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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 75 - No. 83 (2. Oktober - 30. Oktober)
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Aür: Deutschtum,

Preis viertetjährltch
durch den Briefträger frei in's Haus gebracht Mk. 1.25,
durch unfern Boten Mk. 1.—,
Am Postschalter od. unserer Expedition abgeholt 80 Pfg.
Post-Aeilungs-Preististe Wr. 755.

Mrrou und

Der „Wadische IBkLsSole erscheint 2mal wöchentlich
(Dienstags und Freitags).
Merkag ««d Leitung: Heidelberg, Hirschstraße 13.
Telegramm-Adresse: M-tKsö-te Keidetverg.
Anzeigenpreis: Die Sgespaltene Garmondzeile 10 Pfg.

KlM dkl Kckrm-?lirtei in Wcn nnS Stt ZnSisijkn Zmlcknidk.

M 78.

Heidelberg, den 12. Oktober 1895.

6. Iahrg.

Das Unternehmertum in seinem
Kampfe nm s Dasein.
Der Lohn des Arbeiters ist in jeder Weise ge-
sichert, er geht überall voran und fast ausnahmslos ist
es bei den Unternehmern (Arbeitsgebern) Ehrensache,
den Lohn rechtzeitig zu zahlen. Mit was für Schwie-
rigkeiten das oft verbunden ist, davon haben die meisten
Arbeiter keine Ahnung. Das Geschäftsleben ist ihnen
völlig fremd und so urteilen sie nur nach dem, was sie
von ihren Führern hören. Daher wird vom Arbeiter
der Wert eines sicheren Verdienstes nicht genügend ge-
schätzt. Der Unternehmer erhält oft sein Geld erst nach
Jahr und Tag mit großem Zinsverluste von seinen
Auftraggebern zurückerstattet, denn das Borgsystem bil-
det einen der Hauptschäden unsers Erwerbslebens. Der
Unternehmer hat Verbindlichkeiten zu erfüllen, Kon-
trakte zu halten, Kautionen zu stellen, er muß Prozesse
führen und ost genug bedeutende Abschreibungen machen
für uneinbringliche Forderungen. Der Geschäftsgewinn
wird auf diese Weise stark geschmälert, die Konkurrenz
und das Submissionswesen sorgen ohnehin dafür, daß
er nicht zu groß ist. Man kann ruhig behaupten, daß
der größere Teil der Unternehmer jetzt, wo alles dar-
niederliegt, so gut wie umsonst und in der Hauptsache
um den Arbeitslohn arbeitet, den er seinen Arbeitern
ansbezahlt. Es giebt natürlich einzelne Geschäfte, die
mit Gewinn, sehr vereinzelte sogar, die mit bedeuten-
dem Nutzen arbeiten, das sind die Hoffnungssterne,
welche die Unternehmer aufrecht erhalten und zu ihrer
im Ganzen jetzt recht undankbaren Thätigkeit verleiten;
so setzen viele und verlieren immer wieder den Einsatz,
ohne klug zu werden. Geordnete, ruhige Erwerbsver-
hältniffe giebt es auf keinem Gebiete mehr, dagegen Licht
und Schatten überall und die Arbeiter sollten mit
weniger Neid und Mißgunst aus die Unternehmer sehen,
deren Thätigkeit sie ihre eigene Beschäftigung erst ver-
danken. Fassen wir das Risiko der Unternehmer näher
in's Auge, so sehen wir, daß ein Unternehmer, der
eine Fabrik, eine Werkstatt oder ein Geschäft, welcher
Art es auch sei, errichtet, von vornherein mit dem Ver-
luste des zu diesem Zwecke ausgewendeten Kapitals
rechnen muß, denn in dem Augenblicke, wo das Ge-
schäft nicht mehr geht, sind alle Maschinen und Ein-
richtungen entwertet. Bisweilen gehört dazu nur der
Tod des Unternehmers, auf dessen beiden Augen der
ganze Betrieb stand! In zahlreichen Fällen liegt sogar
ein wahrhaft enormes Risiko vor. Eine Fabrik außer
Betrieb ist völlig wertlos, und selbst ganz neue Ma-
schinen sind heute auf die Hälfte entwertet, sobald sie
nur die Werkstatt des Lieferanten verlassen haben und
vom Käufer übernommen sind. Gebrauchte Maschinen
und Werkzeuge aber haben überhaupt nur den Wert
alten Materials; die Industrie-Kirchhöfe der großen
Händler, welche die nicht lebensfähigen Fabriken aus-
schlachten, wissen davon zu erzähle:.. Wenn die Unter-
nehmer den reinen reellen Besitz rechneten, dann würde
mancher als reich geltende Mann ein Bettler sein. Es
ist nur der Gebrauchswert in Rücksicht auf den augen-
blicklichen Geschäftsgewinn, der den Mehrwert begrün-
det. Hören die günstigsten Geschäftsverhältniffe auf, so
ist ost ein großes im Unternehmen festgelegtes Vermögen
mit eineni Augenblicke verloren. Daß derartige Fälle
sehr häufig eintreten, beweisen die zahlreichen Konkurse.
Das Risiko der Unternehmer ist anderseits eine Not-
wendigkeit, wenn wir nicht in wirtschaftlichen Stillstand
und Rückgang gelangen sollen. Die Gefahr, das Eigen-
tum zu verlieren, treibt dazu, alle Kräfte anzuspannen,
es zu erhalten, dafür werden die größten Anstreng-
ungen gemacht und müssen gemacht werden, weil neue
Fabrikationsverbesserungen, neue Absatzwege, die billi-
gere Massenfabrikation, vorteilhafteres Aussehen, die
iNode und die Konkurrenz den Unternehmer nie zur
Rnhe kommen lassen. Man denke nur an die zahllosen
Patente und technischen Fortschritte, die das zu Ende
gehende Jahrhundert erzeugte. Das ist ein unablässiges
Jagen und Hasten geworden, welches die Kräfte im
höchsten Grade in Anspruch nimmt und aufreibt. Eine
rasende, vor keinem Mittel zurückschreckende Reklame,
din rücksichtsloses Angebot, selbst mit Lift und Betrug,
sind die unverkennbaren Merkmale der aus das äußerste

