Eike Oellermann
Die Ergebnisse technologischer
Untersuchungen am
Schwabacher Hochaltar
Die Holzbearbeitung
Der Choraltar der Schwabacher Stadtkirche beeindruckt
durch seine den Chorraum beherrschenden Abmessungen.
Seine Höhe beträgt, gemessen vom Fußboden, 15,09m. Da-
mit ist er um knapp drei Meter höher als der Altar Michael
Pachers in St. Wolfgang. Die Predella ragt in der Breite et-
was über die Altarflügel hinaus. Dort mißt man 6,61 m. Aus
diesem Maß wird deutlich, daß die Dimensionierung des
Retabels aus dem Baukörper abgeleitet wurde, denn die
Chorbreite beträgt 9,90m. Der geöffnete Altar füllt den
Raum exakt zu zwei Drittel aus. Ein Zurückrechnen auf
eventuelle konkrete Maßangaben bei Zugrundelegung des
Nürnberger Schuh’s erbrachte keine verwendbaren Ergeb-
nisse, womit sich unsere Annahme bestätigt. In Altarverträ-
gen waren ohnehin die geplanten Abmessungen selten in
Zahlen angegeben. Der Altar in St. Wolfgang sollte entspre-
chend der Visierung ausgeführt werden, seine Größe je-
doch nach dem Auszug und aus dem Grund entwickelt wer-
den, also nach Regeln der Bauhüttengewohnheiten.
Die statischen Teile, die Konstruktion des Altares, sind alle
aus Nadelholz angefertigt worden. Dies erscheint wichtig
betont zu werden, weil am Zwölfboten-Altar Friedrich Her-
lins, in der Rothenburger St. Jakobskirche, z.B., die tragen-
den Teile des Schreingehäuses aus Eichenholz sind. Für
die Gemälde und ihre Rahmen verwendete man ebenfalls
Nadelholz. So verleimte man die etwa nur 1,5cm starken
Bretter bis zu 343x143cm großen Tafeln. Wie später noch
nachzuweisen sein wird, transportierte man diese aus-
schließlich in bemaltem Zustand, ohne in einem Rahmen
befestigt zu sein, nach Schwabach. Die Brettfugen sind
durch großflächige Wergabklebungen gesichert, wozu man,
um deren Haftung zu verbessern, kreuzweise das Holz an-
ritzte.
Die Konstruktion des Gesprenges, das Gestänge, ist eben-
falls aus Nadelholz gefertigt, welches dann aber durch aus
Lindenholz geschnitzte Rankenschleier und Fialen mitein-
ander verbunden wurde. Auch die großen Baldachine beste-
hen aus Lindenholz und besitzen für ihre Montage in be-
achtlicher Höhe ein beängstigend hohes Gewicht.
Für die Bildschnitzerarbeit ist ausschließlich Lindenholz
benutzt worden. Nach den ersten holzbiologischen Unter-
suchungen, die uns freundlicherweise Herr Dr. Klein aus-
führt, läßt sich bereits sagen, daß für die beiden großen
Bildwerke aus dem Schrein, für den hl. Johannes d. Täufer
und für den hl. Martin mindestens 140 Jahre alte Bäume ge-
fällt wurden (Abb. 6). Wir erhoffen uns noch Angaben, ob
diese beiden Bildwerke vielleicht aus einem Stamm ge-
schnitzt sind und ob sich ihre Lage nachweisen läßt, ob das
natürliche Format, der Wuchs des Baumes, sich auf die An-
lage der Skulptur ausgewirkt hat. Die Untersuchung kann
an den Reliefs fortgesetzt werden, wo bis zu 50cm breite
Bretter verwendet wurden, die ebenfalls aus Bäumen mit ei-
nem großen Duchmesser stammen.
