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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 75 - No. 83 (2. Oktober - 30. Oktober)
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Verschiedenes.
(?) Stuttgart, 8. Okt. Kaum ist der herrliche
Königin Olga-Bau fertig gestellt der ein Sinnbild
der Opferfreudigkeit und Liebe der verstorbenen Königin
Olga ihren Stuttgartern gegenüber darstellen soll und
schon hört man mit gerechter Entrüstung, daß der zur
Vermietung kommende Teil, ehemalig für Ihre kais.
Hoheit die Großfürstin Wera bestimmt, von Juden

deutschen Mittelstadt ein ge Meis er und Gesellen hausten
die an der Hochschule des Demagogentums zu Paris
ihre Grundsätze eingesogen hatten.
In franz. Sprache verhöhnte er die Deutschen
wegui ihrer „Nationaleitelkeit" und fragte: Ist der
Egoismus eines Landes weniger ein Laster, als der
eines einzelnen Menschen? Er bezeugte den Franzosen,
sie hätten in 3 Tagen das Werk eines Jahrhunderts
gethan, die Deutschen in 3 Jahrhunderten garnichts. Als
er sie zu einem Rachekriege gegen sein Ge-
burtsland herausfordern wollte, beteuerte er
ihnen feierlich, die deutschen Höfe hätten nicht nur
durch den Coalitionskrieg die Enthauptung Ludwigs
XVI., sondern auch durch ihre geheimen Rat-
schläge die Juli-Ordonnanzen Karls X. verschuldet —
.eine freche Verleumdung, deren Nichtigkeit man
in Frankreich selbst wohl kannte. Zugleich fuhr
er fort, seine politischen Gegner als hündische
Knechtsseelen zu beschimpfen. Da die liberale
Presse dem Beispiele des Gesinungsterrorismus gelehrig
folgte, so gewöhnte sich die öffentliche Meinung bald,
konservative Grundsätze für ein Zeichen der Charakter-
schwäche anzusehen. ...
Wir sind dem Meister deutscher Geschichtsschreibung
recht dankbar dafür, daß er durch schonungslose
Kennzeichnung des sungdeutschen Litteraturjuden die
großen Gefahren, welche der internationale und anti-
deusche „Orientalismus" in sich birgt, in so anschaulicher

stehenden Landtags-Wahlen geboten worden. Die konser-
befunden, die so dargebvtene Hand unter Umständen aus-
zuschlagen, die zu verletzen geeignet und allem Anschein
nach auch dazu bestimmt waren. Ich muß daraus schließen,
daß in der Parteileitung der Konservativen Sachsens eine
Strömung oie Oberhand gewonnen hat, die einer Einig-
mit der Deutsch-sozialen Reformpartei entgegensteht
und welche in einer Reihe von sozialdemokratischen Wahl-
siegen, die sich als Konsequenz dieser Haltung der Konser-
vativen ergeben, ein geringeres Uebel erblickt, als in der
Wahl einiger Reformer neben einer Mehrzahl von Konser-
vativen. Ich möchte nicht Mitschuldiger dieser Politik wer-
den und sehe mich zur Lösung meines Verhältnisses zur
konservativen Partei um so mehr veranlaßt, als dieselbe
durch Ausschluß ihr unbequemer Mahner von wichtigen
Beratungen auch die Möglichkeit abweichender Meinungen
zu verhindern sucht." —
Aus Baden.
* Keidelöerg. Die „Schwäbische Reform" in
Stuttgart schreibt in der neuesten Nummer:
„Stuttgart. Soeben erfahren wir, daß der hiesige
Israelitische Höerkirchenrat gegen unser Blatt Straf-
antrag gestellt hat wegen Aufreizung zum Klassen-
haß, begangen in dem Aufruf „Mitbürger" in Nr. 26
der „Schwäbischen Reform". Wir sehen dieser Klage
in aller Seelenruhe entgegen. Außer uns ist Strafan-
trag auch gegen Herrn Kommerzienrat Grüninger ge-
stellt worden, weil die betr. Nummer der „Reform"
an den hiesigen Plakatsäulen angeschlagen war!! Ob
die Herren Strecker und Moser als Drucker jener
Nummer, sowie das Druckereipersonal, ob ferner die
K. W. Staatspost und die Briefträger, ob die Privat-
stadtpost und die Agenten ebenfalls verklagt sind, wissen
wir nicht. — Das kann ja nett werden!"
So will man es also nun in Württemberg mit
der Anklage wegen ,.Aufreizung zum Klassenhaß" ver-
suchen. Wenn dadurch der Antisemitismus im
Schwabenlande ebenso große Fortschritte macht, wie
bei uns in Baden, so können sich unsere württember-