angespannten Konkurrenz und das ist doch wahrlich
nicht als eine Annehmlichkeit zu bezeichnen, die den Stand
der Unternehmer besonders begehrenswert erscheinen
ließe. Diese Wahrheiten hören aber die Arbeiter nur-
selten, ihre Führer würden auch damit den Einfluß
einbüßen, den sie auf die wahnbefangene Menge aus-
üben, wenn die Arbeiter erst in unparteiischer Weise
über ihr Verhältniß zu den Unternehmern urteilen
lernen. —

Tagesfragen.
— Ks ist dafür gesorgt, daß diese Memme nicht in
den Kimmel wachsen. Jüngst wurde berichtet — und die
Nachricht ist nicht widerrufen worden —, daß die Kaiseriu
Friedrich und der Prinz von Wales beim Frankfurter
Rothschild oder Baron von Rothschild gegessen und dann
in dessen Garten zur Erinnerung an das Ereignis; höchst-
eigenhändig je einen Baurn gepflanzt haben. Ein Ereigniß
ist die Sache in der That, ein bezeichnendes, wenn auch
keiu erfreuliches, ein so bezeichnendes, daß wir uns ver-
sagen wollen, ein Wort dazu zu fügen. Wir unterlassen
dies auch aus dem einleuchtenden Grunde, weil wir uns
versucht fühlen würden, Worte zu gebrauchen, die uns
leicht eine Anklage einbringen könnten. Ergänze sich daher
diese Worte ein Jeder nach seinem Belieben. Es gilt in
unserer Zeit, die Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen und
zwischen den Worten zu hören, zu erlernen und zu üben.
Denn offene, derbe, aber deutsche Ehrlichkeit ist strafbar.
Es ist wohl erlaubt, Feuer anzulegen, doch nicht die Feuer-
glocke zu läuten; das ist Unfug und wohl gar — Umsturz.
Man pflanzt Bäume zur Erinnerung^an liebe Tote, an
große Männer und ihre Thaten, an die Thaten eines ganzen
Volkes, das ist eine schöne Sitte, ein facher Baum ist uns
meist lieber, als eines der vielen langweiligen Denkmäler
die allüberall erstehen. Hier sind Bäume zur Erinnerung
an liebe Lebende gepflanzt worden, lieb warum?? Nun,
ein Jeder nach seinem eigentümlichen Geschmacke! — Die
Bäume werden nicht gedeihen. Entweder werden ne in der
Zukunft einmal von deutschen Rechtes wegen von deutschen
Forsthütern abgehauen und samt den roten und goldenen
Schilden ins Feuer geworfen werden, oder die antisemi-
tischen Stämme werden ihrerseits zum Himmel empor-
wachsen und die jüdischen ganz natürlich ersticken und er-
drücken. Einst wird kommen der Tag!
— Der Wundesrat wird bald nach seinem Wiederzu-
sammentritt sich auch mit der Beratung von Resolutionen
befassen, welche der Reichstag in seiner letzten Tagung an-
genommen hat. Die Zahl dieser Resolutionen ist bekannt-
lich recht groß gewesen. Einige von ihnen haben inzwischen
ihre Erledigung gefunden, so die Resolutionen bezüglich