Der mehrfach betonte gute Erhaltungszustand des Altares
schließt auch Gegenstände mit ein, welche dem Retabel
erst die Stabilität verleihen und das Bewegen der Flügel er-
lauben, nämlich das Eisenwerk. So sind noch alle alten
Scharnierbänder vorhanden (Abb. 8), einschließlich der
Scharnierstifte. Vereinzelt sprangen aber durch die Bela-
stung die Nagelköpfe ab. Da der Altar zweimal zu schließen
ist, haben sich zwei originale Schlösser erhalten, mit denen
das Retabel zu verschließen war. Leider sind die Schlüssel
dazu verloren. Mit zwei dicken Eisenstangen, deren eines
Ende in die Wand eingelassen und deren anderes auf dem
Schreindach angenagelt wurde, ist das Gehäuse gesichert.
Das etwa 9m hohe Gesprenge wurde ebenfalls durch meh-
rere Vierkanteisen an der Wand arretiert. Die beiden Engel,
die zum jüngsten Gericht blasen, sind jeweils mit einem
schräg aus dem Mauerwerk geführten Eisen montiert, des-
sen Ende im rechten Winkel nach unten gebogen, in die
Köpfe eingeschlagen wurde. Die vier großen Figuren im
Schreingehäuse waren nicht angenagelt sondern durch ei-
serne Riegel an Haken in den Schreinwänden eingehängt.
Der bei der Aufstellung eines Altares von derartigen Propor-
tionen beteiligte Schmied hat am Gesamtwerk einen nicht
unbedeutenden Anteil.
Das Gesprenge des Altares setzt sich aus etwa 65 Einzeltei-
len zusammen (Abb. 7). Diese Aufteilung in kleinere Ab-
schnitte war gewiß notwendig, um eine Montage in großer
Höhe zu ermöglichen, aber auch um sie bei einem Trans-
port über weite Strecken vor dem Zerbrechen zu bewahren.
Zudem bot sich die Aufschlüsselung in handliche Teile von
selbst an, weil sich das Architekturgebilde zwar aus vielen,
jedoch z.T. gleichen Werkstücken zusammensetzt. So sind
acht, einander in der Größe gleiche, im Motiv ähnliche,
Rundbogenfelder anzufertigen gewesen. Von dem gewun-
denen Rankenwerk, welches oben in einer Kreuzblume en-
det, waren vier Stück erforderlich; am wenigsten Aufwen-
dung erforderte wohl die Herstellung des Gestänges, wo
bis zu acht gleich große und gleich ausgebildete Elemente
vorhanden sein mußten. Eine Vormontage in der Werkstatt
hatte nicht stattgefunden. Für den Faßmaler und Vergolder
war die Arbeit an einem Einzelteil sicherlich auch wesent-
lich müheloser. Wir dürfen davon ausgehen, daß alle Ge-
sprengestücke in gefaßtem, also fertigem Zustand nach
Schwabach geliefert wurden und erst hier vom Gerüst aus
auf dem Schreindach montiert wurden.
Der Zusammenbau erfolgte nach einem Plan, denn die ein-
ander gleichenden Bauelemente tragen unterschiedliche
Markierungen. So sind in die Kanten Kerben eingeschnitzt
(Abb. 10). Die längste Reihe zählt acht. Beim Auseinander-
nehmen des Gesprenges haben wir vorsorglich alle Teile
mit Zetteln versehen um einen Wiederaufbau, entspre-
chend der bisherigen Anordnung, vornehmen zu können.
Während der Konservierungsarbeiten mußten wir dann
aber feststellen, daß bereits früher eine Vertauschung der
Einzelteile erfolgt sein muß, weil wir den Schlüssel zum Zu-
sammensetzen nicht rekonstruieren konnten. Die Säulen
der unteren Gesprengezone zählen nicht einheitlich durch-
gehend von 1 bis 4 z.B. sondern sind ohne erkennbares Sy-
stem in unregelmäßiger Reihe aufgestellt. Wir dürfen aber
davon ausgehen, daß ursprünglich der Aufbau vom Bild-
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Die Ergebnisse technologischer
Untersuchungen am
Schwabacher Hochaltar
Die Holzbearbeitung
Der Choraltar der Schwabacher Stadtkirche beeindruckt
durch seine den Chorraum beherrschenden Abmessungen.
