Außerdem wurden erste Untersuchungsreihen zur Einwirkung
organischer Lösungsmittel auf angewitterte Glasoberflächen
durchgeführt, nachdem mikroskopische Untersuchungen an
mittelalterlichen Gläsern den Verdacht einer Verstärkung des
Schadensprozesses nach Lösungsmittelkontakt nahelegten.
Verzahnt mit diesen systematischen Arbeiten und diese beein-
flussend, erfolgten gezielte materialkundliche Untersuchungen
zu einzelnen Restaurierungsmaßnahmen1.
2. Untersuchungen zur Glasverwitterung
2.1. Schadenstypen bei der Glasverwitterung
Ausformungstypus und Intensität der verwitterungsverursach-
ten Zerstörungen an Gläsern hängen von der Glaszusammenset-
zung einerseits und der Art und Dauer der Umgebungseinflüsse
andererseits ab. Die «passiven» materialseitigen Faktoren be-
stimmen die relative Resistenz eines Glases gegenüber den «ak-
tiven» umweltseitigen Schädigungsfaktoren und damit die Ge-
schwindigkeit, mit der ein Schadensprozeß bei gegebenen Um-
welteinflüssen durchlaufen wird.
Verallgemeinernd kann jede Glasverwitterung als chemische
Auslaugung und Hydratisierung der Glasoberflächenschichten
beschrieben werden. Diese chemisch korrodierten Schichten er-
halten offensichtlich durch unterschiedliche Umgebungseinflüs-
se sehr unterschiedliche Ausprägungen von mechanischer De-
stabilisierung, woraus differierende Zerstörungsformen resultie-
ren. Unter verschiedenen Umgebungsbedingungen ergeben sich
dadurch typische Zerstörungsformen.
So unterscheiden sich die Schadensphänomene an Gläsern nach
Bodenlagerung deutlich von denjenigen, die aus atmosphäri-
scher Verwitterung resultieren.
An Bodenfunden lassen sich zwei Zerstörungstypen feststellen:
1. Muschelig-narbige Abplatzungen der Glasoberflächen nach
Lagerung in relativ feuchten Böden
2. Oberflächenparallele Ablösungen filmdünner Schichten am
Glas nach Lagerung in relativ trockenen Böden
Zwischen beiden Korrosionsformen gibt es alle Übergangs-
stufen.
An atmosphärisch verwitterten Gläsern sind im wesentlichen
drei verschiedene Schadenstypen zu unterscheiden:
1. «Oberflächenkorrosion»: Sie tritt als häufigster Zerstörungs-
typus an Glasfenstern in situ auf und läßt sich in ihren verschie-
denen Zerstörungsstadien nachweisen. Sie wird nachfolgend
ausführlich beschrieben.
2. «Opakisierung»: Dieser Schadenstypus ist noch relativ sel-
ten. Unterhalb einer rißdurchsetzten Glasoberflächenzone tritt
eine Zerstörungsschicht mit opaken dunklen Fe- und Mn-
Oxidausscheidungen auf, die die davon betroffenen Glasteile
flächig undurchsichtig machen.
3. «Krakelierung»: Bei dieser ebenfalls nicht sehr häufig auftre-
tenden Zerstörungsform krakelieren die Farbgläser durchgän-
gig. Für die Ursachen gibt es bisher noch keine gesicherten An-
haltspunkte.
Im folgenden wird der ausführlich untersuchte Typ der «Ober-
flächenkorrosion» näher behandelt:
Als «Oberflächenkorrosion» werden hier diejenigen Zerstö-
rungsphänomene an Glas zusammengefaßt, die bereits in ihren
frühen Stadien als morphologische Defekte an der Glasoberflä-
che in Erscheinung treten.
Die sog. «Lochfraßkorrosion» stellt dabei das frühe und mar-
kanteste Stadium dieses Korrosionstyps dar; es ist charakteri-
siert durch kraterförmige Eintiefungen in die Glasoberfläche.
Das Lochfraßstadium geht in mitteleuropäischen Klimaverhält-
nissen, nach relativ geringer Tiefenausdehnung und unter Be-
deckung der korrodierten Partien mit sekundären Korrosions-
produkten, an fast allen Gläsern in das Stadium der Flächen-
korrosion über. Es stellt in diesen Fällen keinen eigenen Korro-
sionstyp dar, wie bereits in einer früheren Untersuchung
nachgewiesen wurde [11]. Eine ausführliche Darstellung der
Einzelstadien wurde in [13] vorgelegt. Beschränkt auf abwei-
chende Glaszusammensetzungen [3] und begünstigt durch sehr
feuchte atmosphärische Bedingungen, kann der Tiefenfort-
schritt der Zerstörungskrater gegenüber ihrer seitlichen Vergrö-
ßerung deutlich dominieren (vgl. Abb. 2, S. 44 in [13]) und im
Endstadium bis zur vollständigen Durchlöcherung von Glas-
scheiben führen. Beschränkt auf diese Phänomene, ist der
Lochfraß als eigener Korrosionstyp abzugrenzen. Im folgenden
wird auf diese Sonderform nicht näher eingegangen.
