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Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0171
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ODYSSEUS Tafel LH

'53

ihr steht eine Dienerin, gleichfalls mit Aermelchiton und [
Mantel bekleidet, die Wange trauernd in die erhobene
rechte Hand schmiegend (Fig. 140'. Fig. 140"; fälschlich
den Arm vor die Brust legend Fig. 140'"); vgl. die Die-
nerinnen oder Schwägerinnen der Andromache 47 c. 59.
61. 63b.

In der Mittelscene ist der Eingang zur Unter-
welt durch den Sirenenfelsen angedeutet, der in dem
Augenblick dargestellt ist, wo das Schiff des Ulixes
vorüberfährt. Ulixes im Pileus und der Exofnis (Gesicht
zerstört Fig. 140', in der Zeichnung ergänzt Fig. 140";
fälschlich mit Helm, Panzer und Stiefeln Fig. 140'"'') ist
mit den Armen an den Mast gebunden. Ein hinter ihm
stehender, gleichfalls mit der Exomis bekleideter Genosse
Jst im Begriff die Stricke noch fester anzuziehen. Der
Steuermann, ebenfalls in Exomis (Fig. 140'. Fig. 140";
Hl Panzer und Helm Fig. I40///) fasst mit der Linken das
Steuerruder (Fig. 140'; missverstanden Fig. 140"; ganz
übersehen Fig. 140"'), während er mit erhobener Rechten
das Hintertau des Hauptsegels hält, dessen Vordertau ein
links neben Ulixes knieender, nackter Matrose mit grosser
Kraftanstrengung anzuziehen sucht. Gleichzeitig ist am
Vordertheil ein weiterer Matrose beschäftigt, das Segel des
Vormastes aufzuspannen. Zwischen Ulixes und dem Steuer-
mann werden die Köpfe und Schilde von zwei Kriegern sicht-
bar, die verwundert zu ihrem Gebieter aufblicken (Fig. 140';
nur ein Kopf Fig. 140"; zwei behelmte Köpfe Fig. I40'")«
Offenbar ist der Moment gemeint, wo Ulixes, von dem
Gesang der Sirenen bethört, seinen Gefährten, deren
Ohren mit Wachs verstopft sind, durch Zeichen den
Befehl gegeben hat, ihn loszubinden, diese aber, der ihnen
früher gegebenen Anweisung gemäss, ihn nur noch fester
binden und den Lauf des Schiffes beschleunigen, Odyss.
M 192—iotf

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An Stelle des schnelleren Ruderns ist in der bild-
lichen Darstellung das Ausspannen der Segel getreten.
Von den drei auf dem Felsen stehenden nackten Sirenen
spielt die erste die Doppelflöte, die zweite legt die er-
hobene Rechte sinnend an den Mund (fälschlich eine
^löte blasend Fig. 140'"), vielleicht ist sie singend zu
denken, die dritte hält in der Linken die Phorminx, in
der Rechten das Plectrum; alle drei sind Umbildungen be-
kannter Typen von Musen, als deren Carrikaturen die
Irenen aufgefasst werden. Servius zu Vergil Aeneis V
^64: harum una voce, altera tibiis, alia lyra canebat.

Der rechts am Fuss des Sirenenfelsens sitzende Cer-
erus (übersehen Fig. 140'") leitet zu der das Innere der

Unterwelt darstellenden rechten Seitenscene über. Zu-
nächst erscheint hier, lebhaft nach rechts schreitend, Her-
cules (Kopf fehlt Fig. 140'; in der Zeichnung ergänzt
Fig. 140". Fig. i40///)) mit dem Löwenfell über dem linken
Unterarm und der Keule in der Linken. Während er
Fig. 140". Fig. i40/// die rechte Hand auf den Sirenenfelsen
legt, lässt die offenbar genauere Zeichnung des Pighianus
Fig. 140' aus der Handhaltung erkennen, dass er an einer
Kette den Cerberus, nach dem er wohl auch den Kopf
zurückwandte, fortzuführen im Begriffe war. Vor Hercules,
der sich nach attischer Sage vor seinem Gang zur Unter-
welt in die Mysterien hatte einweihen lassen (Euripides
Herakles V. 613; [Platon] Axiochos p. 371 E), schreiten als
Repräsentanten der seligen Eingeweihten zwei Gestalten aus
dem bacchischen Thiasus einher, ein jugendlicher, die
Doppelflöte blasender Satyr mit flatternder Nebris und
eine mit erhobenen Händen das Tympanum schlagende
Mänade in Chiton mit Ueberschlag und in wehendem
Mantel, die den Kopf nach dem Satyr und Hercules zu-
rückwendet. Vor der Mänade kniet als Vertreterin der
Büssenden eine Dan aide; sie trägt einen Chiton mit
Ueberschlag und ein kurzes Mäntelchen; das wellige Haar
ist im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden. Mit
beiden Händen hält sie eine Urne am oberen Rande vor
sich hin, in etwas schiefer Haltung, wie um einen von
oben herabströmenden Wasserstrahl in ihr aufzufangen,
wozu auch die Haltung des Kopfes und die Richtung des
Blickes passen. Rechts von ihr stehen in ruhiger Haltung
zwei Quellnymphen, beide im Chiton mit gegürtetem
Ueberschlag; mit der erhobenen Linken halten sie eine
auf ihrer Schulter nach unten gekehrt ruhende Urne, aus
der Wasser hervorquillt; mit der gesenkten Rechten fasst
die eine rechts stehende ihr Gewand, die andere hält einen
Fig. I40/// ganz übersehenen, Fig. 140 und Fig. 140"
offenbar nicht recht verstandenen ovalen Gegenstand, in
dem man nach der Art, wie ihn die Nymphe von sich
ab gerade über das Gefäss der Danaide hält, am wahr-
scheinlichsten ein Quellhorn erkennen wird, aus dem sich
der Wasserstrahl ergiesst. Die Danaide ist also im Begriff
ihr Gefäss an den Quellen der Unterwelt aufs Neue zu
füllen. Alle drei Mädchen — also auch die beiden Quell-
nymphen — für Danaiden zu halten geht nicht an, da
dann das Fass nicht fehlen, und die Danaiden, nach Weise
der antiken Frauen wie auf den übrigen Darstellungen, die
gefüllten Krüge auf dem Kopf, nicht aber, wie hier, auf
der Schulter tragen würden, vollends nicht in einer Hal-
tung, bei der sich das Wasser schon auf dem Wege in
vollen Strömen ergiessen muss.

Auf der Zeichnung des Berolinensis Fig. 140" er-
scheinen an den Ecken senkrecht herabhängende Guirlan-
den, von denen wenigstens die an der rechten Ecke von
der erhobenen Hand der Karyatide auszugehen scheint.

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