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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 33 - No. 41 (1. Mai - 29. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42838#0145
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—ZSesteL««gen ..
auf den „Badischen Volksboten" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstalten, den Landbriesträgern, sowie unseren Agenturen gemachl
werden. — Preis vierteljährlich durch die Post bezogen 1 M. 28 Pf.,
bei unseren Agenturen I Mk., bei der Expedition abgeholr 80 Pf.

Jirrr Derrischtrrrn,

Inserate —-
finden in dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Volksbvten"
die iveiteste Verbreitung und kostet die viergespaltene Garmondzeile
oder deren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Ausnahme wird
bedeutender Rabatt gewährt.

Arrgcrn der deutfch-sozicrsen Weforrn -Mcrvtei in Melden und des
Mudischen Muuernöundes.

37.

Heidelberg, den 13. Mai 18V3.

6. Jahrg.


IM" Bestellungen
auf den


„Badischen Volksbvten"
Organ der deutsch-sozialen Reformpartei in Baden
und des Badischen Bauernbundes
kommen jederzeit bei den Postanstalten, den Landbrief-
trägern, unseren Agenten, sowie für Heidelberg
bei unserer Geschäftsstelle — Hirschstraße 13 — oder
unserm Austräger gemacht werden.

Erklärung des Abg Zimmermann bei
der Beratung der Umsturzvorlage.
„Bei der vorgerückten Zeit will ich mich sehr kurz
fassen. Namens meiner politischen Freunde kann ich
erklären, daß wir nicht in der Lage sind, der Regier-
ungsvorlage in der Kommissionsfassung unsere Zustimm-
ung zu geben. Mit Ausnahme der sogenannten Militär-
paragraphen glaubön wir, daß auch bei einer weiteren
Erörterung wenig Ersprießliches herauskommen wird.
Wir stehen aus dem Standpunkt, daß der Inhalt der
Vorlage durchaus nicht geeignet ist, die Gefahren wirk-
lich zu bekänipsen, welche angeblich als Zweck der Vor-
lage vorgeschoben worden sind. Wir teilen die Ansicht,
die hier der Herr Reichskanzler zum Ausdruck gebracht
hat, daß nämlich große geistige Kämpfe nicht mit
Strafparagraphen ausgefochten werden können, und wir
wären von dieser Ansicht aus keineswegs davon über-
rascht gewesen, wenn daran seitens der Reichsregier-
ung die Erklärung geknüpft worden wäre, man sehe
infolgedessen sich zur Zurückziehung der Vorlage ver-
anlaßt. Ueberraschender Weise stellte sich bei den heu-
tigen Erörterungen heraus, daß niemand die Verant-
wortung für diese Vorlage übernehmen wollte, und daß
eine Partei nach der anderen ablehnte, jemals Freund
dieser Umsturzvorlage gewesen zu sein. Am meisten hat
es mich überrascht, aus dem Munde des Herrn von
Manteuffel zu hören, daß seine Freunde niemals Freunde
der Umsturzvorlage gewesen seien, denn dann möchte
ich wissen, wer ist es denn überhaupt gewesen? Aus
welchem Lager sind denn überhaupt Petitionen und
Forderungen gekommen, daß man derartige Strafbe-
stimmungen einführen solle. Sie sind gekommen aus den
Reihen der Nalionalliberalen (sehr richtig!), sie sind
aber ebenso gekommen von der großen Partei der Kon-
servativen im Königreich Sachsen, die die Petitionen
durch die Gemeindevorstände von Ort zu Ort verbrei-
tet und überall Unterschriften für ein sogenanntes Um-
sturzgesetz gesammelt hat, und ich glaube, daß dieseWeise
der Agitation, um mit den Worten des Freiherrn v.
Manteuffel mich auszudrücken, „an den allerungeeignet-
sten Orten und Stellen" zur Anwendung gelangt ist".
Was den § 111 anlangt, so will ich in Kürze er-
klären, ohne weiter Ms die einzelnen Delikte einzu-
gehen, daß wir ihn in der Kommissionssassung nicht
annehmen können; noch weniger annehmbar ist uns der
Antrag v. Levetzow. Allenfalls annehmbar erscheint uns
der Antrag Parth für den Fall, daß überhaupt etwas
zu Stande kommt, aber gegen den ganzen Paragraphen
werden wir unsererseits Stellung nehmen.
Wir befinden uns in diesem Falle also in Ueber-
einstimmung mit der äußersten Linken. Das betrifft
allerdings nur die Verwerfung jener Bestimmungen,
mit denen man gegenwärtig den Versuch macht, Dinge
zu schützen, die mit solchen Mitteln nicht zu schützen
sind. Und ich will nicht versäumen, gegenüber verschie-
denen Andeutungen auch das eine zu betonen, daß wir
unsererseits auch nicht für ein sogenanntes Ausnahme-
gesetz zu haben wären. Wir meinen, daß diese Kämpfe
auf dem Boden der Oeffentlichkeit und im ernsten
Ringen der gegenüberstehenden Weltanschauungen aus-
gefochten werden müssen. (Beifall.) Der Abg. Auer
fühlte sich veranlaßt, am Schluffe seiner Ausführungen
mit aller Entschiedenheit zu betonen, daß trotz allem die