Seine Höhe beträgt, gemessen vom Fußboden, 15,09m. Da-
mit ist er um knapp drei Meter höher als der Altar Michael
Pachers in St. Wolfgang. Die Predella ragt in der Breite et-
was über die Altarflügel hinaus. Dort mißt man 6,61 m. Aus
diesem Maß wird deutlich, daß die Dimensionierung des
Retabels aus dem Baukörper abgeleitet wurde, denn die
Chorbreite beträgt 9,90m. Der geöffnete Altar füllt den
Raum exakt zu zwei Drittel aus. Ein Zurückrechnen auf
eventuelle konkrete Maßangaben bei Zugrundelegung des
Nürnberger Schuh’s erbrachte keine verwendbaren Ergeb-
nisse, womit sich unsere Annahme bestätigt. In Altarverträ-
gen waren ohnehin die geplanten Abmessungen selten in
Zahlen angegeben. Der Altar in St. Wolfgang sollte entspre-
chend der Visierung ausgeführt werden, seine Größe je-
doch nach dem Auszug und aus dem Grund entwickelt wer-
den, also nach Regeln der Bauhüttengewohnheiten.
Die statischen Teile, die Konstruktion des Altares, sind alle
aus Nadelholz angefertigt worden. Dies erscheint wichtig
betont zu werden, weil am Zwölfboten-Altar Friedrich Her-
lins, in der Rothenburger St. Jakobskirche, z.B., die tragen-
den Teile des Schreingehäuses aus Eichenholz sind. Für
die Gemälde und ihre Rahmen verwendete man ebenfalls
Nadelholz. So verleimte man die etwa nur 1,5cm starken
Bretter bis zu 343x143cm großen Tafeln. Wie später noch
nachzuweisen sein wird, transportierte man diese aus-
schließlich in bemaltem Zustand, ohne in einem Rahmen
befestigt zu sein, nach Schwabach. Die Brettfugen sind
durch großflächige Wergabklebungen gesichert, wozu man,
um deren Haftung zu verbessern, kreuzweise das Holz an-
ritzte.
Die Konstruktion des Gesprenges, das Gestänge, ist eben-
falls aus Nadelholz gefertigt, welches dann aber durch aus
Lindenholz geschnitzte Rankenschleier und Fialen mitein-
ander verbunden wurde. Auch die großen Baldachine beste-
hen aus Lindenholz und besitzen für ihre Montage in be-
achtlicher Höhe ein beängstigend hohes Gewicht.
Für die Bildschnitzerarbeit ist ausschließlich Lindenholz
benutzt worden. Nach den ersten holzbiologischen Unter-
suchungen, die uns freundlicherweise Herr Dr. Klein aus-
führt, läßt sich bereits sagen, daß für die beiden großen
Bildwerke aus dem Schrein, für den hl. Johannes d. Täufer
und für den hl. Martin mindestens 140 Jahre alte Bäume ge-
fällt wurden (Abb. 6). Wir erhoffen uns noch Angaben, ob
diese beiden Bildwerke vielleicht aus einem Stamm ge-
schnitzt sind und ob sich ihre Lage nachweisen läßt, ob das
natürliche Format, der Wuchs des Baumes, sich auf die An-
lage der Skulptur ausgewirkt hat. Die Untersuchung kann
an den Reliefs fortgesetzt werden, wo bis zu 50cm breite
Bretter verwendet wurden, die ebenfalls aus Bäumen mit ei-
nem großen Duchmesser stammen.
