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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 92 - No. 99 (4. Dezember - 31. Dezember)
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Der „Uadische WskksöoLe erscheint 2mal wöchentlich
(Dienstags und Freitags).
Z Verlag und Leitung: Heidelberg, Lcchnlwfstr. 5.
Telegramm-Adresse: WslksSsLe Keidelöerg.
z Anzeigenpreis: Die Sgespaltene Garmondzeile 10 Pfg.



92.

Heidelberg, deu 4. Dezember L893.

6. Jahrg.

An nnsklk Leser und Freunde.
Das Christfest wirft den ersten Abglanz feiner
Freuden voraus. Seitdem die nationale Bewegung
im deutschen Vaterlande so mächtig erstarkt ist, hat
es für jeden deutschen eine neue, vertiefte Bedeutung
gewonnen, und jeder Freund unserer Bestrebungen,
jeder Gesinnungsgenosse soll sich klar vor Augen
halten, daß es keine deutschere, keine christlichere Feier
giebt.
Es ist die Zeit der Uneigennützigkeit, der Ge-
schenke. Alle Börsen sind geöffnet, der Bescheidenste
und Aermste wird zum Geber. Weihnachten ist die
Erntezeit für Handel und Gewerbe; der Weihnachts-
umsatz entscheidet über den geschäftlichen Erfolg des
ganzen Jahres.
Deutsche Wanner und Irauen! Denkt jetzt da-
ran, daß Ihr dem Handwerk, dem wir helfen wollen,
mir der That helfen könnt! Kaufet tzuren Weiß-
nachtsöedarf in christlichen Geschäften, geht an dem
kleinen Mann, der die Erzeugnisse feines eigenen
Fleißes feil hält und schwer um seine bescheidene
Existenz ringt, nicht vorüber. Meidet die Ramsch-
bazare und Waarenhäuser, diese Handwerkermörder-
Magazine wie die Pest! Gesinnungen und schöne
Worte allein schaffens nicht, die That zeigt den
Deutschen!
Und weiter! Das geschäftliche Leben blüht zur
Weihnachtszeit auf; Gewerbetreibender und Kaufmann
empfehlen und zeigen besonders lebhaft ihre Erzeugnisse
an; giebt es doch jetzt so viele Kauflustige. .Die
Annonce ist eines der wichtigsten Hilfsmittel des mo-
dernen Geschäftsmannes; wie kann man wissen, daß
der oder jener treffliche Waaren auf Lager, wenn er
sie nicht annonciert? Auch der kleinste Geschäftsmann
hat gegen sich selber die Pflicht, in der Weihnachtszeit
ein paar Inserate zu wagen. Und ist es nicht eigent-
lich ganz selbstverständlich, daß er, der auf christliche
und deutsche Käufer rechnet, uur irr christlichen und
deutschen Mlättern inseriert, die selbst für jedes ehr-
liche Handwerk und Gewerbe eintreten? Gerade diese
Blätter werden nur in den Kreisen gelesen, die selbst
aus Ehrlichkeit und Redlichkeit in Handel und Wandel
hatten und die demgemäß auch bei allen ihren Ein-
käufen sich zuerst nach den Anzeigen in diesen Zeit-
ungen richten. Darum wenden wir uns an die Ge-
schäftsleute unter unseren Lesern, an alle Leser, die
Einfluß auf Geschäftsleute ihrer Bekanntschaft haben.
Inseriert im „Badischen VoLZsboteN!"
Wie die deutsche Presse Euch unterstützt, so müßt Ihr
sie wieder unterterstützen! Wir bitten unsere Freunde
um einen Versuch, der sich reichlich lohnen wird.
SchrifLLeituug und Verlag.

Die Petrslermtfrage.
Der in gegenwärtiger Zeit erhöhte Verbrauch von
Petroleum, an dem gerade der wirtschaftlich schwache
Teil der Bevölkerung am meisten beteiligt ist, läßt die
Frage austauchen, ob Vorsichtsmaßregeln getroffen sind,
damit das deutsche Volk nicht wieder durch die scham-
losen Preistreibereien in Petroleum ausgebeutet werde,
wie dies im Frühjahre geschehen ist.
Der Preis des Petroleums stieg damals infolge
der amerikanischen Preistreibereien in ganz kurzer Zeit
von 15 Pfennig pro Liter auf 32 Pfennige, so daß
selbst der Reichsscyatzsekretär Graf Posadowsky seiner
Besorgnis über diesen „Kommunismus des Mammons"
im Reichstag Ausdruck gab und unter anderm hinzu-
fügte: „Es ist ausgerechnet worden, daß diese Trust-