Die Verwitterungszonen von oberflächenkorrodierten Gläsern
sind je nach Art und Dauer der sie schädigenden Umgebungs-
einflüsse unterschiedlich aufgebaut. Bei ihrer Untersuchung
zeigte sich, daß in ihnen grundsätzlich drei verschiedene Sub-
stanzgruppen unterschieden werden müssen.
a. Auslaugungszonen (sog. «Gelschichten»), in denen die origi-
nale Glassubstanz vorliegt, jedoch in der chemischen Zu-
sammensetzung verändert — durch Auslaugung relativ mo-
biler Ionen, besonders der Alkalien, sowie durch die gegen-
läufige Aufnahme von Wasser. Die morphologisch anfäng-
lich intakten Auslaugungsschichten erfahren mit dem
Fortschreiten ihrer chemischen Veränderung Krakelierungen
unterschiedlicher Ausprägung, wie sie in den nachfolgenden
Abschnitten beschrieben sind.
b. Sekundäre Korrosionsprodukte als chemische Neubildungen
aus herausgelösten Glasbestandteilen und reaktiven chemi-
schen Substanzen der Umgebung. Es entstehen überwiegend
kristallwasserhaltige Salze, die als nichttransparente Schich-
ten auf den Auslaugungszonen aufwachsen.
c. Fremdsubstanzen aus Schmutz- und Staubpartikeln, sowie
Ausfällungen aus umgebenden Lösungen, deren Abschei-
dung auf dem Glas bzw. auf oder in seinen Verwitterungs-
schichten ohne Zusammenhang zur Glaszersetzung ist
2.2. Mikroskopische Untersuchungen zur Morphologie
der Schäden
2.2.1. Zerstörungsstadien bei der Oberflächenkorrosion von
Fensterglas
Für die vorliegende Arbeit wurden zahlreiche mittelalterliche
Fensterglasproben in unterschiedlichem Verwitterungszusstand
mikroskopisch und rasterelektronenmikroskopisch untersucht.
Dabei konnten sehr verschiedene Phänomene oberflächlicher
Glasschäden zu einzelnen Stadien des gleichen Zerstörungspro-
zesses zusammengefaßt und deren morphologische Übergänge
nachgewiesen werden. Danach ergaben sich folgende Einzelsta-
126
organischer Lösungsmittel auf angewitterte Glasoberflächen
durchgeführt, nachdem mikroskopische Untersuchungen an
mittelalterlichen Gläsern den Verdacht einer Verstärkung des
Schadensprozesses nach Lösungsmittelkontakt nahelegten.
Verzahnt mit diesen systematischen Arbeiten und diese beein-
flussend, erfolgten gezielte materialkundliche Untersuchungen
zu einzelnen Restaurierungsmaßnahmen1.
2. Untersuchungen zur Glasverwitterung
2.1. Schadenstypen bei der Glasverwitterung
Ausformungstypus und Intensität der verwitterungsverursach-
ten Zerstörungen an Gläsern hängen von der Glaszusammenset-
zung einerseits und der Art und Dauer der Umgebungseinflüsse
andererseits ab. Die «passiven» materialseitigen Faktoren be-
stimmen die relative Resistenz eines Glases gegenüber den «ak-
tiven» umweltseitigen Schädigungsfaktoren und damit die Ge-
schwindigkeit, mit der ein Schadensprozeß bei gegebenen Um-
welteinflüssen durchlaufen wird.
Verallgemeinernd kann jede Glasverwitterung als chemische
Auslaugung und Hydratisierung der Glasoberflächenschichten
beschrieben werden. Diese chemisch korrodierten Schichten er-
halten offensichtlich durch unterschiedliche Umgebungseinflüs-
se sehr unterschiedliche Ausprägungen von mechanischer De-
stabilisierung, woraus differierende Zerstörungsformen resultie-
ren. Unter verschiedenen Umgebungsbedingungen ergeben sich
dadurch typische Zerstörungsformen.
So unterscheiden sich die Schadensphänomene an Gläsern nach
Bodenlagerung deutlich von denjenigen, die aus atmosphäri-
scher Verwitterung resultieren.
An Bodenfunden lassen sich zwei Zerstörungstypen feststellen:
1. Muschelig-narbige Abplatzungen der Glasoberflächen nach
Lagerung in relativ feuchten Böden
2. Oberflächenparallele Ablösungen filmdünner Schichten am
Glas nach Lagerung in relativ trockenen Böden
Zwischen beiden Korrosionsformen gibt es alle Übergangs-
stufen.
