Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0098
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8

O TROISCHER KREIS

Rechte zum Schlag erhebt; der Zügel ist hier so wenig,
wie in der entsprechenden Darstellung der linken Schmal-
seite Fig. 68 a oder bei den Rossen der Vorder- und
Rückseite plastisch angegeben, obgleich dort die geschlos-
senen linken Hände der Amazonen deutlich auf Zügel- j
haltung hinweisen; da Bohrlöcher nicht vorhanden sind,
darf man auch nicht etwa an besonders angesetzte
Zügel aus Metall denken; vielmehr bleibt es hier, wie bei
manchen anderen antiken Skulpturen, z. B. denen vom
Heroon in Gjölbaschi, vom Mausoleum, von der Traians-
säule u. A., der Phantasie des Beschauers überlassen, sich
dies Beiwerk nach der Handhaltung der Figuren hinzuzu-
denken. Auch das Schwert, das wir in der Rechten des
Kriegers vorauszusetzen haben, war wahrscheinlich gar nicht
dargestellt, da sich weder liier noch bei der Paralleldar-
stellung Fig. 68 a eine Spur davon auf dem Reliefgrund
erhalten hat. Hinter der berittenen Amazone kommt
schnellen, elastischen Laufs eine zweite Amazone heran;
sie hat dieselbe Gewandung wie die Reiterinnen auf der
Vorderseite, mit der Linken hält sie die Pelta vor sich, der
rechte Arm ist erhoben, und von der geschlossenen Hand
sind der Zeige- und Mittelfinger emporgestreckt und leicht
gekrümmt; dass diese charakteristische Handhaltung nicht
etwa der bekannte, die Bitte um Schonung bezeichnende
Gestus ist, mit dem er eine oberflächliche Aehnlichkeit
hat, lehrt die energische Bewegung der Figur. Vielmehr
soll auch hier wieder die Handhaltung zugleich den von
der Hand gehaltenen Gegenstand andeuten; es ist ein
Wurfspeer, durch dessen Schlinge {ayKvkrj) die Amazone
die beiden Finger gesteckt hat1), und den sie, über den
oberen Schildrand hinweg zielend, auf den ihre Gefährtin
bedrängenden Krieger zu schleudern im Begriff ist; vgl.
die speerschleudernden Amazonen auf dem unteren Streifen
der tarentinischen Antigonevase in Ruvo [Monumcnti deW
Instituto X tav. 28). Unter der Reiterin liegt am Boden
eine getödtete Amazone in der auf diesem Sarkophag
typischen Tracht, aber ohne Mantel; der linke Arm ist
über den Kopf erhoben, der rechte ruht schlaff am Boden,
die Beine sind im Todeskampf etwas angezogen.

Auf der linken Schmalseite Fig. 68 a ist die Darstel-
lung der rechten mit unbedeutenden Variationen wieder-
holt; so trägt die laufende Amazone nicht die Pelta,
sondern den ovalen Schild und hat nur einen Finger durch
die Schaftschlinge gesteckt; die Haltung der Reiterin ist
aufrechter, an ihrem Pantherfell fehlt die Kopfhaut; die
todte Amazone wendet das Gesicht ganz dem Beschauer
zu, die Beine sind weniger gekrümmt; bei dem Krieger

*) Vgl. EuRlPIDES Bakchen V. 1205 ayKvkuroig QsaaaKav aro%äaiJ.a.Giv
und von bildlichen Darstellungen z. B. den Speerwerfer auf der Kyknos-
vase des PamphaioS (abgeb. Monumenti deW Instituto XI tav. 24) und den
Gegner des Bootes in der pergamenischen Gigantomachie (abgeb. Over-
beck Geschichte der griechischen Plastik, 3. Aufl., II S. 244 K. L).

wird die lang herabfallende Chlamys zu beiden Seiten des
Körpers sichtbar.

Die Rückseite Fig. 68 c zeigt dieselbe Darstellung wie
die Vorderseite, aber in schwächerer, sicherlich von anderer
Hand herrührender Ausführung — man vergleiche nament-
lich den Krieger an der linken Ecke — und mit gering-
fügigen Modifikationen, namentlich in der Gewandung.
So trägt in der linken Seitengruppe der Krieger einen
Panzer, zwischen seinen Füssen fehlt die Pelta; die linke
Hand der Reiterin verschwindet hinter dem Hals ihres
Pferdes; das Haupt der getödteten Amazone liegt nicht
auf, sondern neben dem ausgestreckten rechten Arm. In
der Mittelgruppe trägt der gewappnete Krieger statt der
Chlamys die Exomis; das Gesicht des Hingesunkenen ist
dem Beschauer voll zugekehrt. In der rechten Seitengruppe
ist der Amazonenhelm an der Ecke weggeblieben.

Da von den Kriegern keiner als Herakles oder als einer
der troischen Helden charakterisirt ist, so können die Kämpfe
dieser Heroen mit den Amazonen nicht gemeint sein.
Eher wird man an die attische Amazonomachie denken
dürfen, wenn anders überhaupt ein bestimmter Amazonen-
kampf gemeint und nicht vielmehr diese seit dem fünften
Jahrhundert zum künstlerischen Gemeingut gewordenen
Darstellungen auch hier ohne jede feste mythologische
Beziehung rein dekorativ verwandt sind. Ueberhaupt ist
auf die dekorative Wirkung der Hauptnachdruck gelegt,
sowohl in dem regelmässigen, fast ornamentalen Aufbau
der einzelnen Gruppen wie in ihrer Verbindung unter ein-
ander, vor Allem auch in der Wiederholung derselben
Darstellung sowohl auf den beiden Lang- als den beiden
Schmalseiten, wie an der gleichen Stelle stets dasselbe
Ornament wiederzukehren pflegt. Es beruht daher gewiss
auch nicht auf Mangel an künstlerischer Phantasie, sondern
eben auf diesem Streben nach dekorativer Gleichmässigkeit,
wenn dieselbe Stellung nicht weniger als dreimal, oder
da jede Figur doppelt vorkommt, eigentlich sechsmal wie-
derholt ist, und zwar immer bei den an der Ecke stehen-
den, also die Darstellung abschliessenden Kriegern, und
ebenso wird man die dreimalige Wiederholung des galop-
pirenden Rosses zu beurtheilen haben. Dass die Motive
nicht überall neu sind, soll nicht in Abrede gestellt werden,
und ist bei der rechten Seitengruppe der Langseite schon
oben bemerkt worden. Aber sie sind sämmtlich mit Rück-
sicht auf ihre mehr dekorative Verwendung selbständig
durchgebildet, so dass sie in dieser Gestalt und vor allem
in ihrer ein abgeschlossenes bildliches Ganze darstellenden
Verbindung durchaus als künstlerisches Eigenthum des
Verfertigers dieses Sarkophags gelten dürfen.

Bei der sehr umstrittenen Datirung '^des Sarkophags
ist vor Allem zu beachten, dass zwischen ihm und den
 
Annotationen