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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 9 - No. 16 (2. Februar - 27. Februar)
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finden in dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Vslksboten"
öre werteste Verbrertung und kostet die viergespaltene Garmsndzeile
oder seren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Ausnahme wird
bedeuteuder Rabatt gewährt.

Iüv Deutschtum,

Hlhrron urrö Atters.

- ZSestelkunge« "'I
aus den „Badischen Volksboten" können jederzeit bei aklen kaiserl.
Postanstalten, den Briefträgern, sowie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch oie Post bezogen 1 M. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen 1 Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Pf.

Hrgcm der- öeutsch-sozicrt'en Htesorm-Ucl^Lei in Werden und des
WcrdifcHen Wcruerrnbundes.

Heidelberg, den 16. Februar 1863.

6. Jahrs.

L3.

Mit dein 1. Ieöruar
begann sine neue Bestellung auf unsere Zsitunz
zum Preise von ÄT Pfg. für die Monate
MW- JeSrucrv und März. "MI
Wir bitten unsere Ges mungSfreunde, den im Inseraten-
teil befindlichen Bestellzettel zu benutzen. Die bereits
erschienenen Nummern werden auf Wunsch nachgeliefert.

Mrtisemitismus und Manchesterlehre.
Als in den ersten deutschen Antisemiten am Ende
der siebenziger Jahre die Einsicht erwachte, daß die
Juden in unserem ganzen öffentlichen Leben einen
entscheidenden, aber sehr geschickt verschleierten Ein-
fluß auSüluen, da mußten sie an die schwere und bis
heute noch nicht völlig gelöste Aufgabe herantreten,
alle in der Politik, in der Rechtspflege, im Wirt-
schaftsleben geltenden Grundgedanken selbständig zu
prüfen und ganz besonders daraufhin zu untersuchen,
ob sie nicht vom Judentum gefälscht, ja, ganz heim-
lich vielleicht in ihr eigenes Gegenteil umgelogen
worden seien. Neben dem politischen Liberalismus
forder e besonders die herrschende Manchesterlehre die
Antisemiten zur Kritik heraus; denn es ist leider nur
zu klar, daß bei dem angeblichen „freien Spiel der
Kräfte" die brutale Geldmacht und der ehr- und
gewissenlose Schwindel sehr gut gedeihen, die ehrliche
deutsche Arbeit aber verkümmert. Go trat denn der
jugendliche Antisemitismus sehr bald in Gegensatz zum
Manchestertum und begann eine Wirtschastslehre zu
entwickeln, die den produktiven Volksschichten wieder
zu ihrem guten Recht verhelfen soll.
Dabei darf aber nie vergessen werden, daß in
der Manchesterlehre ein guter sittlicher Kern steckt.
Gewiß ist es wünschenswert, unser Erwerbsleben so
einzurichten, daß die Tüchtigen und Fleißigen es
weiter bringen, als die Faulen und Dummen, daß
jeder wirklich hervorragenden Leistung auch ein her-
vorragender Lohn werde. Das ist sogar eine Forder-
ung, die so recht eigentlich herausgeboren ist aus dem
tiefsten, innersten Gewissen unseres arbeitssreudigen
deutschen Volkes, und wenn das Manchestertum wirk-
lich jenen edlen Wettbewerb der besten Kräfte im
Menschen geschaffen hätte, den es immer im Munde
führt, so wäre nichts dagegen einzuwenden. In
Wahrheit sehen wir aber das gerade Gegenteil: nicht
Arbeitsamkeit und Scharfsinn, sondern Geldbesitz gibt
heute den Ausschlag und die Ehrlichkeit wird vom
Schwindel unter die Füße getreten. Es ist eine der
wichtigsten Aufgaben unserer Bewegung, unermüdlich
auf diese ungeheure Lüge hinzuweisen und wirtschaft-
liche Zustände zu schaffen, die wirklich unseren sitt-
lichen Anforderungen entsprechen.
Befähigt dazu ist der Antisemitismus gerade
deshalb, weil er im Juden den Meister, Erfinder und
Verbreiter all jener Lüge und jenes Doppelsinnes er-
kannt hat, der heute überall das öffentliche Leben ver-
giftet. Ja, dieser jüdische Doppelsinn! Er predigt
uns, Nächstenliebe gegen die Juden zu üben, denkt
aber dabei, daß des Juden Nächster natürlich immer
nur der Jude sei; er empfiehlt uns, unser Volkstum
im Weltbürgertum aufgehen zu lassen, behält sich aber
vor, sein Judentum dafür desto fester zu halten, um
dann den Völkerbrei zu beherrschen; er spricht von
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und richtet dabei
in ganz Europa eine Geldherrschaft auf, so brutal,
wie sie die Welt noch nie gesehen hat; er klopft Dir
freundlich auf die Schulter und spricht: Wir glauben
all' an einen Gott, denkt aber dabei nur seinen Gott,
der ihm die ganze Welt zu eigen versprochen hat.
Ebenso spricht er auch vom „freien Spiel der Kräfte",
gestattet uns freundlichst, dabei an jene guten, edlen
Triebe zu denken, die unser Volk zieren, meint aber

