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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 2 - No. 8 (7. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42838#0029
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Iü-r Deutschtum

Inserate
smdeu m dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Volksboten"
die weiteste Verbreitung und kostet die viergespaltene Garmoudreile
oder deren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Aufnahme wird
bedeutender Rabatt gewährt.

auf den „Badischen Volksboteu" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstalren, den L. iefträgeru, sowie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch oie Post bezogeu 1 Ni. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen 1 Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Pf.

Gh-rorr und ALtcr^r

Hvgcrn der deutsch-soZicrten Weform-Ucrrtei in Werden und des
Wcrdischen Wcruernbundes.

M 8.
Heidelberg, den 30. Januar 1805. 0. Jahrg.

—um.

Wil dem 1. Kebruar
beginnt eine neue Bestellung ans unsere Zeitung
zum Preise von 67 Pfg. für die Monate


Jetmucrrr und Mürrz.

Wir bitten unsere Gesinnungsfreunde, den im Inseraten-
teil befindlichen Bestellzettel zu benutzen.

Was versteht man unter arbeitendem
und arbeitslosem Kapital.
Das arbeitende Kapital findet seine Anlage in ge-
werblichen Unternehmungen und das arbeitslose wird
erworben durch Börsenspekulationen und Zinstributpflich-
ten (Kapital, Hypotheken und Wucherzinsen). Hier lieg:
der Unterschied zwischen der Anschauung der Antisemi-
ten und der Sozialdemokratie. Letztere bekämpfen alles
Kapital, was aber nicht richtig ist, sondern es kommt
lediglich darauf an zu beweisen, wo die Gefährlichkeit
des Kapitals anfängt und wo sie aufhört. Das. Ver-
mögen der Familie Rothschild (10 Milliarden) ist mit
einer Boa zu vergleichen. „Friß nur Einen von uns",
sagten die Schaafe zur Boa; „es ist besser, denn du
zerplatzest ja doch, wen« du alle fressen willst".
Die Boa ließ sich nicht warnen und zerplatzte.
Mittelst Steuern ist einem derartigen Riesenver-
mögen nicht beizukommen. Der Staat versucht es nicht
einmal. Dagegen müßte der Staat sich dazu entschließen,
die Vermehrung dadurch aufzuhalten, daß mit einer-
progressiven Erbschaftssteuer mindestens bZ an den Staat
zurückfällt.
Der Staat weiß auch ganz gut, daß der Frank-
furter Rothschild mindestens ein zehnfach größeres
Einkommen hat als Krupp in Essen und doch rückt
man ihm nicht auf den Leib. Krupp kann sich der
Steuer nicht gut entziehen, weil sein Einkommen aus
seinem Gewerbebetrieb entstammt, welcher ihn an
Deutschland fesselt, während Rothschild seinen Auf-
enthalt in einem andern Lande nehmen kann, wo er
durch Steuerverhältnisse weniger genirt ist. Krupp
beschäftigt Tausende von Arbeiter, dagegen Rothschild
kann mit einigen jungen Bureaubeamten auf dem
Wege der Börsentransaktionen die Staaten und das
Volk ausplündern.
Dieser verwerflichen Finanzoperation müssen sämt-
liche Vertreter der Staaten bald ein jähes Ende be-
reiten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, von der
„Boa" aufgefressen zu werden. Wenn das Kapital
übermächtig wird, fängt es an gefährlich zu werden,
deshalb sage ich, daß auch solche Unternehmungen,
wie K'.'uvv in Essen, v. Stumm in Neunkirchen, B^ g-
werke usw. n staatliche Genossenschaftsbetriebe über-
zuleiten wären, damit die Kleinen Gelegenheit hätten,
sich der Genossenschaft anzGchließen und nicht wie es
heute der Fall ist, sie genöttgt sind wegen Kreditnot
und Mangel an Arbeit ihren Betrieb einzustellen.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir in
Deutschland könnten ganz gut als Beispiel für andere
Länder eine organische Fortentwickelung über diese
uns nahe bevorstehend Finanzkatastrophe Hinwegkommen,
wenn die Vertreter euer Parteien endlich einmal ein-
sehen würden, daß es so nicht lange mehr weiter
gehen kann. Nur wenn die Sonderinteressen den
Staatsinteressen untergeordnet werden, gelingt es,
die soziale Frage zu lösen, anders nicht. Kommt
diese bessere Einsicht bei allen Parteien nicht bald,
daun treiben wir unabsehbaren Wirren entgegen, die
unbedingt alle Existenzen auf den Kopf stellen werden
und davon hat schließlich auch gar keine Partei einen
Profit.
Das Volk im Lande lacht über diese Reichstags-
apostel, die sich über Jesuiten und Umsturzgesetze auf-
halten müssen. Wo um alle Welt liegt denn unsere
soziale Krankheit? Wo kein Verdienst ist, kann auch
nichts bezahlt werden und da diese Krankheit latent
ist, kann selbstredend auch in das Volk keine Zufrieden-
heit und Ruhe kommen.