Arrs dem Parteileben.
* Schwäbische WeforrnparLei. Der Ausschuß der
deutschnationalen antisemitischen Partei in Württemberg,
Ortsgruppe Stuttgart, hat nach wiederholter eingehen-
der Beratung als der geschäftsführende Teil des Lan-
desausschusses einstimmig beschlossen, von der Einbe-
rufung eines eigenen außerordentlichen Parteitages ab-
zusehen und den Anschluß der genannten Wartei an
die Schwäbische Hlefornrpartei für Vollzogen zu er-
klären. Mit dieser Einigung der schwäbischen Juden-
gegner ist der erste und wichtigste Schritt für die er-
folgreiche Entwickelung und Thätigkeit der Nation..ren
und sozialen Reformbewegung in Württemberg ge-
schehen.

Vernunft der Mussen ihre Thaten vollende.
Darum nannte er das moderne, nach der Schablone
gebildete Frankreich „die Weltschule, die große Eisen-
bahn der Freiheit und Sittlichkeit", und immer un-
begreiflicher ward ihm Deutsch!» nd mit der
Fülle seiner persönlichen Kräfte, seiner
mannigfaltigen und doch einigen Kultur.
Weil alle echte Bildung aristokratisch ist, so bekämpfte
er unsere Wissenschaft als die Feindin der Freiheit u.
meinte: „jede Universität macht das Land 10 Meilen
in der Runde dumm".
In seinem Stile wurden die fein ausgeklügelten
Bilder, die freilich immer nur aus dem Witze, nicht
aus der Anschauung stammen, allmählich seltener; an
ihre Stelle traten sinnlose demagogische Kraft-
worte, z. B. „die sauere Hand des ehrlichen Mannes",
„die bleisüßen Herzen und erbuhlten Larendelseelen der
Fürsteudiener". Seinem revolutionären Ingrimm be-
sagte nur noch die Roheit; als ihm im Gedränge des
Hambacher Festes seine Uhr gestohlen wurde, da schrieb
er höhnisch: jetzt endlich erwachen die .Deutschen zur
Thatkraft; Tyrannen zittert, wir stehlen auch! — In
den stark besuchten Vereinen der deutschen Handwerks-
burschen und Flüchtlinge entfaltete er eine emsige
Thätigkeit, und obwohl diese Helden ihre Kampflust
vorerst nur in drohender Rede oder im Herumtragen
schwarzrr.goldner Fahnen bethätigten so ward es doch
für die Zukunft folgenreich, daß nun bald in jeder

TreiLsckke über den Juden Börne.
Während Heine die wechselnden Eindrücke des
Pariser Lebens zu eleganter Formenspielerei verwertete,
redete Börue in seinen Pariser Briefen als starrer
Fanatiker. Wie Heine den sozialen, so vertrat Börne
den politischen Radikalismus. Irgend ein bestimmtes
Ziel verfolgte auch er nicht. Er schmähte nur auf Alles,
was in Deutschland bestand. Ließ er sich einmal herbei,
seinen Lesern etwas Thatsächliches zu bieten, so zeigte
er sich kindlich urteilslos; mehrere der agokryphen
"Aktenstücke aus dem Archiv des Bundestages, an denen
sich mancher jahrelang die liberale Legende nährte,
wurden zuerst in seinen Pariser Briesen veröffentlicht.
Da er immer auf demselben Flecke blieb und schlechter-
dings nichts mehr neues zu sagen wußte, so mußte er
entgeltendes Geschrei anstimmen. „Türken und Juden
sind der Freiheit viel näher als die Deutschen; sie sind
Sklaven und werden einmal ihre Ketten brechen, und
daun sind sie frei, der Deutsche aber ist geborner
Bedienter, er könnte frei sein, aber er will es nicht."
Sein alter Grimm gegen Goethe ward zur herostatischen
Wut: „tausendmal lieber Kotzebue's warme Thränen-
suppen als Goethes gefrorener Wein".
Börne bekannte sich zu der neuen radikalen Heils-
lehre, daß die Weltgeschichte in diesem aufgeklärten
Jahrhundert, plötzlich ihren Charakter verändert habe
und nicht mehr durch große Menschen, sondern durch

