Frank Preußer
Eike Oellermann
Die naturwissenschaftliche
Untersuchung des Schwabacher
Hochaltares
Zwischenbericht
In einer ersten Serie wurden von den Gemälden und den
Skulpturen 39 Farbproben und Querschnitte entnommen.
Die Farbproben wurden mit folgenden Methoden unter-
sucht: Atomemissionsspektralanalyse, Röntgendiffraktp-
metrie, Infrarotspektroskopie, Mikrochemie und Mikrosko-
pie. Die Querschnitte wurden in Kunstharz eingebettet, an-
geschliffen und im Auflichtmikroskop untersucht. Die Bin-
demittel wurden durch Anfärben der Querschnitte und von
Farbproben mit substratspezifischen Farbstoffen, Infrarot-
spektroskopie und Anwendung von Lösungsmitteln be-
stimmt.
Identifizierte Pigmente: Azurit, Bleiweiß, Blei-Zinn-Gelb,
Calciumcarbonat (Kreide), Grünspan, Krapplack, Malachit,
Mennige, Ocker (rot und braun), Pflanzenschwarz, Zinnober,
sowie Blattgold und Blattsilber.
Identifizierte Binde- und Klebemittel: Trocknende Öle, Pro-
teine, Wachs und Harze.
Hinsichtlich des maltechnischen Aufbaus ergab sich bei
der Untersuchung der Querschnitte vollständige Überein-
stimmung mit der Technik anderer Werke aus dieser Zeit,
die früher untersucht wurden.
Der größte Teil der Proben wurde entnommen, um die Ursa-
che von Farbveränderungen zu ermitteln. Es ergab sich,
daß die meisten Veränderungen auf einen Überzug zurück-
zuführen sind, der im wesentlichen Eiweißstoffe enthält
(Leim, Eiweiß) und im Laufe der Zeit bräunlich-gelb gewor-
den ist. Auch der Verlust originaler Lasuren und durch
Lichteinwirkung bedingtes Ausbleichen spielen bei der op-
tischen Veränderung des Altares eine Rolle.
Zur Restaurierung des
Schwabacher Hochaltares
Erläuterungen der Maßnahmen
Es ist heute bereits angeklungen, daß der Schwabacher Al-
tar zu den besterhaltenen Werken der Spätgotik zählt. Las-
sen Sie mich das gleich relativieren. Dieser Choraltar ist zu-
erst das vom Umfang her größte Retabel, welches in dieser
Kunstepoche in Nürnberg überhaupt hergestellt worden ist.
Es ist aber auch das einzige wirklich bedeutende Altarwerk,
das ohne Verluste an wichtigem originalen Bestand die Zei-
ten überdauert hat. Bedeutende Beispiele nürnberger Altar-
baukunst sind verloren, wie der Altar von Veit Stoß für eine
Kirche in Schwaz in Tirol. Einige haben sich nur in geringen
Teilen erhalten, wie etwa der Altar aus der nürnberger
Augustiner-Kirche, oder sie sind uns im Zustand erhebli-
cher Veränderungen überkommen, wie der Altar Michael
Wolgemuts, der heute in der St. Jakobs-Kirche in Straubing
steht. Am Zwickauer Altar ging beim Einsturz des Gewöl-
bes das Gesprenge restlos verloren und im 19. Jhdt. wurde
die Fassung der Bildwerke erneuert. Der Altar von Hers-
bruck, wenn vielleicht auch nicht in Nürnberg geschaffen,
so doch im direkten Umland aufgestellt, hat das Gesprenge
sowie die Predella verloren. So bliebe vielleicht der Choral-
tar der Kirche in Kalchreuth zu erwähnen, der bis auf hof-
fentlich wieder rückgängig zu machende Eingriffe in der
Fassung komplett erhalten ist. — Aber bei der Aufzählung
wird deutlich, wie weit wir uns in der künstlerischen Quali-
tät der einzelnen Objekte vom Schwabacher Altar hinweg-
begeben müssen, um wieder einmal ein als Ganzes erhalte-
nes Retabel zum Vergleich heranziehen zu können. Gerade
aber vor unserem, in seinen Abmessungen auf den Chor-
raum wohlproportionierten Altar, wird uns bewußt, um wie-
viel größer der Verlust beim Anblick der vielen Fragmente
wirklich ist. Die Einschränkung beginnt nämlich nicht erst,
wenn ein ganzes Bildwerk oder ein Tafelgemälde als verlo-
ren gilt, sondern bereits dort, wo eine Oberfläche beschä-
digt ist oder durch unsachgemäße oder ungeschickte Ein-
griffe das wahre Bild nicht mehr vermittelt wird. Unter die-
sem Aspekt erwiesen sich die jetzt durchgeführten Konser-
vierungsarbeiten dringlicher denn je. Inzwischen wird den-
noch durch uns gewährleistet, daß das Kunstgut anderer
Kirchen Nürnbergs und der Umgebung nicht weiter verfällt.
Kontinuierliche Pflege- und Wartungsmaßnahmen, die
auch an dem fertiggestellten Altar durchgeführt werden
müssen, stellen sicher, daß sich der Schadensverlauf nicht
fortsetzt oder gar vermehrt. Mir erscheint es eine vordringli-
che Aufgabe zu sein, die wirklich gut erhaltenen Objekte
vor weiteren Verlusten originaler Substanz zu bewahren, als
ruinöse Stücke oder durch schlechte Freilegung oder Neu-
fassungen entstellte, durch teure Maßnahmen zu verschö-
nern.
