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Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0177
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ODYSSEUS Tafel LIII

lS9

knotetes Thierfell trägt, liegt von Trunkenheit und Schlaf
überwältigt auf einem hoch emporragenden Felsen, in
einer wohl nicht nur zufällig an den Barberinischen
Faun erinnernden Stellung. Doch ist der rechte Arm
nicht über das Haupt erhoben, sondern quer über den
Leib gelegt und der linke hängt schlaff von dem Felsen
herab; das der linken Hand entfallene Trinkgefäss, wie es
scheint ein Kantharos, liegt unten am Boden. Daneben ist
ein Widder gelagert (Fig. 147), der durch die verkehrte
Ergänzung des Kopfes jetzt das Aussehen eines Hundes
bekommen hat (Fig. 147'). Hinter Polyphem steht auf
einem Vorsprung des Felsens, über alle hinwegragend,
Odysseus im Pileus, tiefgegürteten Chiton und auf der
rechten Schulter gehefteten Mantel, die Blicke auf den
Schlafenden gerichtet, unter dessen Kopf er seine linke
Hand geschoben hat, „um diesen festzuhalten und den
Stoss sicherer zu machen" (Förster). Der rechte Arm, an
dem nur der obere Theil antik ist, erscheint in der Er-
gänzung gesenkt an der Seite herabhängend mit einem
undeutlichen, runden Gegenstand in der Hand. Doch
lassen die Abbildungen bei Amico und Houel Fig. 147
erkennen, dass er weiter vom Körper abgestreckt war;
wahrscheinlich hielt er das obere Ende des Pfahls unmittel-
bar unter der glühenden Spitze und war eben im Begriff
den Kyklopen zu blenden. Zu den Füssen des Kyklopen
stehen zwei Gefährten des Odysseus, beide nackt. Der
eine, der mit dem rechten Fuss auf den Abhang des Fel-
sens tritt, wendet dem Beschauer den Rücken, auf dem der
Schwertgurt sichtbar ist. Mit beiden Armen stützt er unter
grossem Kraftaufwand das Mittelstück des Pfahls, von
welchem Houel's Zeichnung Fig. 147 sowohl den von
dem linken Ellenbogen an die Hüfte gepressten, als den auf
dem rechten Unterarm liegenden Theil noch wohl erhalten
Zeigt, während der Ergänzer den einen fortgenommen,
den anderen in einen unklaren Gegenstand, den Förster
rür ein Felsstück erklärte, umgebildet hat. Der zweite
Gefährte, dem der Ergänzer gewiss unrichtig einen bärti-
gen Kopf gegeben hat, steht in Vorderansicht da, mit dem
linken Unterschenkel sich gegen den Fuss des Felsens
stemmend. Von dem rechten Arm ist nur ein kleines
Stück, etwa bis zum Deltoides, antik, s. Fig. 147. Die Ergän-
zung Fig. 147'ist entschieden unrichtig; das Anstemmendes
linken Beins und die namentlich Fig. 147 deutliche Beu-
gung des Oberkörpers nach links lassen vielmehr die Ver-
rftuthung gerechtfertigt erscheinen, dass die Figur mit der
rechten Hand das untere Ende des Pfahles hielt. Rechts
neben dem Kyklopen erscheint eine kleiner gebildete,
deutlich als Knabe characterisirte Figur in tief gegürtetem
Aermelchiton, also in der Tracht eines römischen Camillus.
^er Knabe scheint sich ängstlich nach rechts entfernen zu
wollen. Der Kopf, die rechte Hand und der linke Unter-
em sind verloren und von dem Ergänzer wieder sehr

ungeschickt ersetzt. Mit der rechten Hand lässt er ihn,
wie Odysseus, den Kopf des Kyklopen stützen, ein Motiv,
das sich mit der Bewegung zur Flucht nicht in Einklang
bringen lässt, und in die Linke hat er ihm einen kleinen
verstümmelten Gegenstand gegeben, nach Förster einen
Stein oder den Griff einer Waffe. Wahrscheinlich war
die Rechte mit der Geberde der Angst erhoben, worauf
auch die Abbildungen bei Amico und Houel Fig. 147
schliessen lassen, und die Linke hielt die Weinkanne, aus
der er dem Kyklopen eingeschenkt hatte.

148) F.F. Neapel, Museo Nazionale (6580. 6581).
Fig. 148. Fig. 148 a. 148 L. 0,57. H. 1,04; 148 a L. 0,40.
H. 0,54. Zeichnung von Eichler 1875.

Vor 1796 im Museum zu Portici, da 148 in dem luven -
tario generale von 1796 {Nuovo Museo e Fabbr. della Porcellana di
Napoli con altri monumenti di diverse localitä in den Documenti
inediti per servire alla storia dei Musei d'Italia I 1878) p. 245
nr. 170 unter der Rubrik Statue Ercolanesi di marmo, e di altri
siti, pervenutc in Portici aufgeführt wird. 148a ist vielleicht eins
der ebenda p. nr. 180 registrirten drei Fragmente: Numero

tre frammenti di bassirilievi, con piecola porzione di figure —■ sono di
medioere scultura, ma incapaci di ristauro; die beiden anderen unter
dieser Nummer cinbegriffenen Stücke sind vermuthlich die unten
im Text abgebildeten vielleicht von demselben Sarkophag herrüh-
renden Fragmente 148b. 148c (658z, 6583). Herculaneum ist als
Fundort natürlich ausgeschlossen; die Fragmente stammen aus
einem der altri siti. In Neapel vermuthlich seit Gründung des
Museums, jedesfalls seit 1796.

Abbildungen: Arditi Ulisse che giunto nella Sicilia si studia
d' imbriacar Polifemo giusta il raeconto cb' egli stesso un di ne faceva
nella reggia di Alcinoo 1817. Danach Inghirami Galleria omerica
III 1836 tav. 36. tav. 40.

Litteratur: Inventar aus dem Jahre 1796 in den Documenti
inediti a. a. O.; Inventar von Haus aus dem Jahre 1805 Nuovo
Museo dei vecebi studi in Napoli in den Documenti inediti IV 1880
148 p. 198 nr. 28. 148a vielleicht p. 210 nr. 180: Frammento
di bassorilievo di un uomo nudo. Medioere; Arditi a. a. O.; de
Luynes Annali dell' Instituto I 1829 /». 283 ;/. 18; K. O. Müller
Handbuch der Archäologie der Kunst 1830 S. 577 (3. Aufl. von
Welcker 1847 S. 716) § 416, 1; Inghirami a. a. O. p. 142.
p. 147; Overbeck Bildwerke zum thebischen und troischen Helden-
kreis 1857 S. 769 Nr. 25. S. 770 Nr. 26.

Die Fragmente stammen von einem grossen ovalen
Sarkophag, der auf der Vorderseite eine ausgedehnte Haupt-
scene, die Blendung des Polyphem, und ausserdem an
der rechten Ecke eine kleine Nebenscene, seine Ueber-
listung durch Ulixes, enthalten zu haben scheint, vgl.
das ähnliche Compositionsschema bei den Marsyas-Sarko-
phagen (z. B. Gerhard Antike Bildwerke Taf. 85 Nr. i;
Clarac Musee de sculpture II pl. 123, 52 nr. 731, s. Band III
dieses Werks).

Das erste Fragment Fig. 148, das, wie die Umbiegung
der oberen stark vorspringenden Randleiste beweist, an
 
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