Anserale —
finden in dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Bolksvotcu"
die weiteste Verbreitung und kostet die niergespaltene Garmoudzeile
oder deren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Aufnahme wird
bedeutender Rabatt gewahrt.
Iüv Derrtschtrrrrr
ZsesteDrilgen —.
auf den „Badischen Volksboteu" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstallen, den Landbrissträgera, sowie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch die Post bezogen 1 M. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen 1 Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Ps.
Kl)von rrne> Wl'icrv.
Hvgcrn dev berrLsch-fozicrten Wefo vnr -WcrvLer in Werben unb bes
Wcrdifchen Wernevnbunbes.
dk 31. Heidelberg, den 24. April 1805.
----- .------- -, .
6. Jahrg.
Für 67 Pfg.
abonnirt man für die Monate Mai und Juni bei allen
Postanftalten auf deu
„Badischen Volksboten"
Organ der deutsch-sozialen Reformpartei in Baden
und des Badischen Bauernbundes.
Bestellungen für Heidelberg werden jederzeit bei
unserer Geschäftsstelle — Hirschstraße 13 — entgegen-
genommen und die bereits erschienenen Nummern auf
Wuusch kostenfrei zugestellt.
Ueber den Zweikampf nnd feine Folgen.
Der berechtigstes Aussehen erregende Fall Kotze in
Berlin stellt zur Zeit Erörterungen über den Zwei-
kampf und seine Folgen wieder in den Vordergrund.
Bezüglich des Zweikampfes besteht zwischen der Ge-
setzgebung und der Volksanschauung ein Zwiespalt, wel-
cher nicht auszugleichen ist. Die erstere verdammt den
Zweikampf und bedroht ihn mit Strafe, die letztere er-
kennt in ihm unter gewissen Voraussetzungen das ein-
zige Mittel einer Ehrenrettung. Diesen Widerspruch
zwischen Gesetz und Volksanschauung werden, wie die
Verhältnisse zur Zeit liegen, selbst die strengsten auf
deu Zeikampf gesetzten Strafen nicht ausgleuhen, im
einzelnen Falle wird Jeder sagen: „Mir steht die Ehre
höher, als das geschriebene Gesetz!" Ueber die innere
Berechtigung oder Nichtberechtigung dieses Satzes lä ßt
sich Vieles xro und contra ins Feld führen, das End-
resultat wird aber immer ein unausgeglichener Zwie-
spalt bleiben. Nur ein Mittel gibt es, diesen Zwie-
spalt aufzuheben, und dies ist das landesherrliche Be-
gnadigungsrecht. Das Recht der Begnadigung ist einer
der wertvollsten Edelsteine in der Krone eines Fürsten,
es ist unveräußerliches Vorrecht der Herrschergewalt und
die Ausübung desselben einer Kritik unterziehen zu
wollen, erscheint in einem konstitutionellen Staate als
unstatthaft. Ein Anderes aber ist es zu vergleichen, in
welcher Weise das Begnadigungsrecht bei Verurteil-
ungen wegen Zweikampfes in deu verschiedenen deut-
schen Bundesstaaten ausgeübt wird. Auch in diesem
Punkte sind wir leider noch weit von der gerühmten
deutschen Einheit entfernt und es tritt die größte Ver-
schiedenheit zr Tage. Der weitgehendste Gebrauch von
dem Begnadigungsrechte bei Verurteilungen wegen Zwei-
kampfes wird im Königreich Preußen gemacht. In
Ehrensachen, welche nicht im Dienstverhältnisse entstan-
den sind, erfolgt, wenn nicht ein grobes Selbstverschul-
den vorliegt, die Begnadigung in der Regel sehr rasch,
entweder sofort, oder ganz kurz nach dem Strafantritt
des Verurteilten. Sehr selten dagegen erfolgen Begna-
digungen wegen Duellvergehen im Großherzogtum Ba-
den und selbst in Fällen, in welchen sogar nach der
