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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 9 - No. 16 (2. Februar - 27. Februar)
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die weiteste Verbreitung und kostet die viergespalteue Garmondzeile
oder deren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Ausnahme wird
bedeutender Rabatt gewährt.


rrnö Attcrr:.

- " » WesteKunge« ...
auf den „Badischen Bolksboten" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstalren, den Briefträgern, sowie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch die Post bezogen 1 M. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen 1 Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Pf.

Mrrio Deutschtum, -


Grgun der- beutsch-sozicrten Weform-Wcr^tei in Werden und des
Wcrdischen Wuuernbundes.

AK 16.

Heidelberg, den 2?. Februar 1865.

6. Jahrg.

Für 34 Pfg.
abonnirt man für den Monat März bei allen Post-
anstalten auf den
„Badischen Volksbotrn'
Organ der deutsch-sozialen Reformpartei in Baden
und deZ Badischen Bauernbundes.

Der Rechtsschutzverein Heidelberg
hat dem Reichstag durch den Abgeordneten Professor
Dr. Paul Förster nachstehenden Antrag übergeben
lassen:
Antrag
des Nrchisschuhvereins Heidel-
berg die Aburteilung von Br-
amtenbeleidigungen betr.
Der Aechtsschuhverein Heidelberg beehrt sich
hohem deutschem Reichstag einen Antrag ans Ab-
änderung der gesetzlichen Bestimmungen über dir
Aburteilung von Beamtenbrleidigungen zu unter-
breiten.
Die Aburteilungen von Beamten-Beleidig-
ungen, welche durch die öffentliche Anklage 'er
Staatsamm ltschaft verfolgt werden, ist nach den
jetzt gelte den gesetzlichen Bestimmungen, den
Strafkammern der l^andgrrichtr überwiesen, also
einem ausschließlich aus Bra.aten bestehenden Ge-
richtshöfe. Diese Bestimmung erscheint als eine
sehr unzweckmäßige und widerspricht dem Volks-
willen.
Der Staatsbürger ist in der jetzt geltenden
Reichsgrsetzgebung in hohem Matze in der per-
sönlichen Verfolgung seiner Rechte gehemmt und
beschnitten, es sei z. B. nur auf die Beschränkung
des Beschwerderechts, welches vielfach von der
Witunterschrift der Beschwerde durch einen Rechts-
anwalt abhängig gemacht ist und an die über-
mäßig weite Ausdehnung des Anwaltszwanges
erinnert, und das Streben eines sehr großen
Teiles der Bevölkerung geht dahin, sich in seinen
Rechtsangelegenheiten von der Bevormundung
durch Beamte und Rechtsanwälte möglichst zu
befreien, um einesteils selbst thätig die eigenen
Rechte verfolgen zu können, andernteils durch
Männer aus dem Volke, nicht ausschließlich durch
Beamte abgeurkeilt zu werden, was bis jetzt nur
in geringerem Umfange erreicht worden ist. Einer
Aburteilung durch ein ausschließlich aus Staats-
beamten bestehendes Gericht sieht aber das Volk
mit um so geringerem Vertrauen entgegen, wenn
es sich um die Beleidigung eines Staatsbeamten
handelt. Cs liegt in der menschlichen Natur, daß
Jemand, der selbst einer gewissen Corporation an-
gehört, sich bei der Beleidigung eines Genossen
seiner Corporation nicht zu jener vollen Objekiv
vitäi und Unparteilichkeit wird aufzuschwingen
vermögen, wie Jemand, der nicht dieser Corpo-
ration anllchört. Die Beleidigung eines Beamten
soll und mutz im Interesse der Autorität der
Staatsgewalt bestraft werden, aber sie soll nicht
etwa aus Standesrücksichten strenger bestraft
werden, als sie es verdient und diese Gefahr liegt
sehr nahe, wenn ausfchlietzlich Standesgrnossrn die
urteilenden Richter sind. Cs dürfte deshalb der
Antrag des Rechtsschutzvereins Heidelberg als
gerechtfertigt erscheinen:
„Hoher Reichstag wolle eine Abänderung
der gesetzlichen Bestimmungen dahin be-
schließen, daß die Aburteilung von Beam-
tenbeleidigungen künftig hin den Schöffen-

