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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 2 - No. 8 (7. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42838#0025
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Ilürr Deutschtum, Mvou und Attcrv.
Hrrgcln dev deutsch-sozicrten Weform -WcrrLei in Werden und des
Wndilchen Wanernbundes.

finden m dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Volksboten"
die weiteste Verbreitung und kostet die viergespaltene Garmondzeile
oder deren Raum pur 10 Psg., bei mehrmaliger Aufnahme wird
bedeutender Rabatt gewährt.

.-äMWr« Aesteir«nge«
auf den „Badischen Volksboteu" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstalren, den Briefträgern, sowie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch die Post bezogen 1 M. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen I Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Pf.

Zs 7.

Heidelberg, den S6. Januar 189S.

6. Jahrg.

2um 27. danuar.

Heil'^68 Volk der deut86ken Irene,
Iret' vor Deinen Lamer lieut',
DlirLurelrtsvoll 8ekrvör' ilini unk'8 l^eue
Dreue Ontertkäuio-keit!
^eä68 Volk vvalirt 8 eine Litten,
Deut8eli68 Volk 8tek' nielrt siurnek,
Isied' den ^ottAerveiliten Dingten,
^Vün8olie ilnn viel Deil uncl OlUek 5
^«,8 clie Väter lreigg errungen:
Deut86li6 Dinlieit mit (lern lllnt,
Immer 86? 8 ^eelirt, l>68unAen,
Die868 keil'Ke dent^eke Out!
I«anK6 «elion liat inan Kev/artet
äe8 R,eie1i68 Derrliokkeit:
Heute 8in(l >vir legt Kev/ap^net
VI len Ltiirinen 8tet>8 geleit!
Minen Daiser 2u Ke8it26n,
De886n VuKe aut' un8 rullt.
L.a88t un8 (lie86 Onad' denUtLen
Ilnä kewakr'n al8 teure8 Out!
ZLötz-en denn am lieut'^en ^a^e
Vlle ^VUn8eke 8ieli erkllll'n,
Die clie trolien K'egtKelaKe
Oder aueli die lvireli' durekriiek'n!
^auelnre aut, Du Volk der Denker,
lind rut' au8 mit Herr: und Nund;
Kulim^ekrönt 8ei Deut8ekland8 Denker!
Illu' 68 allen Völkern kund.
,,Hie gut Zollern allewege!"
So erklingt es heute, wo wir uns zu Kaisers
Geburtstag rüsten, in Millionen deutscher Herzen voll
sroher Bewegung. Das Volk schaart sich um deu
Erben Wilhelms des Einzigen und des Dulders
Friedrich und erneut im innersten Herzen das Gelübde
unwandelbarer Treue.
„Liebe des sreien Mannes, gründet den Herrscher-
thron wie Fels im Meer". Es gibt auch eine
knechtische Treue, ein widerwilliges Beugen — das
ist uns sern. Gerade diesmal ist der Jubel, der den
Kaiser umbrauft, ein sich srei dem Herzen entringender,
denn das vergangene Jahr hat manches gezeitigt, was
uns den obersten Führer der Deutschen menschlich
näher brachte.
Bismarck's Aechtung ist aufgehoben.
Das ist das erste, was hell und freudig das vergangene
Jahr ankündigte. Noch sind die Ehrungen unvergessen,
die der alte Kanzler in Berlin genoß, noch unvergessen
der Sturm der Begeisterung, der darob in allen Gauen
des Vaterlandes sich entfachte. Gerade in Süddeutsch-
land, wo von jeher ehrliche Bewunderung dem ra-
genden Baumeister des neuen Reiches gezollt ward,
versöhnte diese Nachricht mit so mancher anderen,
unangenehmeren, die man aus der Reichshauptstadt er-
hielt. Der Kaiser aber wurde volksthümlich, wie nie
zuvor.
Graf Caprivi ist entlassen. Das ist
der Schlußakkord des Jahres. Wieder wich dem
deutschen Volke ein Alp von der Brust, wieder ver-
stand es seinen Kaiser. Alte Hoffnungen wurden
lebendig; der verzweifelnde Mittelstand in Landwirt-
schaft und Handwerk begann wieder aufwärts zu
schauen und dumpfes Grollen fand sich nur in den
Spalten reichsfeindlicher Zeitungen.
Nun beginnt das neue Jahr und. am Geburts¬

tag des Herrschers mischen sich Wünsche mit Gebeten.
Was wird das neue Jahr dem Kaiser, was wird
der Kaiser uns im neuen Jahre bringen? Die Zu-
kunft ist stumm. Ist sie aber dereinst gelüftet, dann,
so hoffen wir, wird der rückschauende Blick auf Freund-
liches fallen. Gott schütze unfern Kaiser, Gott schütze
sein deutsches Volk! A. St.

