46
A. Korf
Der Regierung in Wiesbaden erklärte der Fürst, so sehr er auch die
Wiederherstellung des evangelischen Gottesdienstes in Nörings zu befördern
gemeint sei, so wenig könne er sich entschliessen, dessen Einführung auf eine
tätliche und mit äusserer Gewalt verbundene Art und Weise gegen etwa zu
befürchtende Turbationen durchzusetzen. Am allerwenigsten könne er ge-
schehen lassen, dass hierbei solche Anstalten getroffen würden, die zu einem
Vorwande Gelegenheit bieten möchten, sich gewaltsam hineinzumischen. Unter
den obwaltenden unruhigen Zuständen scheine es ihm geeigneter, die Wieder-
herstellung des evangelischen Gottesdienstes bis auf weiteres und wenigstens so
lange zu verschieben, bis die kurmainzischen Absichten, die ihm jetzt doch nicht
mehr zweideutig erschienen, hierbei sich näher entwickelt hätten. Er befahl daher,
dass der Hofrat Roessler am 23. April die Huldigung der Einwohner Falkensteins
bezw. Nörings vornehme, ohne dass, wie ursprünglich geplant, die Einsetzung des
evangelischen Pfarrers damit zugleich verbunden werde: doch sollte Roessler
wegen des Unterbleibens des letzteren Aktes Schweigen beobachten.113)
Am 25. April fand auf dem Schlosse die Huldigung der Einwohner Falken-
steins durch den Hofrat Roessler statt, ohne dass hierbei irgend eine Störung
vorgefallen wäre. Nur machte Roessler die Wahrnehmung, dass die katholischen
Einwohner anfänglich sich nicht entschliessen mochten, auf dem Schlosse zu
huldigen, sondern gewünscht hatten, dass solches im Rathause geschehe. Die
Ursache wurde ihm aber nachher klar. Der Weg zum Schlosse führte an der
Kirche vorbei, und sie befürchteten, dass bei dieser Gelegenheit etwas mit der
Kirche geschehen könne, dass ihnen vielleicht gar zugemutet werde, der Ein-
führung des evangelischen Geistlichen beizuwohnen; doch waren sie bald be-
ruhigt, als sie merkten, dass letzterer Akt an diesem Tage überhaupt nicht
stattfand. Aber auch in Königstein musste man die Einführung des evan-
gelischen Geistlichen vermutet haben; denn am Abend vorher hatte der Pfarrer
Klingenbiel sich bereits den Kirchenschlüssel bringen lassen. Dass dieser aber
auch nicht zur Herausgabe des Schlüssels zu bewegen war, sollte der Hofrat
Roessler bald erfahren. Als er nämlich den Lehrer Bing zu dem Dechanten
schickte, um von diesem sich die Schlüssel zu erbitten, damit er sich das Innere
der Kirche ansehe, kehrte dieser bald unverrichteter Sache mit dem Bemerken
zurück, der Dechant habe den Schlüssel zum Schlosser geschickt, und dieser
sei noch nicht mit der Arbeit fertig. Roessler, mit diesem Bescheid keineswegs
zufrieden, hatte nochmals den Lehrer nach Königstein gesandt und sagen lassen,
dass er sich bei dieser unerheblichen Entschuldigung keineswegs beruhigen
könne. Übrigens sei es gegen die gute Ordnung, die Schlüssel der Kirche an
einem anderen Orte aufzubewahren. Man könne nicht wissen, wie bald durch
Brand u. dergl. ein Unglück entstehe, bei welcher Gelegenheit schleunige Hilfe
durch Stürmen mit der Glocke herbeigerufen werden müsse. Aber auch dieses
Mal kam der Lehrer mit dem Bescheide zurück, dass der Schlüssel noch nicht
fertig sei, mit dem Zusatze, dass Klingenbiel noch geäussert hätte, er, der Hof-
rat, solle ihn ungeschoren lassen.114)
11S) Ebd., Sehr. v. 16. 4. 1775.
1U) Ebd., Bl. 224/7.