An atmosphärisch verwitterten Gläsern sind im wesentlichen
drei verschiedene Schadenstypen zu unterscheiden:
1. «Oberflächenkorrosion»: Sie tritt als häufigster Zerstörungs-
typus an Glasfenstern in situ auf und läßt sich in ihren verschie-
denen Zerstörungsstadien nachweisen. Sie wird nachfolgend
ausführlich beschrieben.
2. «Opakisierung»: Dieser Schadenstypus ist noch relativ sel-
ten. Unterhalb einer rißdurchsetzten Glasoberflächenzone tritt
eine Zerstörungsschicht mit opaken dunklen Fe- und Mn-
Oxidausscheidungen auf, die die davon betroffenen Glasteile
flächig undurchsichtig machen.
3. «Krakelierung»: Bei dieser ebenfalls nicht sehr häufig auftre-
tenden Zerstörungsform krakelieren die Farbgläser durchgän-
gig. Für die Ursachen gibt es bisher noch keine gesicherten An-
haltspunkte.
Im folgenden wird der ausführlich untersuchte Typ der «Ober-
flächenkorrosion» näher behandelt:
Als «Oberflächenkorrosion» werden hier diejenigen Zerstö-
rungsphänomene an Glas zusammengefaßt, die bereits in ihren
frühen Stadien als morphologische Defekte an der Glasoberflä-
che in Erscheinung treten.
Die sog. «Lochfraßkorrosion» stellt dabei das frühe und mar-
kanteste Stadium dieses Korrosionstyps dar; es ist charakteri-
siert durch kraterförmige Eintiefungen in die Glasoberfläche.
Das Lochfraßstadium geht in mitteleuropäischen Klimaverhält-
nissen, nach relativ geringer Tiefenausdehnung und unter Be-
deckung der korrodierten Partien mit sekundären Korrosions-
produkten, an fast allen Gläsern in das Stadium der Flächen-
korrosion über. Es stellt in diesen Fällen keinen eigenen Korro-
sionstyp dar, wie bereits in einer früheren Untersuchung
nachgewiesen wurde [11]. Eine ausführliche Darstellung der
Einzelstadien wurde in [13] vorgelegt. Beschränkt auf abwei-
chende Glaszusammensetzungen [3] und begünstigt durch sehr
feuchte atmosphärische Bedingungen, kann der Tiefenfort-
schritt der Zerstörungskrater gegenüber ihrer seitlichen Vergrö-
ßerung deutlich dominieren (vgl. Abb. 2, S. 44 in [13]) und im
Endstadium bis zur vollständigen Durchlöcherung von Glas-
scheiben führen. Beschränkt auf diese Phänomene, ist der
Lochfraß als eigener Korrosionstyp abzugrenzen. Im folgenden
wird auf diese Sonderform nicht näher eingegangen.
Die Verwitterungszonen von oberflächenkorrodierten Gläsern
sind je nach Art und Dauer der sie schädigenden Umgebungs-
einflüsse unterschiedlich aufgebaut. Bei ihrer Untersuchung
zeigte sich, daß in ihnen grundsätzlich drei verschiedene Sub-
stanzgruppen unterschieden werden müssen.
a. Auslaugungszonen (sog. «Gelschichten»), in denen die origi-
nale Glassubstanz vorliegt, jedoch in der chemischen Zu-
sammensetzung verändert — durch Auslaugung relativ mo-
biler Ionen, besonders der Alkalien, sowie durch die gegen-
läufige Aufnahme von Wasser. Die morphologisch anfäng-
lich intakten Auslaugungsschichten erfahren mit dem
Fortschreiten ihrer chemischen Veränderung Krakelierungen
unterschiedlicher Ausprägung, wie sie in den nachfolgenden
Abschnitten beschrieben sind.
b. Sekundäre Korrosionsprodukte als chemische Neubildungen
aus herausgelösten Glasbestandteilen und reaktiven chemi-
schen Substanzen der Umgebung. Es entstehen überwiegend
kristallwasserhaltige Salze, die als nichttransparente Schich-
ten auf den Auslaugungszonen aufwachsen.
c. Fremdsubstanzen aus Schmutz- und Staubpartikeln, sowie
Ausfällungen aus umgebenden Lösungen, deren Abschei-
dung auf dem Glas bzw. auf oder in seinen Verwitterungs-
schichten ohne Zusammenhang zur Glaszersetzung ist
2.2. Mikroskopische Untersuchungen zur Morphologie
der Schäden
2.2.1. Zerstörungsstadien bei der Oberflächenkorrosion von
Fensterglas
Für die vorliegende Arbeit wurden zahlreiche mittelalterliche
Fensterglasproben in unterschiedlichem Verwitterungszusstand
mikroskopisch und rasterelektronenmikroskopisch untersucht.
Dabei konnten sehr verschiedene Phänomene oberflächlicher
Glasschäden zu einzelnen Stadien des gleichen Zerstörungspro-
zesses zusammengefaßt und deren morphologische Übergänge
nachgewiesen werden. Danach ergaben sich folgende Einzelsta-
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