gerichten und wo eine die Competenz der
Schöffengerichte übersteigende Strafe in
Betracht kommt, den Schwurgerichten über-
wiesen werde".
Heidelberg, 16. Februar 1895.
Der Vorstand
des Rechtsschutzvereins Heidelberg.
Rede des Abgeordneten Zimmermann
gegen die Tabaksteuer.
Angesichts der vorgerückten Stunde werde ich
meine Ausführungen sehr kurz fassen können. Meine
politischen Freunde und ich können unser Befremden
darüber nicht unterdrücken, daß wir in diesem Jahre
wieder mit dieser Vorlage überrascht worden sind,
nachdem im vorigen Jahre eine so entschiedene Zurück-
weisung erfolgt ist, und wir erleben es auch, daß die
neue Vorlage gegenüber der alten sich nicht gebessert,
sondern im Gegenteil sich eher verschlechtert hat. Es
bestätigt sich, was ich im vorigen Jahre voraussagte,
daß diese Vorlaae nicht wie die Cigarre durch das
Lagern besser wird. Wenn man bedenkt, welche Be-
stimmungen getroffen sind bezüglich des Zolles auf
auswärtige fertige Cigarren, so ergiebt sich für den
Teil der einheimischen Cigarrenfabrikanten, welche
relativ hohe Qualitäten fabrizieren, ein ganz ungün-
stiges Verhältniß. Ich will heute aut Einzelheiten
nicht näher eingehen, ich möchte aber doch, da hier
auch von anderer Seite das Wort Bier gefallen ist,
aufs Entschiedendste dagegen protestieren, daß man
wieder die Erhöhung der Biersteuer aus der Ver-
senkung erscheinen läßt, in welcye dieselbe damals ver-
schwunden war, als die letz-en Reichstagswahlen sich
vollzogen. Durch den früheren Reichskanzler wurde
seiner Zeit selbst anerkannt, daß bei den Wahlen die
stärkste Opposition gegen die Erhöhung der Biersteuer
sich geltend machte und daß die Reichsregierung des-
halb darauf verzichtete. Damals ist ausdrücklich aus-
gesprochen worden, daß die Erhöhung der Biersteuer
einer vergangenen Zeit angehöre und nicht mehr wieder-
kommen soll. Auch heute ist vom Regierungstische
auf die Schwierigkeiten hingewiesen worden, die der
Durchführung der Brausteuer bei unseren eigenartigen
Verhältnissen entgegenstehen. Unter solchen Umständen
muß es umsomehr überraschen, wenn man aus dem
Hause selbst immer wieder aus das Bier zurückkommt.
Der Herr Reichsschatzsekretär hat in seinen Ausführ-
ungen uns den Nachweis zu erbringen versucht, daß
wir die moralische Verpflichtung hätten, nachdem wir
die Militärvorlage bewilligt hätten, auch für die Kosten
zu sorgen. (Sehr richtig!) Das ist aber in der Haupt-
sache geschehen durch die Börsensteuer. Hätte man
die Börsensteuer noch schärfer und höher gefaßt, nach
den Versprechungen des früheren Reichskanzlers, so
würden wir in der Richtung allem ruhig entgegen-
setzen können. Es ist weiter die Rede gewesen von der
moralischen Verpflichtung des Reichstags, der die
! Handelsverträge angenommen hat, den Ausfall an
Einnahmen zu decken. Meine politischen Freunde und
ich lehnen es auf das Entschiedenste ab, weil wir gleich
bei der ersten Benützung des ersten Handelsvertrages,
des österreichischen, vorausgesagt haben, daß diese Fol-
gen eintreten müßten. Ich möchte nochmals den Herren
vom Regierungstische rathen, sich auf die damaligen
Stützen der Regierung zu berufen, auf die Sozialdemo-
kraten und die Freisinnigen, mit denen man die Han-
delsverträge gemacht hat. (Sehr gut!) Also, was diese
Frage anbelangt, so möchte ich insbesondere auch, wenn
einmal die Erinnerungen aufgefrischt werden, darauf
Hinweisen, daß der frühere Herr Reichskanzler Graf v.
Caprivi in der Sitzung vom 7. Juli ausdrücklich als
Grundsätze für die neuen Steuern nusgeführt hat, daß
die verbündeten Regierungen bei Aufbringung der Mehr-
kosten für die Militärvorlage versuchen werden, die
Kosten auf die leistungsfähigsten Schultern zu legen und