Anschauung des Staatsanwalts der Zweikampf nicht
gut zu vermeiden war, wurde Begnadigung nicht ge-
währt. Daß der Einzelne unter dieser Ungleichanig-
keit oft leiden muß, wenn auch ein Recht auf Gnade
an sich nicht besteht, ist einleuchtend und häufig richten
sich die Folgen eines Zweikampfes nicht nach der That
selbst, sondern nach dem Orte, an dem sie verübt wor-
den ist. Demjenigen, welcher in die Zwangslage ver-
setzt ist, einen Zweikampf bestehen zu müssen, kann man
nur raten, ihn außerhalb der Grenzen des Großher-
zogtums Baden zu bestehen, will er nicht alle schweren
Folgen der Sache auf sich nehmen. Es ist ja möglich,
daß man in Baden durch das in der Regel eintretende
Versagen der Begnadigung bei Verurteilungen wegen
Zweikampfs dem geschriebenen Gesetz Ansehen verschaffen
will, allein es widerspricht doch dem berechtigten Rechts-
gefühle des Volkes dieselbe That in ihren Folgen ver-
schieden beurtheilt zu sehen, je nachdem sie z. B. aus
preußischem oder badischem Gebiete verübt worden ist,
während doch für beide Staaten dasselbe Strafgesetz
gilt. -
Ein Mißstand in Duellangelegenheiteu sollte aber-
unter allen Umständen beseitigt werden. Der Zweikampf
ist nach unseren Gesehen von Amtswegen zu verfolgen.
Wie oft lesen wir aber von Herausforderungen und
Duellen, welche ganz offenkundig Gegenstand der Er-
örterungen in den Zeitungen bilden und dennoch schrei-
tet die Staatsanwaltschaft gegen die Schuldigen nicht
ein, während in andern Fällen sie mit ihrem Straf-
antrag flink bei der Hand ist. Diese Ungleichheit vor-
dem Gesetz müßte unter allen Umständen beseitigt wer-
den, denn sie verletzt das Rechtsbewußtsein!
Wie erlangen wir gesunde Menschen
nnd gesunde Zustände?
Aus der Schrift „Zwei Grundübel".
Wichtiger als Krankheits-Heilung und Verbrechers-
Bestrafung ist Krankheits- und Verbrechens-Verhüt-
ung. Man muß dein Volke vor allem die Möglichkeit
schaffen, gesund zu bleiben — gesund an Leib und
Seele; das kann es heute nicht, wo ihm der Boden
und damit auch Luft und Licht abgeschnitteu ist . . .
* *
*
Es drücken das Volk viel gewaltigere Steuern,
als es selber weiß. Die Abgaben an Staat und Ge-
meinde sind gering im Vergleich zu den „unbewußten
Steuern", die wir seither duldig trugen. Was ist
denn Miethzins, Hypothekenzins, Schuldzins anderes
als eine Art Steuer? — ein Tribut, deu wir jahr-
aus jahrein an einen mächtigen Oberherrn entrichten:
an das Leih-Kapital — an den internationalen Kapi-
talismus!
-i- *
*
76 Milliarden Grundschulden lasten auf dein
deutschen Grundbesitz und fordern eine jährliche Zins-
abgabe von 3 Milliarden — das sind 3000 Millionen.
— Eine halbe französische Kriegsschuld muß das
deutsche Volk alljährlich aufbringen, um nur auf
seiuem vaterländischen Boden wohnen und arbeiten zu
dürfen . . .
-ft -ft
Diese ungeheure Zinslast ist es, die unser Volk
zu Boden drückt und hemmend und erschwerend auf
all' unserem Thun und Streben liegt. Da alle hier
erforderten Werte nur durch Arbeit geschaffen werden
können, so ist es in letzter Linie immer wieder der
Produzent, der diese ungeheuren Lasten erschwingen
muß. Kurz: Diese Abgaben an das, zum großen
Teil internatioriale Leih-Kapital bilden eine ungeheure
Belästigung der nationalen Produktion; — sie be-
deuten bei 10 Millionen erwerbstätigen Männern im
Reiche eine jährliche Steuer von 300 Mk. ans jede
arbeitende Person.
