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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Eine Wanderung durch die Landschaft Ortenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0299
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und Ansehen, nachdem man begonnen hatte, es nicht mehr unter freiem
Himmel und im Angesichte einer herbeigeströmten Volksmenge, sondern in
engen unh finstern Rathsstuben abzuhalten ("). Gleichwohl indessen
— wie sehr auch das Gericht in der spätern Zeit nur ein Schatten
gegen seinen frühern Bestand war, immer noch blieb es ein ehrwür-
diges Trümmerstück des in Deutschland uraltherkömmlich gewesenen
völlig öffentlichen und mündlichen Gerichtswesens, und unglaublich
ist cs, wie unser Volk bei dem Anblick solcher redenden Ueberbleibsel
des alten Geschworenengerichtes so gänzlich vergessen konnte, dieses
herrliche Nationalgut einmal besessen zu haben, daß ihm seine Wider-
sacher dessen Wiedereinführung jetzt als eine Nachahmung ausländischer
Einrichtungen zu verdächtigen vermögen!
Es liegen die Protokolle des kletgauischen Landgerichtes vor
mir; sie reichen bis in das sechzehnte Jahrhundert hinauf, und der
jüngste Band derselben' schließt mit dem Jahre achtzehnhundert und
neun. Ich schlage ihn auf und lese auf der ersten Blattseite: „Land-
gericht, gehalten anstatt bei dem Langenstein anjezo in Thiengen
aus dem Rathhaus, Dienstags den sechzehnten November tausend sieben-
hundert neunundsiebzig, in pl-asstmtia Herrn Oberamtmannö von
Koler, Kammerraths Schmid et mei ^etuantis Kanzleiaecessisten
Stoll. Wurde anvorderist das Landgericht mit dem Landrichter, den
Insassen und Urthelsprechern besetzt. Nachdem der neue Nrthelsprecher
Simon Stoll von Erzingen, nach Anleitung des Titels zwölf im
ersten Theile der Landgerichtsordnung, in die Eidespflicht genommen
worden, welche er auch wirklichen geleistet und abgeschworen; so wurde
mittelst gewöhnlicher Proposition und Uebergab des Gerichtsstabes das
frei-kaiserliche Landgericht auf offener Landstraße ausgerufen und bei
siebenundzwanzig Pfund verbannet GJ. Hierauf ist man «ck politiea
fürgeschritten, insbesondere wurden regulirt der Wein- und Frucht-
schlag, wie auch der Auschlag für die Mahlzeiten im Wirthshaus
bei Hochzeiten und Kindstanfen. Alsdann kaeta pulllieatiouL auf
öffentlicher Landstraß, sucliedantul- -die obrigkeitlichen, und nach

(16) Schm: im Jahr 1510 wurde es „zu Kayserstueh l iu der Rathsstubeu" ab-
gehalten. Zu Lottstetten und Oberlauchringen sind im Wirthshause
die Stuben, wo man das Gericht hielt, noch mit Glasgemälden geziert,
welche dasselbe darstellcn.
(17) D. h. wer ohne geordneten Fürsprech sich in die Verhandlung mischte, wurde
um 27 Pfund gebüßt.
 
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