Buchbesprechung
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Buchbesprechung
Das Pfahlbauproblem, mit Beiträgen von W. U. Guyan, H. Levi, W. Lüdi, J. Speck,
H. Tauber, J. Troels-Smith, E. Vogt, M. Welten. Herausgegeben zum Jubiläum des 100jährigen
Bestehens der schweizerischen Pfahlbauforschung, Redaktion W. U. Guyan. Monographien zur
Ur- und Frühgeschichte der Schweiz, Band 11, Birkhäuser Verlag, Basel 1955. 334 Seiten, zahl-
reiche Abbildungen im Text, Tafeln, Tabellen, Pläne.
Es war ein guter Gedanke, zum hundertjährigen Jubiläum der Entdeckung der „Pfahlbauten“
ein Buch herauszugeben, in dem das stark umstrittene Pfahlbauproblem von allen Seiten be-
leuchtet werden sollte. Leider ist diese Absicht (Einleitung, S. 7) nicht voll erreicht worden, so
daß der vorliegende Band nur Arbeiten enthält, die Argumente gegen die Existenz vorgeschicht-
licher Pfahlbauten bringen, allerdings Argumente von solchem Gewicht, daß man ihnen, wenig-
stens nach dem gegenwärtig vorliegenden Material, gerne folgt.
In einem Beitrag (Pollenanalytische Untersuchungen zu einigen schweizerischen Pfahlbauproble-
men, S. 9—58) legt J. Troels-Smith die Ergebnisse seiner Arbeiten in Egolzwil 3, Weiher bei
Thayngen und Burgmoos vor. Große methodische Sorgfalt zeigt darin seine kritische Darstellung
der angewandten Verfahren (S. 15—19). Für den Prähistoriker interessant ist besonders der recht
geglückte Nachweis einer ganz speziellen Wirtschaftsform, die hier mit den ersten Neolithikern
auftritt: Daueräcker (Begünstigung gewisser Unkräuter, Häufung von Getreidepollen), gleich-
zeitig Viehhaltung (Schaf und Ziege) in Pferch oder Stall, Fütterung mit Ulmen- oder Linden-
laub, anscheinend ohne Sommerweide. Die Buche wird — künstlich — verdrängt (durch Rinden-
schälung?), um Platz für die Futterlaubbäume zu schaffen. Wenn diese sehr einleuchtende Deu-
tung sich durch weitere Anhaltspunkte stützen läßt, wäre das Ergebnis eine Wirtschaftsform, die
von der der brandrodenden und die Aschedüngung und -wärmung nützenden ersten Bauern des
Nordens grundverschieden ist. Wir müssen bedauern, daß für das dazwischenliegende Neolithi-
kum (Bandkeramik usw.) bisher Möglichkeiten, die Wirtschaftsform ähnlich klar zu erkennen,
nicht geboten sind. Gerade bei den frühesten Bauern wird aber die Kenntnis der speziellen Wirt-
schaftsstruktur wichtig, um entscheiden zu können, ob sie in der Form fertig entwickelt mit-
gebracht wurde, ob sie eine Anpassung an besondere Gegebenheiten darstellt oder ob sie durch
Austausch von Elementen verschiedenster Erfahrungsbereiche entstanden sein könnte. Jedenfalls
erhält man z. Z. den Eindruck, als ob die Cortaillod-Kultur und die „Pfahlbau“-Fazies der Mi-
chelsberger Kultur eine besondere, von anderen Bauernkulturen des Neolithikums abweichende
Wirtschaftsform gehabt hätten. — Neben diesem Ergebnis scheint der Nachweis einer Sumpf-
pflanzenschicht unmittelbar unter der Siedlungsschicht von Egolzwil 3 von geringerer Bedeutung,
wenn er auch ein Argument mehr gibt, das gegen die Notwendigkeit, wenn auch nicht gegen das
Vorhandensein, von Pfahlbauten an dieser Stelle spricht.
Wie sehr die Beurteilung pollenanalytischer Beobachtungen jedoch noch subjektiver Deutung
unterliegt, zeigt in Gegenüberstellung zur eben besprochenen die folgende Arbeit (M. Welten,
Pollenanalytische Untersuchungen über die neolithischen Siedlungsverhältnisse am Burgäschisee,
S. 59—88), in der mit mindestens ebenso großer Exaktheit (Anhang, S. 80 ff.) die neuesten Profile
des Fundortes untersucht werden. Während Troels-Smith den Buchenrückgang als nicht klima-
tisch bedingt ansieht und als Beweis dafür das Steigen der Weißtannenkurve heranzieht, kommt
M. Welten zu dem Schluß, daß ein verändertes Klima das Aufkommen der Tanne innerhalb des
Buchen-Tannen-Mischwaldes gefördert habe. Da er zugleich die Quantität der Flugkohle anders
bewertet als Troels-Smith, folgert er, daß Brandrodung im großen Stil angewandt worden sein
müsse. Er belegt das noch mit dem Birkengipfel, da Birke besonders auf brandgerodeten Flächen
gut aufkomme, während Troels-Smiths Behauptung, daß sie sich zwischen abgestorbenen Buchen
rasch verjünge, abgelehnt wird. Für uns ist besonders die gegensätzliche Deutung aufgrund ver-
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Buchbesprechung
Das Pfahlbauproblem, mit Beiträgen von W. U. Guyan, H. Levi, W. Lüdi, J. Speck,
H. Tauber, J. Troels-Smith, E. Vogt, M. Welten. Herausgegeben zum Jubiläum des 100jährigen
Bestehens der schweizerischen Pfahlbauforschung, Redaktion W. U. Guyan. Monographien zur
Ur- und Frühgeschichte der Schweiz, Band 11, Birkhäuser Verlag, Basel 1955. 334 Seiten, zahl-
reiche Abbildungen im Text, Tafeln, Tabellen, Pläne.