Der mehrfach betonte gute Erhaltungszustand des Altares
schließt auch Gegenstände mit ein, welche dem Retabel
erst die Stabilität verleihen und das Bewegen der Flügel er-
lauben, nämlich das Eisenwerk. So sind noch alle alten
Scharnierbänder vorhanden (Abb. 8), einschließlich der
Scharnierstifte. Vereinzelt sprangen aber durch die Bela-
stung die Nagelköpfe ab. Da der Altar zweimal zu schließen
ist, haben sich zwei originale Schlösser erhalten, mit denen
das Retabel zu verschließen war. Leider sind die Schlüssel
dazu verloren. Mit zwei dicken Eisenstangen, deren eines
Ende in die Wand eingelassen und deren anderes auf dem
Schreindach angenagelt wurde, ist das Gehäuse gesichert.
Das etwa 9m hohe Gesprenge wurde ebenfalls durch meh-
rere Vierkanteisen an der Wand arretiert. Die beiden Engel,
die zum jüngsten Gericht blasen, sind jeweils mit einem
schräg aus dem Mauerwerk geführten Eisen montiert, des-
sen Ende im rechten Winkel nach unten gebogen, in die
Köpfe eingeschlagen wurde. Die vier großen Figuren im
Schreingehäuse waren nicht angenagelt sondern durch ei-
serne Riegel an Haken in den Schreinwänden eingehängt.
Der bei der Aufstellung eines Altares von derartigen Propor-
tionen beteiligte Schmied hat am Gesamtwerk einen nicht
unbedeutenden Anteil.
Das Gesprenge des Altares setzt sich aus etwa 65 Einzeltei-
len zusammen (Abb. 7). Diese Aufteilung in kleinere Ab-
schnitte war gewiß notwendig, um eine Montage in großer
Höhe zu ermöglichen, aber auch um sie bei einem Trans-
port über weite Strecken vor dem Zerbrechen zu bewahren.
Zudem bot sich die Aufschlüsselung in handliche Teile von
selbst an, weil sich das Architekturgebilde zwar aus vielen,
jedoch z.T. gleichen Werkstücken zusammensetzt. So sind
acht, einander in der Größe gleiche, im Motiv ähnliche,
Rundbogenfelder anzufertigen gewesen. Von dem gewun-
denen Rankenwerk, welches oben in einer Kreuzblume en-
det, waren vier Stück erforderlich; am wenigsten Aufwen-
dung erforderte wohl die Herstellung des Gestänges, wo
bis zu acht gleich große und gleich ausgebildete Elemente
vorhanden sein mußten. Eine Vormontage in der Werkstatt
hatte nicht stattgefunden. Für den Faßmaler und Vergolder
war die Arbeit an einem Einzelteil sicherlich auch wesent-
lich müheloser. Wir dürfen davon ausgehen, daß alle Ge-
sprengestücke in gefaßtem, also fertigem Zustand nach
Schwabach geliefert wurden und erst hier vom Gerüst aus
auf dem Schreindach montiert wurden.
Der Zusammenbau erfolgte nach einem Plan, denn die ein-
ander gleichenden Bauelemente tragen unterschiedliche
Markierungen. So sind in die Kanten Kerben eingeschnitzt
(Abb. 10). Die längste Reihe zählt acht. Beim Auseinander-
nehmen des Gesprenges haben wir vorsorglich alle Teile
mit Zetteln versehen um einen Wiederaufbau, entspre-
chend der bisherigen Anordnung, vornehmen zu können.
Während der Konservierungsarbeiten mußten wir dann
aber feststellen, daß bereits früher eine Vertauschung der
Einzelteile erfolgt sein muß, weil wir den Schlüssel zum Zu-
sammensetzen nicht rekonstruieren konnten. Die Säulen
der unteren Gesprengezone zählen nicht einheitlich durch-
gehend von 1 bis 4 z.B. sondern sind ohne erkennbares Sy-
stem in unregelmäßiger Reihe aufgestellt. Wir dürfen aber
davon ausgehen, daß ursprünglich der Aufbau vom Bild-
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