* -ft
-ft
Unstreitig braucht Alles, was bestehen und sich
gesund entwickeln soll, in erster Linie Raum, Luft und
Licht. Unstreitig ist durch die bestehende Bodenver-
pfändung und ungeheure Abgabenbelastung desselben
(teure Mieten usw.) der Nation der Raum verengt und
ihrer leiblichen wie wirtschaftlichen Entwickelung eine
furchtbare Fessel auferlegt; sicher würde durch Be-
freiung von dieser Fessel das Volk sich in allerlei
Hinsicht gesunder und kraftvoller entfalten können.
* *
Das „Recht auf Arbeit" kann Richt erfüllt wer-
den, so lange dem Volke der Weg zur größten nnd
wichtigsten Werkstatt, der Goltesnatur, versperrt ist.
H -ft
*
Wohnungsnot würde auf einem vom Boden-
wucher und Verschuldungszwang befreiten Grunde un-
bekannt sein. Worin besteht denn die Wohnungsnot
heute? Doch nicht darin, daß es zu wenig Wohn-
ungen giebt, sondern, daß so viele Menschen die hohen
Mietpreise nicht erschwingen können! In allen Groß-
städten stehen jahraus jahrein tausende von Wohnungen
leer, weil sie den Bevölkerungsklassen, für die sie be-
rechnet waren, zu teuer sind. In engen, winkeligen
Gassen, in lüft- und lichtlosen Hinterhäusern drängt
— oer billigen Mieten wegen — die Bevölkerung zu-
sammen, und nicht weit davon entfernt stehen die
neuen, luftigen, sonnigen und geräumigen Häuser leer.
Das ist die Vernunft der heutigen Wirtschaftsweise,
der Bau- und Bodenspekulation, — das ist die „Hy-
pothekenvernunft"..
-ft -ft
Die Hausbesitzer sind allerdings nicht der be-
neidenswerte Teil; sie sind nicht nur die Hausknechte
der Mieter, sondern auch die Ziusknechte der Hypo-
thekeninhaber. An dem Haufe gehört ihnen oft weiter
nichts als der Titel „Besitzer" und vielleicht eine teil-
weise Freiwohnung. Dafür haben sie aber die ganze
Sorge und Instandhaltung des Grundstückes, und
wenn ihnen einmal einige Wohnungen leer stehen
bleiben, so tragen sie allein den Schaden, denn der
Hypothekeninhaber fordert unerbittlich seinen Zins.
Den Hausbesitzern muß also fast noch mehr an einer
Aenderung dieser Zustände gelegen sein, als den
Mietern! Gerade sie sollen durch die Bodenrechts-
reform von der Bagnokugel der doppelten Sklaverei
befreit werden.
* -ft
---
Auf Allem, was wir erzeugen, aus Allem, was
wir verbrauchen, lastet die verteuernde Quote der un-
geheuren Miets-Abgabe, der Schlagschatten desHypo-
theken-Zinses, jene unbewußte Abgaben-Last, die unser
Volk alljährlich zur Ausbringung einer ganzen Kriegs-
Schuld zwingt. Würde unser Land in jedem Jahr von
einem feindlichen Heere überzogen und in gewaltige
Kriegs-Contribution genommen: der Schaden könnte
kein größerer sein, als ihn die Hypotheken-Plage an-
richtet. Der internationale Kapitalismus ist der feind-
liche Zwingherr, der uns zu Boden drückt und aus-
preßt bis aufs Blut. Wohl starrt die Nation in Wehr
und Waffen, gerüstet gegen den äußeren Feind, der mit
dem ehrlichen Schwerte droht, aber gegen den schlei-
chenden Feind, der sie wirtschaftlich vernichtet, ihr den
Boden unter den Füßen hinwegzieht, hat sie noch kei-
nen Schild zu schmieden gewußt.