der Berufs- und Gewerbezählung bei der Vornahme der-
selben im Juni d. Js. und diejenigen, welche den einjäh-
rigen Dienst der Vvlksschullehrer betrafen, bei dem vor
knrzem erfolgten Erlaß der diesbezüglichen Bestimmungen.
Trotzdem harren noch recht viele Resolutionen der Erledig-
ung durch den Bundesrat. Wir erinnern nur an die
aus die Küstenfrachtfahrt, die Beseitigung der Hausskla-
verei in den Schutzgebieten, den Ouebrachohvlzzoll bezüg-
lichen, sowie diejenigen, welche bei der Etatsberatnng zur
Annahme gelangten. Die Zahl der letzteren ist namentlich
beträchtlich. Sie betreffen die Unfallversicherung der See-
leute, die allerdings durch den bekannten Erlaß des Bun-
desrates über die Versicherungspflicht der Hochseefischerei-
Dampfer eine wenigstens teilweise Erledigung gesunden
hat, die baldige Vorlegung der Novelle zur Jnvaliditäts-
und Altersversicherung, an welcher schon feit längerer Zeit
gearbeitet wird, die Verabreichung warmer Abendkost an
die Mannschaften, das Snrrogatverbot bei der Bierbereit-
ung, die verschiedensten auf die Regelung des Postdienstes
nno der Verhältnisse der Postbeamten bezüglichen Wünsche
u. a. m. Die Vorbereitung der Beschlußfaffung des Bun-
desrats in verschiedenen der erwähnten Fragen ist schon
seit längerer Zeit im Gange, immerhin wird die Erledig-
ung einiger Gegenstände noch mit Schwierigkeiten ver-
knüpft sein. Man wird deshalb kaum daraus rechnen dür-
fen, daß die Zusammenstellung der Entschließungen auf
die Resolutionen des Reichstages wie diese dem letzteren
alljährlich nnterbreitet zu werden pflegen, diesmal schon
bald nach der Eröffnung der nächsten Tagung wird vor-
gelegt werden können.
— Der Kammerstei«-Ska«dat, diese unerfreuliche Er-
scheinung im inneren politischen Leben Deutschlands,
wird sein Ende sobald noch nicht sinden. Während
Hammerstein selbst, der edle Ritter, seine treue Person
nach dem freien Amerika in Sicherheit gebracht hat, er-
gießt das Füllhorn seiner Briefmappe immer neuen Stoff
sensationeller Enthüllungen über die neugierig harrende
Welt. Die freisinnige „Nation" kündigte eine Serie von
200 Briefen an, die, von hervorragenden konservativen
Politikern an Hammerstein gerichtet, jetzt in die Hände
von Leuten gelangt sind, die „keine Gemütsmenschen"
sind und durch die Veröffentlichung derselben offenbar
nichts anderes bezwecken als die Vernichtung der konser-
vativen Partei. Und es scheint denn auch in der That,
daß manches faul im Staate Dänemark, denn das christ-
lich-soziale „Volk" weiß bereits mitzuteilen, daß es sich
nicht nur um 200, sonbern um 385 Briefe handelt, die