die Börsensteuer mehr als bisher ergiebiger zu gestal-
ten, und daß der Reichskanzler auf die Frage der Abg.
Dr. Böckel damals ausdrücklich sagte, daß er diese Er-
klärung Namens des Bundesrates abgegeben habe. Mit
jenem Versprechen vermag ich die Tabakfabrikatsteuer
nicht in Einklang zu bringen.
Mir scheint es nach der ganzen politischen Lage
am Platze, wenn die Frage aufgeworfen wird, ob die
verbündeten Regierungen heute noch die moralische Ver-
pflichtung anerkennen, sich auf den Standpunkt jener
Erklärung des Grafen v. Caprivi zu stellen und diesen
Standpunkt auch für die Zukunft inne zu halten. Wie
ich schon betonte, können wir diese Vorlage mit jener
Erklärung nicht in Einklang bringen, weil sie gerade
die ärmeren Klassen belastet. Nun hat der Neichsschatz-
sekretär die Sache so zugespitzt, als wäre der Tabak der
einzige Gegenstand, den wir belasten könnten, und er
hat eine aanze Reihe anderer Vorschläge abzuweisen
versucht. Es ist doch merkwürdig, daß man, wenn man
nun einmal auf die Suche nach neuen Steuerquellen
geht, nicht auf die Wehrsteuer zurückgreift, die früher
von der Regierung selbst vertreten worden ist. Und in
Bezug auf die Luxussteuer ist die Auffassung der Mehr-
heit sowohl in der Bevölkerung als hier im Hanse die,
daß man den Tabak nicht zu den Luxussteuern rechnet,
daß man vielmehr an Luxuspferde, Luxuswagen und
dergl. gedacht hat. Ich wies vorher darauf hin, daß
man aus der Börsensteuer auch noch mehr herausziehen
könnte, daß man die Erfahrung, die man aus der Bör-
senenquete gewonnen hat, mehr hätte benutzen sollen.
Aber auf diesem Gebiete, das der Reform am meisten
bedürftig ist, fft jetzt völlige Stille eingetreten. (Hört!
Hört!) Wenn eine Vermehrung der Reichseinnahmen
durchaus nothwendig ist, so weise ich weiter auf den
Antrag Kanitz hin, der der Neichsreqierung die beste
Gelegenheit bietet, ihre Mittel zu vermehren. (Sehr
richRg! rechts.) Ich betone des Weiteren wieder und
immer wieder: Die progressive Reichseinkommensteuer
ist, was auch immer dagegen gesagt wird, wohl durch-
führbar und die Zeit ihrer Durchführung wird kom-
men. Es ist nötig, auf diese allgemeinen Gesichtspunkte
zurückzukommen, weil man es auf das Ernsthafteste be-
dauern muß, wenn eine Industrie im Reiche gar nicht
zur Ruhe kommt, wie dies mit der Tabakindustrie ge-
genwärtig der Fall ist. Was wird die Folge sein, wenn
die Beunruhigung fortdauert und vollends, wenn die
Steuer durchgeht? Die Großindustriellen werden es aus-
halten, aber die Kleinen und Mittleren werden dabei
geschädigt und gehen zu Grunde. Es wird sich dabei
wieder Herausstellen, was ich beim Binnenschifffahrts-
gesetz ausgeführt habe, daß man, wenn auch unbewußt,
die Geschäfte des Großkapitalismus besorgt. (Beifall.)
Das steht in direktem Widerspruch mit den Bestreb-
ungen der Sozialreform, mit der Rücksicht auf die ar-
beitenden Klassen. Es ist auch hier der alte Grundsatz
des liberalen Manchesterthums: Die Masse muß es
bringen, nämlich die Masse der 4- bis 6-Pfennig-Ci-
garren. Das ist aber ein Grundsatz, der heute nicht
mehr durchgeführt werden sollte. (Beifall.) Es sind be-
sonders die folgenden Gründe, die uns zur Ablehnung
der Vorlage zwingen: einmal halten mir es für eine
unrichtige und ungerechte Sache, eine Industrie, die sich
seit Jahrzehnten bei uns selbständig entwickelt hat, fort-
während zu beunruhigen und zu belästigen. Wir fürch-
ten aus diesen Belästigungen schlimme Gefahren für
diese Industrie für die Zukunft und wir befürchten
weiter, daß diese Belästigungen auch auf weite Arbeiter-
kreise, die sich aus schwächlichen und kränklichen Per-
sonen zusammensetzen, die schlimmstem Wirkungen haben
müssen. Der Arbeiterkreis, der in der Industrie be-
schäftigt ist, ist außerordentlich ausgedehnt. Wir haben
ländliche Kreise, wo die kleineren Landleute im Winter
mit ihrer Familie für die Tabakindustrie arbeiten, um
auf diese Weise ihr Dasein zu fristen. Wenn man nun
diese Dinge alle erwägt, so muß man unbedingt zu
einem ablehnenden Standpunkt kommen. Es handelt sich
nicht allein darum, daß die Massen der Konsumenten
 
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