*
.Wir haben gesehen, daß die Schädlich-
keit des Privat-Bodenbesitzes erst darin zum Ausdruck
kommt, daß dieses uneingeschränkte Besitzrecht von
dem Leihkapital gemißbraucht wird. Wir sagten, der
private Grundbesitz sei zu einer Coulisse geworden, hin-
ter der sich die wucherische Thäligkeit des Leihkapitals
in der wirksamsten Weise verberge. Also nicht eigent-
lich der private Bodenbesitz ist es, der uns schädigt,
sondern das Kapital, das sich diesen Boden tributpflich-
tig macht. Will man also das Uebel im Kern treffen,
so muß man das ewig zinsensaugende Kapital treffen!
Und wir wollen nur deshalb das Bodenbesitz-Recht
unter staatliche Obhut gestellt sehen, um dem Kapital
eine der ausgiebigsten und verborgensten Wucher-Ge-
legenheiten zu entziehen.
* *
*
Hinwiederum ist es nicht das Kapital an sich, das
diese Zustände schafft, sondern das Gesetz, das Recht,
das falsche römische Eigenthums-, Erb-, Beleihungs-
und Wucher-Recht. Das römische Recht ist ausschließ-
lich ein Kapitalrecht; nicht die Menschen sind ihm die
Hauptsache, sondern die Besitzthümer, die Vermögen.
Der Mensch gilt ihm nur als Anhängsel, als Vertre-
ter seines Kapitals; und wer nicht durch Besitz legiti-
mirt ist, der hat kaum ein Daseinsrecht.
-ft
* -ft
.Der moderne Jurist nach römischer
Schablone fühlt sich gern als ein außerhalb der gemei-
nen Welt stehendes höheres Sonderwesen, das keine
Pflicht und kein Mitgefühl gegen diese Well und iHv
Gedeihen kennt. Er lebt in einer Buchstabenwelt ab-
strakten Rechts, und er hält die Weisheit seines geschrie-
benen Gesetzes, gleich der Mathematik, sür eine höhere
Wahrheit, die auch noch bestehen würde, wenn die Welt
verginge. -- Das ist Wahnwitz! Hier sollte öfter als
finden in dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Bolksvotcu"
die weiteste Verbreitung und kostet die niergespaltene Garmoudzeile
oder deren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Aufnahme wird
bedeutender Rabatt gewahrt.
Iüv Derrtschtrrrrr
ZsesteDrilgen —.
auf den „Badischen Volksboteu" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstallen, den Landbrissträgera, sowie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch die Post bezogen 1 M. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen 1 Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Ps.
Kl)von rrne> Wl'icrv.
Hvgcrn dev berrLsch-fozicrten Wefo vnr -WcrvLer in Werben unb bes
Wcrdifchen Wernevnbunbes.
dk 31. Heidelberg, den 24. April 1805.
----- .------- -, .
6. Jahrg.
Für 67 Pfg.
abonnirt man für die Monate Mai und Juni bei allen
Postanftalten auf deu
„Badischen Volksboten"
Organ der deutsch-sozialen Reformpartei in Baden
und des Badischen Bauernbundes.
Bestellungen für Heidelberg werden jederzeit bei
unserer Geschäftsstelle — Hirschstraße 13 — entgegen-
genommen und die bereits erschienenen Nummern auf
Wuusch kostenfrei zugestellt.
Ueber den Zweikampf nnd feine Folgen.
Der berechtigstes Aussehen erregende Fall Kotze in
Berlin stellt zur Zeit Erörterungen über den Zwei-
kampf und seine Folgen wieder in den Vordergrund.
