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Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]; Grünewald, Matthias [Ill.]
Die Lindenhardter Tafelbilder von Matthias Grünewald: Kolloquium 26.-27 April 1977 in München — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 2: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.63241#0014
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2. Choraltar (1503) geschlossen, Werktagsseite

rem auch ihren entbehrlichen Altar. Einem zeitgenössi-
schen Bericht entnimmt man, daß von dort am 12. Januar
des Jahres 1685 nicht nur der Altar von 1503, sondern auch
die alte Orgel und der nicht mehr benötigte Schalldeckel
der Kanzel nach Lindenhardt gebracht werden. Der Altar
wird in Bindlach erneut zerlegt und auf sicherlich primitiven
Fahrzeugen über schlechte Wegstrecken nach Lindenhardt
transportiert. Dort bleiben seine Einzelteile gut zwei Jahre
liegen, bis er am 19. und 20. August 1687 wiedererrichtet
wird. Ganz zwangsläufig müssen die empfindlichen Gemäl-
de und das Schnitzwerk des Altars dabei abermals leiden.
Es ist ja bekannt, welche Transport- und Lagerungsschä-
den Kunstwerke trotz des technischen Aufwandes unserer
Zeit immer wieder davontragen.
In welcher Form man den Altar in der Lindenhardter Kirche
aufstellt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Karl Sitzmann
führt eine Lindenhardter Kirchenrechnung des Jahres 1687
an, aus der hervorgeht, daß ein Schreiner den Altar oben zu
verkleiden hatte. In dieser Rechnung heißt es weiter, daß
der Schulmeister mit des Schreiners Sohn und einem Lehr-
jungen den Altar in der Kirche aufgerichtet und erhöht ha-
be. Die erwähnte Erhöhung des Altars und seine obere Ver-
kleidung entsprechen einer Beschreibung, die aus dem Jah-
re 1875 stammt. Darin werden die Skulpturen des Schreins
als im unteren Teil stehend geschildert, während die Re-
liefs an der Feiertagsseite der Flügel als darüberstehend
beschrieben wurden. Es ist weder von einer Predella noch
vom Gesprenge auf dem Altar, geschweige denn von den
Gemälden die Rede. Aus der über hundert Jahre alten Schil-
derung und aus der Kirchenrechnung von 1687 schließt Karl
Sitzmann sicherlich richtig, daß in Lindenhardt die beiden
Flügel mit ihren Feiertagsseiten nach außen über dem Al-
tarschrein angebracht waren. Er nimmt weiter an, daß der
Schrein unmittelbar auf der Mensa ruhte.
Inmitten beider Flügelgemälde zeichnen sich, auf gleicher
Höhe liegend, am Harnisch des Georg und am Chormantel
des Dionysius deutlich die Abdrücke eines jeweils ca. 10
cm langen und 2,2 cm breiten Flacheisens ab. Bisher hat
niemand erklärt, welche Funktion diese Eisen einmal hat-
ten, die so bedenkenlos auf der Malerei festgenagelt wur-
den. Wahrscheinlich handelte es sich um Teile einer Stütz-
vorrichtung für die Altarflügel. Ihre ungewöhnliche Plazie-
rung auf dem Schreindach muß eine derartige Konstruktion
erforderlich gemacht haben.
Das Verständnis für den Sinn des Wandelaltars (Reforma-
tion) und das Gefühl für die ursprüngliche Form des
Kunstwerk waren verlorengegangen. Die goldschimmernde
Altarfassade scheint allein erstrebenswert gewesen zu
sein. Dafür opfert man die Gemälde, die, zur Altarrückseite
gekehrt, als Stütz- und Nagelfläche dienen mußten. — Ihr
weiteres Schicksal bestimmt nicht zuletzt die Tatsache,
daß Grünewald in Vergessenheit geraten ist. Schon 1675
stellt Joachim von Sandrart bedauernd fest, es gebe nie-
manden mehr, der über diesen Maler Auskunft geben kön-
ne. Vielleicht wird mit den Tafeln auch derart gedankenlos
umgegangen, weil sie als Werktagsseiten am Altar geringer
gewertet wurden.
150 Jahre vergehen, bis laut Kirchenrechnung die erste
„Altarrestaurierung” vorgenommen wird. Möglicherweise
hat es in dem Zeitraum davor schon kleinere Ausbesserun-
gen gegeben, die jedoch durch keine Rechnung belegt sind.

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