Reichstagsrede des Abg Werner.
Bei der Berathung der Novelle zum Gerichtsver-
fassungsgesetz und zur Strafprozeßordnung führte der
Abg. Werner Folgendes aus:
Gleich dem Herrn Vorredner muß ich bedauern,
daß an den Erörterungen, die für das gesamte deutsche
Volk so wichtig sind, bisher nur die Herren Juristen
sich beteiligt haben, während doch auch die Laien aus
eigener Anschauung genug Verständniß besitzen dürf-
ten. Was dem Gesetz vor allen Dingen fehlt, das ist
die Herabsetzung der hohen Gerichtskosten. (Sehr rich-
tig.) Die Klagen auf dem Lande und an allen Orten
mehren sich von Tag zu Tage, mancher kleine und mitt-
lere Mann wird durch die hohen Gerichtskosten fast
ganz ruinirt und an den Bettelstab gebracht. Ich will
nur einiges herausgreifen. In den Beleidigungspro-
zessen, in denen ich eine ziemliche Erfahrung habe, wird
man zu kleinen Geldstrafen verurtheilt, sagen wir mit
20, 25 Mark, das läßt sich ertragen. Man bekommt
aber einen Schreck, sobald man die Gerichtskosten und
die Rechtsanwaltsrechnung zugeschickt bekommt. (Heiter-
keit.) Da muß Abhülse geschaffen werden. Wenn Sie
dem Volke etwas geben wollen, so müssen Sie vor
allem die hohen Gerichtskosten herabsetzen. Im klebri-
gen freuen wir uns, daß die Zuständigkeit der Schöffen-
gerichte eine Erweiterung erfahren hat, wir möchten
aber, daß bei den Schöffengerichten vorzugsweise ältere,
erfahrene Richter Verwendung finden, die mit dem Volks-
geiste die erforderliche Fühlung haben und die mit der
nöthigen Erfahrung ausgerüstet sind, um ein richtiges
Urteil fällen zu können. Außerdem wünschen wir, daß
man bei der Auswahl der Schöffen etwas vorsichtiger
zu Werke gehen möchte, damit nicht Leute gewählt
werden, die nicht wissen, daß sie den Richtern gleich-
gestellt sind, vielmehr glauben, sie müßten sich in allen
Fällen dem Richter unterordnen. Derartige Schöffen
kann man nicht brauchen; das sind keine Schöffen, son-
dern Schöpse! (Heiterkeit.) Außerdem müßte die Pro-
tokollführung viel genauer sein, als es heute der Fall
ist. Wenn eine Berufung eingereicht wird und man dort
auf das Protokoll zurückgreift oder zurückgreifen muß,
so wird in den meisten Fällen kaum etwas konstaürt
werden können. Das Protokoll bietet absolut keine
Unterlage, und eine Aenderung scheint durch ß 273 Ab-
satz 1 auch in Aussicht genommen zu fein. Was die
Berufung gegen die Strafkammerurtheile anlangt, so
entspricht das einem längst gefühlten und von meiner
Partei geforderten Bedürfnis. Es war eine Ungerech-
tigkeit, daß man gegen die Strafkammerurtheile kein
anderes Rechtsmittel zuließ als die Revision, die gegen
unschuldige Verurtheilung nichts bot. Die neue Maß-
regel wird in weiteren Kreisen des Volkes mit unge-
teiltem Beifall ausgenommen werden. Wir sind aber-
entschieden dagegen, daß die Zusammensetzung der Rich-
ter bei den Strafkammern Sache des Justizverwalters
ist und zwar aus den Gründen, die bereits mein Herr
Vorredner vorgeführt hat. Das dürfte bei politischen
Prozessen einen üblen Beigeschmack bekommen; ich halte
die Zusammensetzung, wie sie jetzt besteht, für viel rich-
tiger und dem Wunsche des Volkes mehr entsprechend.
(Beifall.) Des Weiteren hat man im Gesetze mit der
einen Hand etwas gegeben, aber in demselben Augen-
blick es mit der anderen Hand wieder genommen. Wenn
man von der Entschädigung unschuldig Verurtheilter
spricht, so ist das recht schön; aber es ist sehr unrecht,
wenn man dafür die Einschränkung des Wiederaufnahme-
verfahrens verlangt. Das Wiederaufnahmeverfahren ist