Bezüglich des Zweikampfes besteht zwischen der Ge-
setzgebung und der Volksanschauung ein Zwiespalt, wel-
cher nicht auszugleichen ist. Die erstere verdammt den
Zweikampf und bedroht ihn mit Strafe, die letztere er-
kennt in ihm unter gewissen Voraussetzungen das ein-
zige Mittel einer Ehrenrettung. Diesen Widerspruch
zwischen Gesetz und Volksanschauung werden, wie die
Verhältnisse zur Zeit liegen, selbst die strengsten auf
deu Zeikampf gesetzten Strafen nicht ausgleuhen, im
einzelnen Falle wird Jeder sagen: „Mir steht die Ehre
höher, als das geschriebene Gesetz!" Ueber die innere
Berechtigung oder Nichtberechtigung dieses Satzes lä ßt
sich Vieles xro und contra ins Feld führen, das End-
resultat wird aber immer ein unausgeglichener Zwie-
spalt bleiben. Nur ein Mittel gibt es, diesen Zwie-
spalt aufzuheben, und dies ist das landesherrliche Be-
gnadigungsrecht. Das Recht der Begnadigung ist einer
der wertvollsten Edelsteine in der Krone eines Fürsten,
es ist unveräußerliches Vorrecht der Herrschergewalt und
die Ausübung desselben einer Kritik unterziehen zu
wollen, erscheint in einem konstitutionellen Staate als
unstatthaft. Ein Anderes aber ist es zu vergleichen, in
welcher Weise das Begnadigungsrecht bei Verurteil-
ungen wegen Zweikampfes in deu verschiedenen deut-
schen Bundesstaaten ausgeübt wird. Auch in diesem
Punkte sind wir leider noch weit von der gerühmten
deutschen Einheit entfernt und es tritt die größte Ver-
schiedenheit zr Tage. Der weitgehendste Gebrauch von
dem Begnadigungsrechte bei Verurteilungen wegen Zwei-
kampfes wird im Königreich Preußen gemacht. In
Ehrensachen, welche nicht im Dienstverhältnisse entstan-
den sind, erfolgt, wenn nicht ein grobes Selbstverschul-
den vorliegt, die Begnadigung in der Regel sehr rasch,
entweder sofort, oder ganz kurz nach dem Strafantritt
des Verurteilten. Sehr selten dagegen erfolgen Begna-
digungen wegen Duellvergehen im Großherzogtum Ba-
den und selbst in Fällen, in welchen sogar nach der
Anschauung des Staatsanwalts der Zweikampf nicht
gut zu vermeiden war, wurde Begnadigung nicht ge-
währt. Daß der Einzelne unter dieser Ungleichanig-
keit oft leiden muß, wenn auch ein Recht auf Gnade
an sich nicht besteht, ist einleuchtend und häufig richten
sich die Folgen eines Zweikampfes nicht nach der That
selbst, sondern nach dem Orte, an dem sie verübt wor-
den ist. Demjenigen, welcher in die Zwangslage ver-
setzt ist, einen Zweikampf bestehen zu müssen, kann man
nur raten, ihn außerhalb der Grenzen des Großher-
zogtums Baden zu bestehen, will er nicht alle schweren
Folgen der Sache auf sich nehmen. Es ist ja möglich,
daß man in Baden durch das in der Regel eintretende
Versagen der Begnadigung bei Verurteilungen wegen
Zweikampfs dem geschriebenen Gesetz Ansehen verschaffen
will, allein es widerspricht doch dem berechtigten Rechts-
gefühle des Volkes dieselbe That in ihren Folgen ver-
schieden beurtheilt zu sehen, je nachdem sie z. B. aus
preußischem oder badischem Gebiete verübt worden ist,
während doch für beide Staaten dasselbe Strafgesetz
gilt. -
Ein Mißstand in Duellangelegenheiteu sollte aber-
unter allen Umständen beseitigt werden. Der Zweikampf
ist nach unseren Gesehen von Amtswegen zu verfolgen.
Wie oft lesen wir aber von Herausforderungen und
Duellen, welche ganz offenkundig Gegenstand der Er-
örterungen in den Zeitungen bilden und dennoch schrei-
tet die Staatsanwaltschaft gegen die Schuldigen nicht
ein, während in andern Fällen sie mit ihrem Straf-
antrag flink bei der Hand ist. Diese Ungleichheit vor-
dem Gesetz müßte unter allen Umständen beseitigt wer-
den, denn sie verletzt das Rechtsbewußtsein!
Wie erlangen wir gesunde Menschen
nnd gesunde Zustände?