Es war ein guter Gedanke, zum hundertjährigen Jubiläum der Entdeckung der „Pfahlbauten“
ein Buch herauszugeben, in dem das stark umstrittene Pfahlbauproblem von allen Seiten be-
leuchtet werden sollte. Leider ist diese Absicht (Einleitung, S. 7) nicht voll erreicht worden, so
daß der vorliegende Band nur Arbeiten enthält, die Argumente gegen die Existenz vorgeschicht-
licher Pfahlbauten bringen, allerdings Argumente von solchem Gewicht, daß man ihnen, wenig-
stens nach dem gegenwärtig vorliegenden Material, gerne folgt.
In einem Beitrag (Pollenanalytische Untersuchungen zu einigen schweizerischen Pfahlbauproble-
men, S. 9—58) legt J. Troels-Smith die Ergebnisse seiner Arbeiten in Egolzwil 3, Weiher bei
Thayngen und Burgmoos vor. Große methodische Sorgfalt zeigt darin seine kritische Darstellung
der angewandten Verfahren (S. 15—19). Für den Prähistoriker interessant ist besonders der recht
geglückte Nachweis einer ganz speziellen Wirtschaftsform, die hier mit den ersten Neolithikern
auftritt: Daueräcker (Begünstigung gewisser Unkräuter, Häufung von Getreidepollen), gleich-
zeitig Viehhaltung (Schaf und Ziege) in Pferch oder Stall, Fütterung mit Ulmen- oder Linden-
laub, anscheinend ohne Sommerweide. Die Buche wird — künstlich — verdrängt (durch Rinden-
schälung?), um Platz für die Futterlaubbäume zu schaffen. Wenn diese sehr einleuchtende Deu-
tung sich durch weitere Anhaltspunkte stützen läßt, wäre das Ergebnis eine Wirtschaftsform, die
von der der brandrodenden und die Aschedüngung und -wärmung nützenden ersten Bauern des
Nordens grundverschieden ist. Wir müssen bedauern, daß für das dazwischenliegende Neolithi-
kum (Bandkeramik usw.) bisher Möglichkeiten, die Wirtschaftsform ähnlich klar zu erkennen,
nicht geboten sind. Gerade bei den frühesten Bauern wird aber die Kenntnis der speziellen Wirt-
schaftsstruktur wichtig, um entscheiden zu können, ob sie in der Form fertig entwickelt mit-
gebracht wurde, ob sie eine Anpassung an besondere Gegebenheiten darstellt oder ob sie durch
Austausch von Elementen verschiedenster Erfahrungsbereiche entstanden sein könnte. Jedenfalls
erhält man z. Z. den Eindruck, als ob die Cortaillod-Kultur und die „Pfahlbau“-Fazies der Mi-
chelsberger Kultur eine besondere, von anderen Bauernkulturen des Neolithikums abweichende
Wirtschaftsform gehabt hätten. — Neben diesem Ergebnis scheint der Nachweis einer Sumpf-
pflanzenschicht unmittelbar unter der Siedlungsschicht von Egolzwil 3 von geringerer Bedeutung,
wenn er auch ein Argument mehr gibt, das gegen die Notwendigkeit, wenn auch nicht gegen das
Vorhandensein, von Pfahlbauten an dieser Stelle spricht.
Wie sehr die Beurteilung pollenanalytischer Beobachtungen jedoch noch subjektiver Deutung
unterliegt, zeigt in Gegenüberstellung zur eben besprochenen die folgende Arbeit (M. Welten,
Pollenanalytische Untersuchungen über die neolithischen Siedlungsverhältnisse am Burgäschisee,
S. 59—88), in der mit mindestens ebenso großer Exaktheit (Anhang, S. 80 ff.) die neuesten Profile
des Fundortes untersucht werden. Während Troels-Smith den Buchenrückgang als nicht klima-
tisch bedingt ansieht und als Beweis dafür das Steigen der Weißtannenkurve heranzieht, kommt
M. Welten zu dem Schluß, daß ein verändertes Klima das Aufkommen der Tanne innerhalb des
Buchen-Tannen-Mischwaldes gefördert habe. Da er zugleich die Quantität der Flugkohle anders
bewertet als Troels-Smith, folgert er, daß Brandrodung im großen Stil angewandt worden sein
müsse. Er belegt das noch mit dem Birkengipfel, da Birke besonders auf brandgerodeten Flächen
gut aufkomme, während Troels-Smiths Behauptung, daß sie sich zwischen abgestorbenen Buchen
rasch verjünge, abgelehnt wird. Für uns ist besonders die gegensätzliche Deutung aufgrund ver-