zum Teil die schärfsten M a je st ä ts beleidungen ent-
halten. Das kann ja noch recht nett werden! — Sollen
wir noch ein Wort über diese neueste politische Kampfes-
weise sagen, die gestoblene Privatbriefe dazu mißbraucht
den Gegner zu vernichten, so haben wir für diese nur
Worte der schärfsten Verurteilung. Aber es hat keinen
Wert, sich darüber lange aufzuregen, ob der Gegner mit
noblen oder gemeinen Mitteln, mit ehrlichen oder unehr-
lichen Waffen kämpft. Der Mann im politischen Leben
hat zu handeln nnd sich auf den Boden der gegebenen
Verhältnisse zu stellen, nicht aber über Schmutz und
Niedertracht zu jammern. Sv müssen wir denn eben
mit den Thatsachen rechnen, wie sie nun einmal da sind,
nnd da können wir nicht anders als offen aussprechen,
wie wir das schon wiederholt gethan: Wer sich als
räudiges Schaf erweist, muß ausgemerzt werden, das ist
eine Partei sich selbst schuldig. Das liebevolle Verdecken
grober Verstöße ist im politischen Leben, wo es sich um
Wohl und Wehe des ganzen Volkes handelt, ein Unding.
— In der dieser Tage wiedereröffneten bayerische«
Abgeordnetenkammer hatte das Centrum eine Inter-
pellation über Fuchsmühl eingebracht, die vorn
Abg. Dr. Schädler sehr wirkungsvoll begündet wurde.
Verschiedene Abgeordnete griffen die Regierung aufs
heftigste an, während deren Verteidigung recht schwach
ausfiel. So sieht die Erklärung eines Ministers, die
traurigen Vorgänge seien durch Verstümmelung eines
Telegrammes hervorgernsen worden, das aber längst nicht
mehr vorhanden sei, dock) einer schlechten Ausrede so
ähnlich wie ein Ei dem andern. Tiefen Eindruck in
diesen Debatten machte eine Gegenüberstellung des Abg.
Dr. Ratzinger, der darauf hinwies, daß die Regierung
nach Fuchsmühl keinen Kommissär entsendete, als es sich
dagegen um einen amerikanischen Juden han-
delte (Laib Stern), da sei der Regierungspräsident zum
Vermittler bestimmt worden! Ja ja, es ist doch etwas
schönes um die „Gleichberechtigung der Konfessionen."
— Ite Höflichkeit und Menschenfreundlichkeit der Juden
illustriert ein Hr. M. im „Deuschen Volksblatt" folgender-
maßen: „Suche ich da dieser Tage in der Diellerstraße
(in München) nach gewissen Postbureaux, welche neuerlich
hierher verlegt worden waren. Nach längerem vergeb
lichem Suchen trat ich in den Laden der Firma Otr >
Böhm ein, um möglicherweise die richtige Adresse zu er-
fahren und stellte an den zufällig anwesenden Otto Böhm
die höfliche Anfrage, ob er mir nicht Auskunft erteilen
könnte. Ich erhielt von Böhm hierauf folgende Antwort:
„Sehen Sie auf die Weißdecke hinauf oder sind Sie
farbenblind?" Neber diese unerhörte Ge . . . momentan
sprachlos, erklärte ich ihm, daß ich von ihm wenigstens
eine anständige Antwort hätte verlangen können und ver-
ließ mit diesen Worten den Laden, vor welche»» »nein Be-
gleiter wartete. Böhm schimpfte mir nach und als ich
mich deshalb nach ihm umkehrte, warf derselbe auch »koch
mit seiner brennenden Cigarre nach mir, welche mich ins
linke Auge traf. Natürlich habe ich gegen Bühn» sofort
Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. - Sie
sehen, wie weit wir bereits gekommen, und daß es höchste
Zeit ist, dem Uebermut der Juden Schranken zu setzen".
— Kirre Eingabe betr. Erweiterung der handels-
statistischen Nachweise landwirtschaftlicher Erzeugnisse
hat der deutsche Landwirtschaftsrat an den Reichs-
kanzler gerichtet. In der ausführlichen Begründung
ist darauf hingewiesen, daß, während im allgemeinen
die Warenstatistik eine sehr weitgehende Sonderung
bei den Nachweisungen der Ein- und Ausfuhr befolgt,
hinsichtlich der landwirtschaftlichen Erzeugnisse dies
entschieden nicht hinreichend stattsindet. Dies gilt be-
sonders für die Viehzucht, deren wachsende Einfuhr
eine weitergehende Nachweisung in der Handelsstati-
stik erfordert, um die unentbehrliche Unterlage für
Handels- und zollpolitische Maßnahmen zum Schutze
deutscher Viehzucht zu gewinnen.
— Politik und Wekigion. Unter dieser Über-
schrift sprechen Judenblätter höchste Verwunderung dar-
über aus, daß die Deutsche Tageszeitung zum Ernte-
dankfeste an der Spitze einen Aufsatz bringe, der „sich
wie ein Gebet lese, ein Dankgebet an den, „der das
Feld gesegnet hat mit Fruchtbarkeit". Daran schließt
sich ein Bittgebet: „Möge er nahe sein den Höfen und
Häusern im deutschen Lande! Möge er mit seiner Huld
und Gnade walten über dem Samen, den wir jetzt
wieder geborgen haben in die braune Furche! Möge
er die Augen derer öffnen, die berufen sind, für das
Wohl des Landes zu wachen, damit sie erkennen, was
dem Volke not thut! Möge er ihren Willen festen und
ihre Hand stärken zu rettender That!" Besonders, daß
die beiden letzten Sätze gesperrt sind, heben jene
Blätter hervor. —
— Hine Konkurrenz der Landwirtschaft haben
wir auch in der Einfuhr des Palm- und Kokosnußöls
zu sehen. In Schlächterkreisen klagt man darüber.
 
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