bestrebungen, wenn sie zu den Petroleumpreisen des
Jahres 1876 zurückführen, dem deutschen Volke für
seinen Petroleumbedarf, falls nicht eventuell ein be-
deutender Kosumrückgang eintritt, jährlich eine Mehr-
ausgabe vou etwa 300 Millionen Mark auferlegen
würden."
Jene bedenklichen Erscheinungen gaben der deutsch-
sozialen Reformpnrtei Veranlassung, im Reichstage im
Interesse der schaffenden Stände des deutschen Volkes
folgende Resolution einzubriugen:
„Welche Maßregeln gedenken die verbündeten
„Regierungen zu ergreifen, um die Ausbeutung, von
„der das gesamte deutsche Volk durch die künstliche
„Preistreiberei des Petroleums augenblicklich betroffen
„ist, zu beseitigen?"
Diese Anfrage kam am 5. Mai im Reichstag
zur Verhandlung, aber bevor noch unser Abgeordneter
Zimmermann das Wort zur Begründung erhielt, er-
klärte der Staatssekretär v. Bötticher, die Ringbildung
in Bezug auf das Petroleum in Amerika sei den
verbündeten Regierungen nicht entgangen, schon seit
längerer Zeit sei die Reichsregierung im Verein mit
der preußischen Regierung mit der Frage beschäftigt,
ob und welche Maßregeln zum Schutze der deut-
schen Interessen zu ergreifen seien, es sei jedoch nicht
geraten, jetzt schon Mitteilungen über das Ergebnis
der Ermittelungen und Erwägungen, sowie über den
Stand der Dinge und die in Aussicht genommenen
Maßregeln zu geben und er glaube im Interesse des
deutschen Handels und der Konsumtion zu haudeln,
wenn er zur Zeit die Beantwortung der Anfrage ab-
lehne.
Seitdem ist nahezu ein Jahr verflossen, aber noch
immer verlautet nichts von den getroffenen Maßregeln,
obgleich Herr v. Bötticher sonst Kanäle genug hat,
durch die ec seine An- und Absichten, sowie die von
ihm umernommenen Schritte bekannt giebt. — Eine
Bekanntgabe der getroffenen Maßregeln wäre umso-
mehr angezeigt, als ähnliche Preistreibereien gegen-
wärtig thatsächlich wieder im Anzuge zu sein scheinen,
denn der Preis des Petroleums beginnt schon wieder
zu steigen. Es läge daher im öffentlichen Interesse
und^ auch in dem der Regierung, wenn Herr v.
Bötticher kund thäte, wie weit er seinen tröstlichen
Versicherungen die That hat folgen lassen.
Andernfalls empfehlen wir den Herren Jnter-
pellenten von damals, die Sache bei der ersten Be-
ratung des Etats zur Sprache zu bringen.
Tagesfragen.
— Morn Landwirtschaftsrat. Der Ausschuß
des Deutschen Landwirtschaftsrats war am Mittwoch
und Donnerstag unter dem Vorsitz des Landeshaupt-
manns v. Roeder versammelt. Den Ausschuß be-
schäftigten vorzugsweise die Entwürfe der Margarine-,
Zucker- und Börsengesetze. Erwähnt sei auch, daß
der Ausschuß auch über die Nichtberücksichtigung der
Vertretung der ländlichen Bevölkerung bei den
kommissarischen Beratungen über den Entwurf eines
Handelsgesetzbuchs verhandelte und zu dem Beschluß
kam, Vorstellungen bei der Reichsregierung zu er-
heben.
— Wer hat dm Mutzen? Jüngst hatten wir Ge-
legenheit, schreibt die „D. Volksw.", mit einem in der
Wetterau sehr bekannten Juden aus Friedberg gemein-
schaftlich nach Frankfurt zu fahren. Derselbe erzählte
seinen Nachbarn von den großen Massen Aepfeln, die
aus der Normandie, ja sogar aus England nach Würt-
temberg gekommen seien. Ganz in Begeisterung geriet
er bei dieser Schilderung und ries aus: „Wer hätte
das vor 50 Jahren geglaubt, daß wir einen solchen
Verkehr bekommen? Aepfel beziehen wir aus Frank-
reich und England, Frucht aus Rußland und Argen-
tinien, Rindvieh und Pferde aus Amerika, Schweine
aus Ungarn, Schafe aus Australien, Wein aus Italien,
Gerbstoffe aus Süd-Amerika und Flachs aus Rußland!
So was hätte man nicht für möglich gehalten!"' Ja
so was gefällt den Juden, da gibts zu schachern und
zu handeln. Aber der Bauer? fragen wir. Der wird
und muß zu Grunde gehen.