seinerseits jene Kräfte, in denen er Meisier ist: Ver-
stellung, Betrug, Schwindel, Wucher.
Daß es wirklich nicht möglich ist, die Verlogen-
heit und Heuchelei der manchesterlichen Wirtschafts-
lehre zu erkennen, wenn man den jüdischen Charakter
noch nicht durchschaut hat, das zeigt die Geschichte
der Sozialdemokratie. Lange vor den Antisemiten
gab es Leute, die mit unserer Wirtschaftsordnung
unzufrieden waren, aus der Unzufriedenheit erwuchs
zunächst ein wissenschaftlicher Sozialismus, später be-
thätigte er sich in der Bildung sozialistischer Parteien,
wir in Deutschland wurden mit den Sozialdemokraten
beglückt. Diese geben auch heute noch keinen Unter-
schied zwischen Deutschen und Juden zu, sie schenken
dem Juden dasselbe Vertrauen, wie dem eigenen Volks-
genossen und deshalb haben sie auch die Manchester-
lehre ernst genommen. Sie erkennen nämlich an, daß
die ganze moderne wirtschaftliche Entwicklung, obgleich
sie unendliches Elend über die Welt gebracht hat, und
obgleich sie selbst gründlich unzufrieden damit sind,
doch durchaus notwendig und nützlich gewesen sei.
Daß uns augenblicklich die Sache etwas unbehaglich
vorkäme, läge nur daran, daß die segensreiche Ent-
wicklung noch nicht abgeschlossen wäre. Wenn es aber
immer so weiter ginge wie jetzt, und zwar möglichst
schnell, wenn jeder kleine Unternehmer von einem grö-
ßeren aufgefressen würde, und dieser von einem noch
größeren, und der wieder von dem allergrößten, näm-
lich dem Staat, oder der Gesellschaft, dann erst
würde der herrliche Endzweck auch dem kurzsichtigen
Zweifler klar werden; denn dann würden wir in
jenes goldene Zeitalter eintreten, wo niemanden mehr
etwas gehörte, oder allen alles, was ja auf dasselbe
heranskommt.
Und damit haben die Sozialdemokraten voll-
ständig recht; wenn man der heutigen manchesterlichen
Wirtschaft ihren Lauf läßt, so kommt man mit Not-
wendigkeit zuletzt beim sozialdemokratischen Zukunfts-
staat an. Dagegen läßt sich weder logisch noch sach-
lich etwas einwenden. Freilich würde bei der öden
Gleichmacherei des Zukunftsstaates der Tüchtige nicht
weiter kommen, als der Dumme, auch könnte der
arbeitsamste Vater seinen Kindern keinen Besitz mehr
hinterlassen, und somit käme ja die Manchesterlehre
in ihren letzten Konsequenzen in Widerspruch mit
mit ihrem eigenen Grundgedanken, nach dem doch ge-
rade den Begabten Raum geschaffen werden soll, in
freiem Wettbewerb ihre Kräfte zu entfalten? Ohne
Zweifel; das ist aber nicht die Schuld der Sozial-
demokraten, sondern liegt nur daran, daß die man-
chesterliche Wirtschaftsordnung schon heute in schreiend-
stem Gegensatz zu ihren angeblichen sittlichen Grund-
lagen steht. Nur darin irren sich die Sozialdemokraten,
daß sie sich haben einreden lassen, die wirtschaftliche
Entwicklung, die wir heute vor Augen haben, sei be-
rechtigt und müsse demnach konsequent weitergeführt
werden.
Hier ist der Punkt, an dem sich die antisemitische
und sozialdemokratische Wirtschaftslehre trennen, ob-
gleich .sie in den Anklagen, die sie gegen die bestehen-
den Zustände erheben, manche Berührungspunkte haben:
die Sozialdemokratie ist nichts anderes, als die folge-
richtige Weiterbildung des Manchestertums, der Anti-
semitismus ist die entschlossene Reaktion dagegen. Er
will das Erwerbsleben des deutschen Volkes nicht den
Manchesterleuten und noch viel weniger den Sozial-
demokraten ausliefern, sondern er will es auf solche
Grundlagen stellen, daß dem einzelnen möglichst die
wirtschaftliche Selbständigkeit gewahrt wird und die
Möglichkeit gegeben ist, sich eine seinen Leistungen
entsprechende Lebensstellung zu erringen. Vor allem
will der Antisemitismus die Freude am Besitz und
das Streben, ihn zu vermehren, unserem Volke er-
halten ; denn er erkennt darin eine der festesten Grund-
lagen des VolksverbandeS. Er hat, mit einem Worte,
die Aufgabe, durch schonungslose Bekämpfung der
manchesterlichen Wirtschaftsordnung eben jenen Grund-