daß der Talg nicht mehr zu den früheren Preisen zu
verwerten sei, weil die Seifensieder vielfach eine
Mischung von einem Drittel Talg und zwei Drittel
Palmöl verwenden. Die Einfuhr dieses Fettes ist
nicht ganz unbedeutend, sie betrug in den letzten fünf
Jahren durchschnittlich 157,000 Doppelzentner jährlich.
Leider ist auch bei diesen Einfuhrartikeln der Zoll durch
die Handelsverträge gebunden und zwar auf der geringen
Höhe von 2 Mk. für den Doppelzentner. Das ist um
so bedauerlicher, als dadurch gleichzeitig die Möglichkeit
einer wesentlichen Begünstigung unserer kolonialen
Einfuhr ausgeschlossen ist, und doch wäre deren -Ver-
stärkung, die bisher nur 12,000 Doppelzenter jährlich
betrug, außerordentlich wünschenswert. Man hat eben
mit den Handelsverträgen den Schutz der nationalen
Arbeit nach allen Richtungen hin aus der Hand gegeben.
— Kine sensationelle Beschlagnahmung. Nr.
29 des bekannten deutsch-nat. Witzblattes „Deutscher
Michel" ist wegen des darin enthaltenen Aussatzes
„Ein Monarchendiener bei Cohn u. Rosenberg" be-
schlagnahmt worden. Der Artikel verspottet die Sucht
gewisser Spekulanten, sich in Kreise einzudrängen, mit
denen sie nach Geburt und Lebensauffassung nichts zu
thun haben.
— Sozialdemokratischer Ehrenmann. Der Expedient
des „Anhalter Volksbl.", Paul Schöps, hat sich mehrerer
Unterschlagungen schuldig gemacht. Er hat die für die
verurteilteu Estener „Genoßen" bei der Expedition des
„Volktzbl." eingegangenen Gelder und andere Fonds ins
Höhe von etwa 300 M. veruntreut.
Die „Edelsten der Watton". Die Strafkammer in
Hamburg verurteilte die ehemaligen Direktoren Cohn,
genannt Würzburg, uud Heckocher wegen Untreue uud
Verschleppung zu je zwei Jahren Gefängniß und 3000 Mk.
Geldstrafe, eventuell weiteren 300 Gefängnißtagen, und
rechnete die Lmonatliche Untersuchungshaft au.