A. Korf
Der Regierung in Wiesbaden erklärte der Fürst, so sehr er auch die
Wiederherstellung des evangelischen Gottesdienstes in Nörings zu befördern
gemeint sei, so wenig könne er sich entschliessen, dessen Einführung auf eine
tätliche und mit äusserer Gewalt verbundene Art und Weise gegen etwa zu
befürchtende Turbationen durchzusetzen. Am allerwenigsten könne er ge-
schehen lassen, dass hierbei solche Anstalten getroffen würden, die zu einem
Vorwande Gelegenheit bieten möchten, sich gewaltsam hineinzumischen. Unter
den obwaltenden unruhigen Zuständen scheine es ihm geeigneter, die Wieder-
herstellung des evangelischen Gottesdienstes bis auf weiteres und wenigstens so
lange zu verschieben, bis die kurmainzischen Absichten, die ihm jetzt doch nicht
mehr zweideutig erschienen, hierbei sich näher entwickelt hätten. Er befahl daher,
dass der Hofrat Roessler am 23. April die Huldigung der Einwohner Falkensteins
bezw. Nörings vornehme, ohne dass, wie ursprünglich geplant, die Einsetzung des
evangelischen Pfarrers damit zugleich verbunden werde: doch sollte Roessler
wegen des Unterbleibens des letzteren Aktes Schweigen beobachten.113)
Am 25. April fand auf dem Schlosse die Huldigung der Einwohner Falken-
steins durch den Hofrat Roessler statt, ohne dass hierbei irgend eine Störung
vorgefallen wäre. Nur machte Roessler die Wahrnehmung, dass die katholischen
Einwohner anfänglich sich nicht entschliessen mochten, auf dem Schlosse zu
huldigen, sondern gewünscht hatten, dass solches im Rathause geschehe. Die
Ursache wurde ihm aber nachher klar. Der Weg zum Schlosse führte an der
Kirche vorbei, und sie befürchteten, dass bei dieser Gelegenheit etwas mit der
Kirche geschehen könne, dass ihnen vielleicht gar zugemutet werde, der Ein-
führung des evangelischen Geistlichen beizuwohnen; doch waren sie bald be-
ruhigt, als sie merkten, dass letzterer Akt an diesem Tage überhaupt nicht
stattfand. Aber auch in Königstein musste man die Einführung des evan-
gelischen Geistlichen vermutet haben; denn am Abend vorher hatte der Pfarrer
Klingenbiel sich bereits den Kirchenschlüssel bringen lassen. Dass dieser aber
auch nicht zur Herausgabe des Schlüssels zu bewegen war, sollte der Hofrat
Roessler bald erfahren. Als er nämlich den Lehrer Bing zu dem Dechanten
schickte, um von diesem sich die Schlüssel zu erbitten, damit er sich das Innere
der Kirche ansehe, kehrte dieser bald unverrichteter Sache mit dem Bemerken
zurück, der Dechant habe den Schlüssel zum Schlosser geschickt, und dieser
sei noch nicht mit der Arbeit fertig. Roessler, mit diesem Bescheid keineswegs
zufrieden, hatte nochmals den Lehrer nach Königstein gesandt und sagen lassen,
dass er sich bei dieser unerheblichen Entschuldigung keineswegs beruhigen
könne. Übrigens sei es gegen die gute Ordnung, die Schlüssel der Kirche an
einem anderen Orte aufzubewahren. Man könne nicht wissen, wie bald durch
Brand u. dergl. ein Unglück entstehe, bei welcher Gelegenheit schleunige Hilfe
durch Stürmen mit der Glocke herbeigerufen werden müsse. Aber auch dieses
Mal kam der Lehrer mit dem Bescheide zurück, dass der Schlüssel noch nicht
fertig sei, mit dem Zusatze, dass Klingenbiel noch geäussert hätte, er, der Hof-
rat, solle ihn ungeschoren lassen.114)
11S) Ebd., Sehr. v. 16. 4. 1775.
1U) Ebd., Bl. 224/7.