sätzen wieder Geltung zu verschaffen, die die Man-
chesterleute stets uns anderen predigen, während sie
selbst sie mit Füßen treten.
Fürst Bismarck hat einmal gesagt, der Freisinn
sei die Vorfrucht der Sozialdemokratie und das
triff- auch haarscharf zu: denn gerade die Frei-
sinnigen waren die eifrigen Apostel jener heuch-
lerischen Manchesterlehre, welche die Sozialdemo-
kraten so erfolgreich weitergebildet haben. Und wenn
Herr Eugen Richter in seinem schönen Buche von der
Spar-Agnes versucht hat, die sozialdemokratischen
Träume lächerlich zu machen, so ist es dabei dem
„unentwegten" Vorkämpfer des „freien Spiels der
Kräfte" wohl ganz entgangen, daß seine Schrift im
besten Falle nichts gewesen wäre, als eine Retour-
kutsche; denn der sozialdemokratische Zuknnftsstaat ist
ja eben die Parodie der heutigen Manchesterwirtschaft.
Graf Caprivi hat später geglaubt, den BiSmarck'scheu
Ausspruch dahin verbessern zu müssen, daß der Anti-
semitismus die Vorfrucht sei. Danach wäre denn
also die Vorfrucht zwanzig Jahre später als die
Nachfrucht zur Welt gekommen! Warum denn nicht?
Der ganze staatsmännische Tiefsinn dieses Wortes
wird aber erst dann begreiflich, wenn man sich über-
legt, daß gerade die Sozialdemokratie, indem sie dir
Manchesterlehre auf die Spitze trieb, am allermeisten
dazu beigetragen hat, den Zusammenbruch jener und
das Umsichgreifen der antisemitischen Anschauungen
über volkswirtschaftliche Fragen vorzubereiten. Nur
wer die wirtschaftlichen Grundgedanken der Bewegung
vollständig erfaßt und sich zu eigen gemacht hat, wird
segensreich in ihr wirken können; jede Abweichung
führt auf Irrwege bedenklichster Art. Wir werden
demnächst Gelegenheit nehmen, dies an thatsächlichen
Vorgängen nachzuweisen. (Staatsb.-Ztg.)
Tagesfragen.
* Wsrtrag des Kaiser» in der wikitiirische« Ge-
sellschaft. Am Freitag Abend versammelten sich in der
Aula der Kriegsakademie die gesamte Generalität und
ein erheblicher Teil des Offizierkorps von Berlin und
Potsdam, um einen Vortrag des Kaisers anzuhöre».
Als die Geladenen in dem mächtigen Gebäude an der
Ecke der Dorotheen- und Neuen Wilhelmstr. eintrafen^
erfuhren sie, daß Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen Hein-
rich schon längst anwesend sei; der Monarch war mit
seinem Bruder im Ausstellungspark gewesen und kam
plötzlich im Schlitten um 5^4 Uhr in der Kriegsaka-
demie an, um noch einige Vorbereitungen zu seinem
Vortrag zu treffen. Zu dem Vortrag sanden sich die
Generale und Offiziere in dem Saale ein und füllten
denselben schließlich bis auf den letzten Platz. Anwesend
waren außer dem Vorsteher der militärischen Gesellschaft
General der Infanterie v. Keßler, der Kriegsminister
v. Bronsart, die Admirale von der Goltz und Karcher,
der Chef des Generalstabes Graf von Schlieffen, die
kommandierenden Generale des Garde- und des Z.
Armeekorps von Winterfeldt und Prinz Friedrich von
Hohenzollern, die Kavallerie-Inspekteure v. Krosigk und
v. Rosenberg, der Chef des Jngenieurkorps Golz, der
Generalinspekteur der Fußartillerie v. d. Planitz, Fürst
Anton Radziwill u. A. m. Der Kaiser zeigte, als er
pünktlich um 7 Uhr seine Rede begann, in seinem sorg-
sam vorbereiteten Vortrage über das Thema: „Die Not-
wendigkeit des Zusammenwirkens von Heer und Flotte
mit Berücksichtigung des chinesisch-japanischen Krieges",
wie aufmerksam er die eingegangenen fachmännischen
Berichte vom dortigen Kriegsschauplätze studirt und welche
Lehren er aus den dortigen Vorgängen für Deutschland
gezogen hatte. In der bei militärischen Vorträgen
üblichen Weise unterstützte er seine Worte durch Hin-
weis auf die vorhandenen Karten. Der oberste Kriegs-
herr kam dabei Zu dem Schluß, daß in allen modernen
Kriegen eine Unterstützung des Heeres durch eine starke
und gut ausgebildete Marine durchaus notwendig sei,
und daß die neuesten Seeschlachten wiederum die hohe
Bedeutung der Panzerschiffe im Kampfe gegen die beft-
 
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