gischen Parteigenossen noch bei den Juden bedanken,
daß sie so fraindlich waren, ihr mutiges Parteiorgan
bei der Staatsanwaltschaft zu denunzieren!
Keidelöerg, 11. Okt. Bezüglich der Rückerstattung von
Eisenbahn-Fahrgeldern wird von jetzt ab von allen deutschen
Eisenbahnen einheitlich und gleichmäßig verfahren werden.
Eine Erstattung findet nunmehr stets im Falle nachge-
wiesener Nichtbenutzung von Fahrkarten statt.
Keidelöerg, 7. Okt. Am letzten Samstag hat der bei
der hiesigen Domänenverwaltung angestellte Schreiber
Barkv einen an die großherzogliche Generalstaatskasse in
Karlsruhe gerichteten Wertbrief mit 52,000 Mk. Inhalt
unterschlagen. Barkv, der die Schriftsacheu zu besorgen
. hatte, hat offenbar beim Einpacken und Versiegeln des
in Papierscheinen vorgezühlten Geldes ein ähnliches Packet
mit dem Wertbrief vertauscht. Barkv hinterliest ein an
seine Frau gerichtetes Schreiben, worin er die Unter-
schlagung zugesteht.
Keidek-erg, 11. Okt. Der sozialdemokratische
Parteitag nahm den Antrag Keil-Mannheim: den
badischen Landtagsabgeordneten Dr. Rüdt-Heidelberg
aus der Partei auszuschließen, weil er, obwohl er zum
Delegirten gewählt, nicht erschienen sei und erklärt
habe, mitdieser Gesellschaft fertig zu sein, mit großer
Majorität an.
Mannheim, 11. Oktober. Der 21 Jahre alte Sohn
des hiesigen Schuhmachermeisters Jakob Köchle, welcher
beini 1. Eisenbahu-Regiment (1. Comp.) in Berlm-
Schöneberg diente, sprang, wie aus Berlin an seine
hiesigen Angehörigen gemeldet wird, so unglücklich von
der Maschine der Militärbahn herab, daß er dabei schwer
verletzt wurde uud an den Folgen nach Verlauf von 4
Stunden gftorben ist.
Meinheim, 11. Okt. Ein junger Mann Namens
Pflasterer wurde bei Station Stahlbad von der Neben-
bahn überfahren und getötet.
Karlsruhe, ll. Okt. Dem Vernehmen nach soll
die durch Kiefer's Tod erledigte Präsidentenstelle in
Freiburg Landgerichtspräfioent Otto Haas in Mos-
bach und dessen Stelle Direktor Karl Fischler in
Karlsruhe erhalten.
Hffenöurg, 11. Okt. Die Steinkohlenbergwerks-
Gesellschaft Offenburg ist nach Bekanntmachung des
Amtsgerichts in Liquidation getreten. Der Betrieb, der
früher auch Werke in Hagenback und Diersburg hatte,
ergab seit Jahren einen wenig befriedigenden Ertrag.
AreiVurg, 10. Okt. Von der hiesigen Straf-
kammer wurde der 18-jährige Gymnasiast Rügtenberg
aus Philadephia wegen Fälschung eines Kilometerhestes,
unter Annahme mildernder Umstände, zu 2 Monaten
Gefängnis verurteilt.
* Kleine Wachrichten aus Wade«. In Würm ereignete
sich ein schweres Unglück. Aus nicht bekannten Ursachen
zersprang in der Schleifmühle ein Schleifstein von
einem Durchmesser von mehreren Metern. Die Wirkung
war grauenhaft. Alles in der Stube wurde kurz und klein
zertrümmert. Dem an dem Stein beschäftigten Arbeiter
wurde ein Arm abgeschlagen, ein Auge vollständig ver-
nichtet, das andere so schwer verletzt, daß es wohl ver-
loren ist. Weiter erhielt der Bedauernswerte sehr schwere
Verletzungen an der Brust und am Kopf. An dem Auf-
kommen des Verletzten wird gezweifelt. — In Waldkirch
verunglückte auf eine schreckliche Art der erst 20--jährige
Sohn des Fuhrhalters Schill. Derselbe war mit einer
Fuhre Backsteinen auf dem Wege nach Buchholz, als ihm
beim Wegweiser unterhalb Waldkirch ein anderes Fuhr-
werk begegnete. Es scheint nun, daß dieselben etwas zu
nahe an einander vvrbeifuhren, wobei der Sch. von einem
Wagscheit erfaßt, herumgedreht und zu Fall gebracht wurde,
so daß sein schwer beladener Wagen ihm über die Brust
ging und ihn erdrückte. Ein einziger Schrei war das letzte
Lebenszeichen für den ihn begleitenden jüngeren Bruder.
Eine Schuld kann, wie wir hören, dem Knecht des ande-
ren Fuhrwerks nicht beigemessen werden. — Im Lorettv-
wald bei K o n st a n z, gegenüber der Villa Douglas
wurde ein besser gekleideter, ca. 35 Jahre alter Herr er-
hängt aufgefunden. Derselbe hatte sich 6 Tage in einem
Hotel als angeblicher Maler Scheerer aus Weißenburg
einloaiert, ist dann verschwunden, ohne die Hotelrechnuug
beglichen zu haben.

Zur Zeitgeschichte.
Der Kaiser genehmigte die Bildung eines Komites
zur Errichtung eines Denkmals für den Prinzen Friedrich
Karl in Metz.
— Im Befinde« des Erzherzoges Kranz Kerdinand von
Hesterreich soll neuerlich eine Verschlimmerung eingetreten
sein. Prof. Schrötter soll nach Lussinviccolo zum Erzherzog
abgereist sein.
Der Vertreter für Gesterreich keim sozialistischen
Warteitag, Jude Dr. Ellenbogen-Wien, ist in
Breslau verhaftet und ausgewiesen worden.
— Hesterretch. Graf Badeni hob auf die Ansprache
der Delegirten der jüdischen KultuSgemeiudeu hervor, daß
das Verhalten der Judenschafterr Galiziens redlich dazu
beigetrageu habe, daß „jene häßliche Erscheinung, welche
in anderen Kronländern die Luft verpestet und vergiftet
und so viel Unheil angerichtet habe", hier nicht entstehe.
Graf Badeni drückte die Erwartung aus, daß auch sein
Nachfolger aus dem Statthalterposten bestrebt sein werde,
daß der „verabscheuungswürdige Antisemitismus" nicht
aufkomme. Es muß abgewartet werden, ob dieser Bericht
sich bestätigt, wahrscheinlich ist dies nicht, denn Badeni
der neue östereichische Ministerpräsident, hätte sich dadurch
von vornherein selbst unmöglich gemacht.
— Krankretch. Die Polizei hat den früheren Polize .-
korninissär Schwarz verhaftet, umgiebt aber dessen Ver-
haftung mit denk größten Geheimniß. Der „Jour" will
wissen, Schwartz habe militärische Dokumente photo-
graphiert und dem Auslände verkauft. Paris vermutet
einen Zusammenhang zwischen dieser Verhaftung und
der Spiouen-Verhaftung in Köln.
— Wnßkand. In dem Zustand des Großfürsten
Thronfolgers ist plößlich eine Verschlimmerung eingetreten.
In Hofkreiseu herrscht allgemeine Bestürzung.