Aus der Schrift „Zwei Grundübel".
Wichtiger als Krankheits-Heilung und Verbrechers-
Bestrafung ist Krankheits- und Verbrechens-Verhüt-
ung. Man muß dein Volke vor allem die Möglichkeit
schaffen, gesund zu bleiben — gesund an Leib und
Seele; das kann es heute nicht, wo ihm der Boden
und damit auch Luft und Licht abgeschnitteu ist . . .
* *
*
Es drücken das Volk viel gewaltigere Steuern,
als es selber weiß. Die Abgaben an Staat und Ge-
meinde sind gering im Vergleich zu den „unbewußten
Steuern", die wir seither duldig trugen. Was ist
denn Miethzins, Hypothekenzins, Schuldzins anderes
als eine Art Steuer? — ein Tribut, deu wir jahr-
aus jahrein an einen mächtigen Oberherrn entrichten:
an das Leih-Kapital — an den internationalen Kapi-
talismus!
-i- *
*
76 Milliarden Grundschulden lasten auf dein
deutschen Grundbesitz und fordern eine jährliche Zins-
abgabe von 3 Milliarden — das sind 3000 Millionen.
— Eine halbe französische Kriegsschuld muß das
deutsche Volk alljährlich aufbringen, um nur auf
seiuem vaterländischen Boden wohnen und arbeiten zu
dürfen . . .
-ft -ft
Diese ungeheure Zinslast ist es, die unser Volk
zu Boden drückt und hemmend und erschwerend auf
all' unserem Thun und Streben liegt. Da alle hier
erforderten Werte nur durch Arbeit geschaffen werden
können, so ist es in letzter Linie immer wieder der
Produzent, der diese ungeheuren Lasten erschwingen
muß. Kurz: Diese Abgaben an das, zum großen
Teil internatioriale Leih-Kapital bilden eine ungeheure
Belästigung der nationalen Produktion; — sie be-
deuten bei 10 Millionen erwerbstätigen Männern im
Reiche eine jährliche Steuer von 300 Mk. ans jede
arbeitende Person.
* -ft
-ft
Unstreitig braucht Alles, was bestehen und sich
gesund entwickeln soll, in erster Linie Raum, Luft und
Licht. Unstreitig ist durch die bestehende Bodenver-
pfändung und ungeheure Abgabenbelastung desselben
(teure Mieten usw.) der Nation der Raum verengt und
ihrer leiblichen wie wirtschaftlichen Entwickelung eine
furchtbare Fessel auferlegt; sicher würde durch Be-
freiung von dieser Fessel das Volk sich in allerlei
Hinsicht gesunder und kraftvoller entfalten können.
* *
Das „Recht auf Arbeit" kann Richt erfüllt wer-
den, so lange dem Volke der Weg zur größten nnd
wichtigsten Werkstatt, der Goltesnatur, versperrt ist.
H -ft
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Wohnungsnot würde auf einem vom Boden-
wucher und Verschuldungszwang befreiten Grunde un-
bekannt sein. Worin besteht denn die Wohnungsnot
heute? Doch nicht darin, daß es zu wenig Wohn-
ungen giebt, sondern, daß so viele Menschen die hohen
Mietpreise nicht erschwingen können! In allen Groß-
städten stehen jahraus jahrein tausende von Wohnungen
leer, weil sie den Bevölkerungsklassen, für die sie be-
rechnet waren, zu teuer sind. In engen, winkeligen
Gassen, in lüft- und lichtlosen Hinterhäusern drängt
— oer billigen Mieten wegen — die Bevölkerung zu-
sammen, und nicht weit davon entfernt stehen die
neuen, luftigen, sonnigen und geräumigen Häuser leer.
Das ist die Vernunft der heutigen Wirtschaftsweise,
der Bau- und Bodenspekulation, — das ist die „Hy-
pothekenvernunft"..