Umsturz- und Jesuitengesetze sollen diesen Zu-
stand ändern können? Mit diesem Kapitel kann man
höchstens alte Waschweiber noch ködern. Haltet Euch
doch, Ihr Reichstagsabgeordneten, über solche Lappalien
nicht auf, die Zeit ist viel zu ernst. Laßt in Gottes
Namen die Jesuiten hereinkommen, es sind ja schon
genug Jesuiten unter uns, da kommt es auf ein Paar
mehr oder weniger auch nicht an. Bestehen darüber
andere Meinungen, so mögen dies die Priester in der
Kirche unter sich ausmachen, aber laßt um Gottes
Willen das Volk mit solchen Sachen in Ruhe.
Wir halten uns nur direkt an das Göttliche
und Wahre. Das Himmelreich können wir uns selbst
schaffen, wenn unsere Gedanken und Einrichtungen
göttliche sind. Darum heißt es: das Himmelreich ist
diejenige Beschaffenheit des menschlichen Lebens, in
welchen die Herzen mit Gott in Verbindung stehen,
sowie alle Zustände: Kirche, Gemeinde, Kunst und
Wissenschaft vom Geiste Gottes durchdrungen und be-
seeligt sein müssen. In uns selbst muß die Gottheit
liegen, wenn wir Liebe predigen wollen unseren
Glaubensbrüdern. Wer selbst keinen Glauben hat,
kann auch keine Liebe predigen. Richard Wagner
sagte s. Zt.: Von einer Glückseligkeit der Menschen
untereinander kann man erst dann sprechen, wenn
keiner den andern mehr neben sich leiden sehen kann.
Der Apostel Paulus hatte sein Volk so lieb, daß er
für dasselbe in die Verdammniß gehen wollte, wenn
er selig würde. Von den Juden sagte er: sie haben
Christum und die Apostel verfolgt und getödtet und
sie sind allen Menschen feind und Gott zuwieder.
Johannes ist der Jünger der Liebe und doch sprach er
im zweiten Bries der Offenbarung: Sie sind Juden
und sind des Teufels. Christus selbst predigte Worte
der Liebe, aber da die Judeu ihn nicht verstehen
wollten, nannte er sie Pharisäer, Heuchler und Ottern-
gezücht. Den König Herodes nannte er einen alten
Fuchs. Auch machte er sich eine Geisel aus Stricken
und trieb die Krämer und Wechsler aus dem Tempel
hinaus, was er wieder thun müßte, wenn er die heu-
tigen Zustände ansehen würde. Christus war also
schon Antisemit und deshalb kann uns keine Partei
imponiren, die den Antisemitismus verwerflich findet,
weil wir wissen, daß wir die einzige Partei sind, die
das Wahre mit dem Göttlichen verbindet.
Kein Dogma, sondern unser Glauben gipfelt da-
rin, die Menschen nach dem Evangelium zu uns her-
überzuziehen unter dem Motto: die Liebe ver-
einigt uns Alle.
Warum unsere Zustände unhaltbar geworden
sind und immer unhaltbarer werden, will ich in Nach-
stehendem beweisen. Die Staats-, Gemeinde- und
Privatschulden als sogenannte Hypothekenschulden bringen
das Volk zur Auszehrung. Ein nationaler oder inter-
nationaler Bankrott ist unausbleiblich, wenn noch 10
Jahre so sortgewucstelt wird. Die Zinses-Zinsen
fressen die Menschen mit Haut und Haar.
Bedenkt man, daß 100 Mk. in 600 Jahren
zu 5 Proz. auf Zinseszins angelegt, ein Kapitalanspruch
von 108,000 Milliarden hervorbringen, so wird man
begreifen, daß das Volk und die Staaten die schon jetzt
aufgenommenen Kapitalien nicht mehr zurückzahlen kön-
nen, zumal die Erwerbsverhältnisse, durch die Mono-
polrechte der Juden im Handel, die Katastrophe be-
schleunigen. Weil dieser Zeitpunkt eintreten wird und
muß, sucht das Judentum sich schon jetzt auf die Seite
der proletarisierten Masse zu stellen, um dann gleich
ganz die Zügel in die Hände zu bekommen.
Dem Judentum wird das doch nicht viel nützen,
denn in demselben Augenblick stürzt sich das ausgeplün-
derte Volk auf seinen eigentlichen Bedrücker und was
dann? — Da schweigt des Sängers Höflichkeit.
Unser Grundbesitz in Deutschland repräsentirt heute
einen Wert von 100 Milliarden; darauf sollen schon
75 Milliarden Hypothekenschulden ruhen.
Man sagt ferner, daß das ganze deutsche Reich
schon eine Staatsschuld von 15 Milliarden aufzuweisen
habe, ohne die Schulden der Gemeinden.

