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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 11.1895

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4. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.35081#0051
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Marmorblöcke und ihrer

Abbilds- 1.

Abbilds. J

Abbild

Abbildg 9.

Abbildg. 8.

und es müssen die oben angeführten Behandlungsweisen ent-
sprechend abgeändert werden.
Von den noch an Ort und Stelle sich befindenden Säulen
und Gebälken sind die des Posticums (Prostasis) am meisten
beschädigt (Abbildg. 10). Aber alle sich hier vorfindenden Risse
mit Ausnahme der durch die antike Reparatur mittels Verdübelung
an den Kapitellen und einem Epistyl hervorge-
rufenen, sowie alle Setzungen rühren aus der Zeit
der Explosion her, und es sind diese Schäden durch
die Witterungs-Einflüsse im Laufe der Zeit nur
wenig vergrössert worden. Wenn nun auch hier
fast alle Epistylbalken mitten durchgebrochen sind
und dieser Zustand bei oberflächlicher Betrachtung
sehr gefährlich erscheinen mag, so stellt sich doch
bei genauerer Untersuchung heraus, dass wegen der
Spannung, in welcher sie sich unter einander be-
finden, verstärkt durch die Belastung der oberen
gegenseitigen Stützung,
ein Herabfällen ganz un-
möglich ist. Ferner
haben diese Blöcke be-
reits seit 300 Jahren
diese Lage inne, eine
Thatsache, welche ge-
nügend für unsere Aus-
sage spricht.
Damit soll aber keines-
wegs gesagt sein, dass
dieser Theil des Par-
thenon keiner Fürsorge
bedürfte. Gerade hier
ist es sehr nothwendig,
alle im Abrutschen be-
griffenen Brocken und
Splitter entweder zu be-
festigen oder bei zu weit
vorgeschrittener Ver-
witterung einfach zu ent-
fernen, um wenigstens .
von den Besuchern die
Gefahr des Erschlagen-
werdens abzuwenden.
Wenn wir auch hier
rathen, alle Arbeiten
der Hauptsache nach
auf das Kitten zu be-
schränken, so thun wir
es in der Absicht, den
oben beschriebenen Zu-
stand der Verspannung
nicht zu stören, über-
haupt keine Lastenbe-
wegungen vorzunehmen.
Leicht könnten die
Druckrichtungen verän-
dert und manches andere
Unheil angerichtet wer-
den, welches die Erhal-
tungsarbeiten schliess-
lich noch in Wiederher¬

masse von E. Friedr. Meyer, Steinbruchbesitzer in
Freiburg (Baden) ab, welche die Eigenschaft besitzt, sich
der Natur des zu kittenden Gesteins (Granit, Marmor, Sand-
stein usw.) anzuschliessen, sowie auch dem Festigkeitsgrade
der verschiedenen Steinarten gerecht zu werden, was durch
Zumischen von einer kleineren oder grösseren Menge von
zu Pulver gestossenem Stein der Sorte, die man
kitten will, erreicht wird. Ferner lässt sich die
Kittmasse beliebig färben, sodass gekittete Stellen
unkennbar sind. Der grösste Vorzug dieser Masse
besteht aber sicher darin, dass die Kittung auf
kaltem Wege geschieht, was ihrer Verwendung keine
Schranken setzt, und dass dieselbe nach 1—2 Tagen
die chemische Verbindung schon so weit einge-
gangen hat, dass eine Wiedertrennung unmöglich
ist und bei Anwendung von Gewalt auf anderer
Stelle vor sich gehen würde. Fehlende Ecken und
Kanten können ebenfalls mittels der Kittmasse an-
geformt und nach 2—3
Tagen vom Steinmetzen,
als wäre nichts ge¬
schehen, gleich den
übrigen Marmorflächen
bearbeitet werden. Seit
vielen Jahren hat sich
dieser Kitt wegen seiner
Brauchbarkeit überall
bei Fachgenossen einge-
bürgert; in Athen be¬
nutzen ihn Steinmetzen
und Marmorniederlagen-
Besitzer seit d. J. 1891, zu
welcher Zeit ich dieselben
damit bekannt machte.
Was nun die eigent-
lichen Erhaltungs - Ar¬
beiten anbelangt, so wird
sich der aufmerksame
Leser aus dem bisher
Gesagten bereits das
Urtheil gebildet haben;
dass mittels der eben
beschriebenen Kitt ungen
die meisten Schäden am
Parthenon und den
übrigen Bauwerken der
Akropolis zu beseitigen
sind. Das ist nun auch
meine Ueberzeugung und
dieselbe steht um so
fester, als ich mich mit
den Untersuchungen am
Parthenon eingehend be-
schäftigt habe und mir
eine 40 jährige Praxis
bei der Beurtheilung der
hier infrage kommenden
Arbeiten zurseite steht.
Die vorzunehmenden
Arbeiten sind sehr ver¬