-ft -ft
Die Hausbesitzer sind allerdings nicht der be-
neidenswerte Teil; sie sind nicht nur die Hausknechte
der Mieter, sondern auch die Ziusknechte der Hypo-
thekeninhaber. An dem Haufe gehört ihnen oft weiter
nichts als der Titel „Besitzer" und vielleicht eine teil-
weise Freiwohnung. Dafür haben sie aber die ganze
Sorge und Instandhaltung des Grundstückes, und
wenn ihnen einmal einige Wohnungen leer stehen
bleiben, so tragen sie allein den Schaden, denn der
Hypothekeninhaber fordert unerbittlich seinen Zins.
Den Hausbesitzern muß also fast noch mehr an einer
Aenderung dieser Zustände gelegen sein, als den
Mietern! Gerade sie sollen durch die Bodenrechts-
reform von der Bagnokugel der doppelten Sklaverei
befreit werden.
* -ft
---
Auf Allem, was wir erzeugen, aus Allem, was
wir verbrauchen, lastet die verteuernde Quote der un-
geheuren Miets-Abgabe, der Schlagschatten desHypo-
theken-Zinses, jene unbewußte Abgaben-Last, die unser
Volk alljährlich zur Ausbringung einer ganzen Kriegs-
Schuld zwingt. Würde unser Land in jedem Jahr von
einem feindlichen Heere überzogen und in gewaltige
Kriegs-Contribution genommen: der Schaden könnte
kein größerer sein, als ihn die Hypotheken-Plage an-
richtet. Der internationale Kapitalismus ist der feind-
liche Zwingherr, der uns zu Boden drückt und aus-
preßt bis aufs Blut. Wohl starrt die Nation in Wehr
und Waffen, gerüstet gegen den äußeren Feind, der mit
dem ehrlichen Schwerte droht, aber gegen den schlei-
chenden Feind, der sie wirtschaftlich vernichtet, ihr den
Boden unter den Füßen hinwegzieht, hat sie noch kei-
nen Schild zu schmieden gewußt.
*
.Wir haben gesehen, daß die Schädlich-
keit des Privat-Bodenbesitzes erst darin zum Ausdruck
kommt, daß dieses uneingeschränkte Besitzrecht von
dem Leihkapital gemißbraucht wird. Wir sagten, der
private Grundbesitz sei zu einer Coulisse geworden, hin-
ter der sich die wucherische Thäligkeit des Leihkapitals
in der wirksamsten Weise verberge. Also nicht eigent-
lich der private Bodenbesitz ist es, der uns schädigt,
sondern das Kapital, das sich diesen Boden tributpflich-
tig macht. Will man also das Uebel im Kern treffen,
so muß man das ewig zinsensaugende Kapital treffen!
Und wir wollen nur deshalb das Bodenbesitz-Recht
unter staatliche Obhut gestellt sehen, um dem Kapital
eine der ausgiebigsten und verborgensten Wucher-Ge-
legenheiten zu entziehen.
* *
*
Hinwiederum ist es nicht das Kapital an sich, das
diese Zustände schafft, sondern das Gesetz, das Recht,
das falsche römische Eigenthums-, Erb-, Beleihungs-
und Wucher-Recht. Das römische Recht ist ausschließ-
lich ein Kapitalrecht; nicht die Menschen sind ihm die
Hauptsache, sondern die Besitzthümer, die Vermögen.
Der Mensch gilt ihm nur als Anhängsel, als Vertre-
ter seines Kapitals; und wer nicht durch Besitz legiti-
mirt ist, der hat kaum ein Daseinsrecht.
-ft
* -ft
.Der moderne Jurist nach römischer
Schablone fühlt sich gern als ein außerhalb der gemei-
nen Welt stehendes höheres Sonderwesen, das keine
Pflicht und kein Mitgefühl gegen diese Well und iHv
Gedeihen kennt. Er lebt in einer Buchstabenwelt ab-
strakten Rechts, und er hält die Weisheit seines geschrie-
benen Gesetzes, gleich der Mathematik, sür eine höhere
Wahrheit, die auch noch bestehen würde, wenn die Welt
verginge. -- Das ist Wahnwitz! Hier sollte öfter als