Im Königreich Sachsen stehen die Landtags-
wahlen bevor, an denen zum ersten Mal auch die
stärkste nationalgesinnte Partei, die deutschsoziale
R e s o r m p a r t e i, lebhaften Anteil nimmt. Un-
begreiflichermeise haben die Konservativen, bisher die
herrschende Partei, in heilloser Verblendung ein Zu-
sammengehen mit der Reformpartei schroff abgelehnt,
eine Handlungsweise, die bei dem in Sachsen geltenden
Wahlsystem nur der Sozialdemokratie zu gute kommen
kann. Wie aber die Handlungsweise der Konservativen
selbst bei ihren eigenen Anhängern und Mitgliedern
wirkt, möge ein Schreiben zeigen, das Herr Eduard
Ulrich, Chemnitz, an den Vorstand des konservativen
Laudesvereins gerichtet und um dessen Abdruck er das
„Volk" gebeten hat. Dasselbe lautet:
„Ich sehe mich veranlaßt, Ihnen meinen Austritt aus
dem Konservativen Landes-Verein hiermit anzuzeigen. Zur
Begründung dieses Schrittes erlaube ich mir Folgendes
zu bemerken: Seit einer Reihe von Jahren habe ich mich
bemüht, zwischen der konservativen und deutsch-sozialen
Partei ein Verhältnis; herzustellen, das bei Wahlen ein
Zusammengehen gegen die Sozialdemokratie ermöglicht.
Unbekümmert um die Angriffe allzu einseitiger Partei-
männer, die in gleichem Mape blind sind, gegen oie Mängel
der eigenen Partei, wie für die Vorzüge, die in mancher
Hinsicht meist der anderen Partei nicht ohne Weiteres ab-
gesprochen werden können, habe ich an der Auffassung fest-
gehalten, daß gerade die Konservativen und Deutsch-Sozi-
alen, welche beide programmgemäß den zersetzenden jüdi-
schen Einstich auf unser Volksleben bekämpfen müssen, nicht
das klägliche Schauspiel gegenseitiger Verhetzung bieten,
sondern ihre Waffen gemeinsam gegen den Gegner richten
sollen. Gerade die bevorstehenden Landtags-Wahlen, für
oie sich die vorn Judentum unterstützte Sozialdemokratie
»nächtiger wie je rüstet, machen ein einheitliches Zusammen-
gehen nötig und die mehr irr» Temperament als in der Ge-
sinnung sich geltend machenden Unterschiede sollten weni-
ger betont werden. Statt dessen hat die gegenseitige An-
teindung einen Grad erreicht, der kaum noch übertroffen
werden kann und wenn man die Preßlcistnngen des ^Va-
terlandes", des öffiziellcn Preßvrgans der Konservatrven,
mit denen der „Deutscher» Wacht" vergleicht, so wird man
objektiver Weise »richt in Abrede stellen können, daß das
größere Maß vor» Gehässigkeit und der auffallendere Mangel
an Sachlichkeit in der» Artikeln des „Vaterlandes" zu fin-
den war. Dennoch ist seitens der Deutsch-sozialen Reform-
partei die Hand zu einer Verständigung über die bevor-
stehenden Landtags-Wahlen geboten »vorder». Die konser-
vative Parteileitung Sachsens hat es aber für angemessen
befunden, die so dargebvtene Hand unter Umständen auS-
zuschlagen, die zu verletzen geeignet und allen» Anschein
nach auch dazu bestimmt waren. Ich rrruß daraus schließen,
daß in der Parteileitung der Konservativer» Sachsens eine
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vativerr ergeben, ein geringeres Uebel erblickt
 
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