogs
Wilhelm nach den Akten zu bringen, hier mögen auch bezüglich seines
Ministers die Thatsachen reden.
’) Ernst Franz Ludwig Freiherr Marschall von Bieberstein wurde am 2. Äug. 1770
zu Wallerstein als Sohn des wiirtembergisohen Obersten, dann fürstlich Öhringen-Wall erstein-
sohen Oberamtmanns Freiherrn Konrad Otto Christoph Marschall von Bieberstein geboren.
1791 trat er in die Dienste des Fürsten Karl Wilhelm von Nassau-Usingen, wurde 1792 As-
sessor bei der Regierung und dem Hofgerichte und zugleich Kammerjunker, 1793 Regierungs-
rat, 1796 in Veranlassung einer Mission an Hardenberg Geheimer Regierungsrat, 1797 Ge-
heimer Rat, 1803 Präsident der Regierung und 1806 dirigierender Staatsminister. Er starb
am 22. Januar 1834. In der Allgemeinen deutschen Biographie ist er nicht berücksichtigt.