Meine Kollegen werden es mir bestätigen können, daß sich
das wahre Schadensbild immer erst bei der Untersuchung
der Details herausstellt. So galt es, über die statischen Pro-
bleme der Architektur hinaus, die Standflügel wieder im
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Eike Oellermann
Die naturwissenschaftliche
Untersuchung des Schwabacher
Hochaltares
Zwischenbericht
In einer ersten Serie wurden von den Gemälden und den
Skulpturen 39 Farbproben und Querschnitte entnommen.
Die Farbproben wurden mit folgenden Methoden unter-
sucht: Atomemissionsspektralanalyse, Röntgendiffraktp-
metrie, Infrarotspektroskopie, Mikrochemie und Mikrosko-
pie. Die Querschnitte wurden in Kunstharz eingebettet, an-
geschliffen und im Auflichtmikroskop untersucht. Die Bin-
demittel wurden durch Anfärben der Querschnitte und von
Farbproben mit substratspezifischen Farbstoffen, Infrarot-
spektroskopie und Anwendung von Lösungsmitteln be-
stimmt.
Identifizierte Pigmente: Azurit, Bleiweiß, Blei-Zinn-Gelb,
Calciumcarbonat (Kreide), Grünspan, Krapplack, Malachit,
Mennige, Ocker (rot und braun), Pflanzenschwarz, Zinnober,
sowie Blattgold und Blattsilber.
Identifizierte Binde- und Klebemittel: Trocknende Öle, Pro-
teine, Wachs und Harze.
Hinsichtlich des maltechnischen Aufbaus ergab sich bei
der Untersuchung der Querschnitte vollständige Überein-
stimmung mit der Technik anderer Werke aus dieser Zeit,
die früher untersucht wurden.
Der größte Teil der Proben wurde entnommen, um die Ursa-
che von Farbveränderungen zu ermitteln. Es ergab sich,
daß die meisten Veränderungen auf einen Überzug zurück-
zuführen sind, der im wesentlichen Eiweißstoffe enthält
(Leim, Eiweiß) und im Laufe der Zeit bräunlich-gelb gewor-
den ist. Auch der Verlust originaler Lasuren und durch
Lichteinwirkung bedingtes Ausbleichen spielen bei der op-
tischen Veränderung des Altares eine Rolle.
Zur Restaurierung des
Schwabacher Hochaltares
Erläuterungen der Maßnahmen
Es ist heute bereits angeklungen, daß der Schwabacher Al-
tar zu den besterhaltenen Werken der Spätgotik zählt. Las-
sen Sie mich das gleich relativieren. Dieser Choraltar ist zu-
erst das vom Umfang her größte Retabel, welches in dieser
Kunstepoche in Nürnberg überhaupt hergestellt worden ist.
Es ist aber auch das einzige wirklich bedeutende Altarwerk,
das ohne Verluste an wichtigem originalen Bestand die Zei-
ten überdauert hat. Bedeutende Beispiele nürnberger Altar-
baukunst sind verloren, wie der Altar von Veit Stoß für eine
Kirche in Schwaz in Tirol. Einige haben sich nur in geringen
Teilen erhalten, wie etwa der Altar aus der nürnberger
Augustiner-Kirche, oder sie sind uns im Zustand erhebli-
cher Veränderungen überkommen, wie der Altar Michael
Wolgemuts, der heute in der St. Jakobs-Kirche in Straubing
steht. Am Zwickauer Altar ging beim Einsturz des Gewöl-
bes das Gesprenge restlos verloren und im 19. Jhdt. wurde
die Fassung der Bildwerke erneuert. Der Altar von Hers-
bruck, wenn vielleicht auch nicht in Nürnberg geschaffen,
so doch im direkten Umland aufgestellt, hat das Gesprenge
sowie die Predella verloren. So bliebe vielleicht der Choral-
tar der Kirche in Kalchreuth zu erwähnen, der bis auf hof-
fentlich wieder rückgängig zu machende Eingriffe in der
Fassung komplett erhalten ist. — Aber bei der Aufzählung
wird deutlich, wie weit wir uns in der künstlerischen Quali-
tät der einzelnen Objekte vom Schwabacher Altar hinweg-
begeben müssen, um wieder einmal ein als Ganzes erhalte-
nes Retabel zum Vergleich heranziehen zu können. Gerade
aber vor unserem, in seinen Abmessungen auf den Chor-
raum wohlproportionierten Altar, wird uns bewußt, um wie-
viel größer der Verlust beim Anblick der vielen Fragmente
wirklich ist. Die Einschränkung beginnt nämlich nicht erst,
wenn ein ganzes Bildwerk oder ein Tafelgemälde als verlo-
ren gilt, sondern bereits dort, wo eine Oberfläche beschä-
digt ist oder durch unsachgemäße oder ungeschickte Ein-
griffe das wahre Bild nicht mehr vermittelt wird. Unter die-
sem Aspekt erwiesen sich die jetzt durchgeführten Konser-
vierungsarbeiten dringlicher denn je. Inzwischen wird den-
noch durch uns gewährleistet, daß das Kunstgut anderer
Kirchen Nürnbergs und der Umgebung nicht weiter verfällt.
Kontinuierliche Pflege- und Wartungsmaßnahmen, die
auch an dem fertiggestellten Altar durchgeführt werden
müssen, stellen sicher, daß sich der Schadensverlauf nicht
fortsetzt oder gar vermehrt. Mir erscheint es eine vordringli-
che Aufgabe zu sein, die wirklich gut erhaltenen Objekte
vor weiteren Verlusten originaler Substanz zu bewahren, als
ruinöse Stücke oder durch schlechte Freilegung oder Neu-
fassungen entstellte, durch teure Maßnahmen zu verschö-
nern.
Meine Kollegen werden es mir bestätigen können, daß sich
das wahre Schadensbild immer erst bei der Untersuchung
der Details herausstellt. So galt es, über die statischen Pro-
bleme der Architektur hinaus, die Standflügel wieder im
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