GeLreide-Aranfitlager. Der Zweck, welcher bei
Errichtung der „gemischten Tranfitlager" — man ver-
zeihe die wunderschöne Redewendung, sie ist aber ein-
mal, leider, gang und gäbe — ins Auge gefaßt
worden war, nämlich der Vermittlung des Durchfuhr-
verkehrs zu dienen, ist anfänglich allerdings erreicht
worden. Wurden doch in den ersten vier Jahren
1880—1883 von ausländischem Weizen, Roggen,
Hafer und Gerste nachstehende Mengen auf inländische
Zollniederlagen eingefühlt, bezw. aus denselben nach
dem Ausland und dem Inland abgesetzt (alles in
Tonnen):
Einfuhr zu den Niederlagen Abgang von den Niederlagen
nach d. Inland nach d. Ausland

1880
441324
68701
133773
1881
628835
167271
270055
1882
1025463
329721
549544
1884
1014912
407049
485062

Nun zeigen diese Zahlen zwar, daß der Absatz
aus den in Rede stehenden Niederlagen nach dem In-
land verhältnismäßig zwar stärker zugenommen hat
als der nach dem Auslande; immerhin war aber
letzterer doch stets viel bedeutender als ersterer. Dieses
Bild hat sich aber in diesem Jahrzehnt ganz anders
gestaltet, wie folgende Ziffern erkennen lassen (alles in
Tonnen):
Einfuhr zu den Niederlagen Abgang von den Niederlagen
nach d. Inland nach dem Ausland

1891
1074405
509661
259921
1892
837815
936672
191208
1893
876181
460555
220991
1894
925000
770000
193936

Hieraus geht doch offenbar hervor, daß diese Ge-
treidelager weit eher der Ginfuhr in den freien Ver-
kehr dienen, als dem Durchfuhrverkehr; offenbar
werden sie eben benutzt, um Zollkredite auszunutzen.
Man wird daher die Beschwerden der Landwirtschaft
über die Beiseiteschaffung des eigentlichen Zweckes der
in Rede stehenden Einrichtungen nicht für unbegründet
erachten können und es begreiflich finden, wenn deren
Beseitigung gefordert wird. Eine solche erscheint um-
somehr angezeigt, als seit der Aufhebung des Iden-
titätsnachweises ein Bedürfnis für Getreidetransitlager
schwerlich noch bestehen dürfte; kann jetzt doch der bei
Einfuhr des Getreides entrichtete Zollbetrag bei der
Wiederausfuhr unschwer zurückerlangt werden. (Köln.
Volksztg.)
— Zur Hlelorm des Irrenwesens. In einer
Sitzung hat sich der Ausschuß der Aerztekammern
für Berlin und Brandenburg u. a. auch mit der
Reform des Jrrenwesens beschäftigt und eine Reso-
lution angenommen, in der u. st. größere Berück-
sichtigung der Psychiatrie in den ärztlichen Prüfungen
verlangt, gegen die Ueberfüllung der Irrenanstalten
Stellung genommen und ärztliche Leitung aller Irren-
anstalten gefordert wird. Es heißt da: „alle im Be-
sitze von Privaten oder religiösen Genossenschaften be-
findlichen Anstalten der genannten Art müssen unter
verantwortliche ärzliche Leitung und umer besondere
Aufsicht der Staatsbehörde gestellt werden. Als
leitende und für die Leitung verantwortliche Aerzte
dürfen nur psychiatrisch, theoretisch und praktisch vor-
gebildete Aerzte angestellt werden. Ihre Anstellung
an im Besitz von Privaten oder von religiösen Ge-
nossenschaften befindlichen Anstalten bedarf wie ihre
Dienstanweisung der Genehmigung der Staatsbehörde,
die fernere Annahme einer Stelle an einer nicht unter
ärztlicher Leitung stehenden Anstalt durch einen Arzt
widerstreitet dem öffentlichen Interesse und der Würde
8 des ärztlichen Standes." — Ueber diesen gerecht-
fertigten Forderungen wird der Gesetzgeber aber
keineswegs die andere vergessen dürfen, daß ein
größerer Schutz der Einzelnen gegen mißbräuchliche
Verbringung in Irrenanstalten getroffen werde.
— Die Auswanderung galizischer Mauern.
Der wirtschaftliche Niedergang Galiziens kann durch
nichts deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, als
es eine kurze Drahtnachricht aus Genua thift. Die-
selbe meldet, daß mit den Auswanderungsschiffen vom
28. v. M. und vom 8. Dezember 800 ruthenische
Bauern nach Brasilien gebracht werden. In Genua
schätzt man die Zahl der Auswanderer aus Galizien
im Jahre 1895 aus 8000, saft durchwegs ruthenische
 
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