Wenn man also aus obigen 90 Milliarden 5 Proz.
jährliche Zinsen rechnet, so ergiebt dies ein Betrag von
40/2 Milliarden, welches der traute tiuauoe, Roth-
schild und seinen Leuten in den Schoß fällt.
50 Millionen Menschen beherbergt Deutschland,
folglich kommt allein schon auf den einzelnen Kops
außer den sonstigen Abgaben eine Zinsenlast von durch-
schnittlich 90 Mk. und das hält kein Staat lange mehr
aus. Die Großindustrie und der Großhandel haben es
Anfangs der 70er Jahre gut verstanden, die Schwin-
delbörse und die Reichsbank ganz auf ihre Seite zu
bringen, um das Volk ordentlich scheeren zu können.
Wenn es nichts mehr zum Scheeren giebt, dann
ist auch ihre Zeit gekommen, wo sie geschoren werden
und dieser Zeitpunkt liegt nicht mehr so ferne.
Das Volk stirbt an Blutarmut und die Handvoll
Geldfürsten stirbt an Blutüberfluß. Wenn die Regier-
ungen die Hand dazu bieten würden, dem Ausbeutec-
fystem energisch zu Leibe zu gehen, so würde bald die
Stimmung in eine regierungsfreundliche umschlagen
und da ist in erster Linie nöthig, daß an Stelle der
Geldwährung die Waarenwährnng gesetzt wird. Eine
Tausendmarkrolle bleibt in 100 Jahren noch eine Tau-
sendmarkrolle, die muß erst durch Waren auf dem Welt-
markt umgesetzt werden, wenn sie Zins tragen und sich
vermehren soll ; das ist total falsch.
Je mehr sich das Geld in Einzelhand anhäuft,
desto weniger wird die Ware kosten, weil sich Angebot
und Nachfrage nicht mehr das Gleichgewicht 'hält.
Die Rothschilds mit ihren 400 Millionen jährlichen
Zinseinnahmen können nur einen Teil davon, sagen
wir etwa 20 Millionen verbrauchen, die übrigen 380
Millionen werden wieder zur weiteren Fruktifizirung
auf den Weltmarkt geworfen, die dann das Angebot
an Waaren vermehren, die Preise drücken und so die
Ansammlung der richtigen Vermögen zu Stande bringen.
Würde Rothschild für sich die 400 Millionen wieder
verbrauchen können, so würde sich Angebot und Nach-
frage die Wage halten; da es nicht der Fall ist, ent-
steht die Ueberproduktion, man könnte es eigentlich
besser Unterkonsumtion nennen, weil es selbst bei
aller Billigkeit der Waaren das Volk nicht die Mittel
zum kaufen besitzt.
Diese wirtschaftlichen, von der traute iiuanee
geschaffenen Krisen, führen von selbst den Umsturz
herbei, da sind die Sozialdemokraten nicht schuld, sie
werden nur vorgeschoben, um auf ihre Minirarbeit
nicht zu kommen. Der Finanzminister Miquel besitzt
jetzt schon das Gefühl der Unsicherheit, weil es nur
Pflästerchen sind, die Steuern, welche dem Reiche vor-
geschlagen werden. Nur eine Radikalkur kann da
noch helfen, alles andere verschlimmert nur das Leiden
der Menschheit und der Zusammenbruch ist dann un-
ausbleiblich. Das mögen sich auch die Minister der
Einzelstanten merken._8oll.
Neichstagsrede des Abg Lotze.
Bei der Beratung des Antrages der konservativen
Partei auf Einführung des Befähigungsnachweises im
Handwerk und auf Beschränkung des Geschäftsbetriebes
der Konsumvereine, in Verbindung mit Anträgen der
Reichspartei auf Schaffung von Handwerkammern
und Einschränkung der Gefängnisarbeit, des Centrums
und der Nationalliberalen, betreffend den Geschäfts-
betrieb der Konsumanstalten und Konsumvereine und
eines Antrages der deutsch-sozialen Reformpartei, wo-
nach staatlichen Betrieben die Gründung von Konsum-
vereinen rc. verboten wird und schon bestehende Kon-
sumvereine aufgehoben werden, führte der Abgeord-
nete Lotze (deutsch-soziale Reformpartei) ungefähr fol-
gendes aus:
Nach den Ausführungen vom Ministertisch dürfen
wir uns wohl keiner großen Hoffnung für diesen An-
trag hingeben. Schon vorher, als ich hier von der lin-
ken Seite den Beifall und das Gelächter hörte, schwand
meine Hoffnung auf Annahme Äes Antrages seitens
der Negierung. Aber nichts destoweniger dürfen wir
nicht erlahmen, in der Vertretung der Interessen des

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