ohnehin schon so schwierig gemacht, daß man wahrhaf-
tig keine Erschwerung mehr anzubahnen und anzustre-
ben braucht. Aber uns genügt es nicht, wenn unschul-
dig Verurteilte, deren es eine Menge giebt—Beispiele
will ich nicht anführen — Entschädigungen bekommen,
sondern wir verlangen, daß anch in Untersuchung Ge-
nommene gleichfalls bedacht werden. (Sehr richtig.)
Diese Forderung mag etwas weitgehend erscheinen, aber
sie ist unbedingt nötig, damit die leichtsinnigen Verhaft-
ungen nicht mehr vorkommen, wie wir sie leider jetzl
oft erleben. Auch dafür könnte ich Beispiele anführen,
ich will miä) aber nicht in Einzelheiten ergehen. Dann
hat der Herr Vorredner sehr richtig betont, daß die
Presse sich heutzutage in einem sogenannten Ausnahme-
zustand befindet, daß die Presse überall da angeklagt
werden kann, wo es dem betreffenden Richterkollegium
paßt, so daß wir keinen Gerichtsstand haben, sondern
überall im Deutschen Reiche an den Haaren gefaßt wer-
den können. Mit der Verurteilung ist oft auch der be-
treffende Landesangehörige der Gnade seines Landes-
fürsten entzogen und das ist ein sehr bedenklicher Fall.
Außerdem möchten wir sehr wünschen, daß der Ge-
richtsstand nur da wäre, wo die periodische Druckschrift
herausgegeben wurde. Nun sagte der Herr Staatssek-
retär Nieberding vor einigen Tagen, daß sich die Ent-
schädigungen nur auf solche Personen beziehen sollen,
die ohne Vorbehalt freigesprochen sind, also nicht dann,
wenn die Freisprechung wegen mangelnder Beweise er-
folgte. Darauf kann man absolut nicht eingehen: bei
uns giebt es nur Verurteilte und Freigesprochene, und
wer freigesprochen ist, muß auch die Entschädigung
empfangen, sonst würde der Willkür Thür und Thor-
geöffnet sein. Wir würden dann eine Menge Fälle haben,
die zu allerlei Bedenken Veranlassung geben könnten.
Des Weiteren können wir uns nicht dafür begei-
stern, daß die Rechte der Schwurgerichts-Präsidenten
eine Erweiterung erfahren. Wir glauben, daß das jetzige
Belehrungsverfahren vollkommen genügt, und wir wür-
den weitere Rechte als eine Beeinflussung der Ge-
schworenen ansehen müssen. Wir glauben, daß der Ge-
setzentwurf, der wohl gut gemeint ist, in der Kommission
bei den einzelnen Paragraphen gründlich durchgearbei-
tet werden muß und wir wollen hoffen und wünschen,
daß etwas Brauchbares und Annehmbares herauskom-
men möge. Wir begrüßen es auch mit Freude, daß
der Eid jetzt erst nach der Vernehmung geleistet wer-
den soll (Sehr richtig), aber wir würden es noch für
viel wichtiger erachten, wenn die konfessionelle Eides-
formel eingeführt würde. Mit der vorliegenden Bestim-
mung können wir uns daher nicht einverstanden er-
klären. Wir sind entschiedene Gegner, daß verschiedene
Vereidigungen auf einmal vorgenommen werden, weil
wir die Heiligkeit des Eides hochhalten. Des Weite-
ren möchten wir wünschen, daß bei allen Bagatellsachen
vor Gericht nicht sofort ein Eid geschworen werden
muß; ich glaube, das könnte recht oft vermieden wer-
den und müßte vermieden werden, weil gerade dieser
Umstand dazu führt, daß heutzutage eine ganze Menge
Meineide nur so heruntergeraspelt werden. Sagen doch
viele Leute heute mit Fug und Recht: Wer den Eid
bekommt, der gewinnt den Prozeß. Es bedarf ernster
Maßnahmen, um die Heiligkeit des Eides wieder her-
zustellen. Das kann aber nicht geschehen, wenn 6 oder
7 Eide auf einmal im Gerichtszimmer geschworen wer-
den. Des Weiteren ist die Einführung der bedingten
Verurteilung notwendig, wie wir sie z. B. in Belgien
bei jugendlichen Verbrechern haben. Die erste Strafe
fällt ganz aus, wenn der Verurteilte sich innerhalb der
folgenden 5 Jahre nichts zu Schulden kommen läßt.
Es giebt eine ganze Anzahl jugendlicher Verbrecher, die
noch recht gut gebessert werden können, die aber, ein-
mal bestraft, immer weiter auf den Weg des Lasters
getrieben werden. Vor allen Dingen wünschen wir, daß
immer mehr und mehr zu deut'schrechtlichen Anschau-
ungen zurückgegriffen werde und daß im Deutschen Reiche
deutsches Recht von deutschen Männern gesprochen
werde. (Beifall.) Wir sind für Ueberweisung dieser Vor-
 
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