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schiedener Natur und -wechseln auch
inbezug auf die sich entgegenstellen-
den Schwierigkeiten zwischen leichten
und sehr komplizirten. Einige Beispiele
mögen hier vorgeführt und wenigstens
im Prinzip besprochen werden, da eine
eingehendere Ausführung äusser dem
Bereiche unserer Erläuterungen liegt.
Ist das abgebrochene Stück noch
vorhanden (Abbildg. 6), so reinigt man
sorgfältig die Bruchfläche, worauf die
Kittung ohne weiteres vorgenommen
werden kann. Ein festes Andrücken bis
zur Erstarrung des Bindemittels wird
durch Absteifen oder Ankeilen erreicht.
Das Auskitten (Abbildg. 7 u. 8) wird da
vorgenommen, wo 2 zu kittende Stücke
nicht von einander entfernt werden
können. Sind die Risse gross genug, so ist die Reinigung der
Bruchflächen leicht vorzunehmen. Unter Umständen können sich
dieser absolut nöthigen Operation (weil davon das Anhaften des
Kittes abhängig ist), grosse Schwierigkeiten entgegenstellen, die
zeitraubende Vorarbeiten erheischen. Der Riss viril hierauf mit
dem Bindemittel sorgsam ausgefüllt, sodass die innige Verbin-
dung der Bruchflächen dadurch mittelbar wieder hergestellt wird.
Ist das Stück von unten zu befestigen (Abbildg. 9), so hat
die Arbeit, gleichviel, ob es sich um ein Ankitten oder Auskitten
handelt, schon wegen der Unhandlichkeit einige Schwierigkeiten,

Stellungsarbeiten umgestalten könnte,
die wirja dringend zu unterlassen rathen.
Wie bereits gesagt, sind die vorzu-
nehmenden Arbeiten sehr verschiedener
Natur, und es ist von Fall zu Fall eine
eingehende Untersuchung und richtige
Beurtheilung vonseiten des ausführen-
den Architekten vorzunchmen, welcher
ja unter Berücksichtigung der oben
ausgesprochenen Gesichtspunkte die
dienlichen Anordnungen treffen wird.
Nur auf festen abgebundenen Ge-
rüsten sind die schwierigeren Arbeiten
herzustellen, weil das Arbeiterpersonal
bei der Vornahme des Kittens, Abstei-
fens usw. einen sicheren Stand braucht.
Dass bei rationeller Ausführung
der hier besprochenen Arbeiten eine
vollständige Sicherung der schadhaften Stellen an den alten
Bauwerken der Akropolis erzielt wird, ist unsere feste Ueber-
zeugung. Noch viele Jahrhunderte hindurch werden sie dann
uns und der ganzen zivilisirten Welt erhalten bleiben und
Zeugniss ablegen von einem Volke, welches schon mehre Male
bestimmt erschien, mit den Früchten seines Geistes und den
Arbeiten seiner Hände die immer wieder in Materialismus ver-
sinkende Kultur aufs Neue in das Reich des Ideals emporzuheben.
Athen, den 5./17. November 1894. E. Ziller.


Wilhelm Greve’s Buchdrucker ei, Berlin SW.
 
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