Sozialdemokratie mit dieser Welt fertig werden würde.
Ich stimme mit dem Abg. Auer darin überein, daß
ich vielen Urteilen unserer Gerichte und vielen bestehen-
den Rechtszuständen gegenüber mich sehr skeptisch ver-
halte. Ich sehe gerade in vielen Mißgriffen in unse-
rem Rechtsleben vielfach die Ursache für das Umsich-
greifen der Sozialdemokratie. Ich erwiderte ihm aber
im klebrigen, auch wir Antisemiten und Sozialreformer
hoffen, mit Ihnen, d. h. mit der sozialdemokratischen
Bewegung, fertig zu werden (Lachen bei den Sozial-
demokraten), und wir haben feinen guten Bundesge-
nossen in Ihren eigenen Reihen. Sie haben unter sich
Leute, die alles untergraben und umgestürzt haben, wo
sie existirten, Leute, gegen die sich vor allen Dingen
ein Gesetz in Deutschland richten müßte, wenn man
wirklich die bestehende Ordnung, Sitte und Religion in
Deutschland schützen wollte. Sie haben in Ihren Reihen
nämlich die lieben Mitbürger jüdischer Konfession.
(Große Heiterkeit.) Sie werden von diesen Ihren werten
Mitgliedern und Mitarbeitern das erleben, daß sie Ihre
eigene Partei zersetzen, wozu ja schon der Anfang bei
Ihnen gemacht ist. Wir hoffen, daß auf dem Boden
positiver Sozialreformen weit eher ein Erfolg zu er-
ringen sein wird, als aus Grund dieser Strafparagraphen,
die nur zum Unglück vieler Existenzen dienen. Wir
werden uns nun durchaus ablehnend zu diesem Para-
graphen verhalten. (Beifall.)
Born Reichstag.
* Werkin, 10. Mai. Bei weniger stark besuchtem
Hause setzte der Reichstag heute die Generaldebatte
über ß 111 der Umsturzvorlage fort. Mit Spannung
sah man der Antwort des Centrums aus das Liebes-
werben der Regierung entgegen, da von dessen Halt-
ung das endgiltige Schicksal der Vorlage abhängt. Das
Centrum hat zu § 111 einen Abänderungsantrag ge-
stellt, wonach der Text des tz 111 dahin abgeändert
werden soll, daß auch die Aufforderung zu einem thät-
lichen Angriff gegen einen Beamten während der recht-
mäßigen Ausübung seines Amtes mit Geiängniß bis
zu 3 Jahren bestraft werden soll. Erster Redner
war der Abg. Gröber (Ctr.) von dessen Ausführungen
man eine Klärung der Situation erwartete. Herr Grö-
ber holte etwas weit aus, er ging ans die Entstehungs-
geschichte der Vorlage ein, die nur eine andere Form
des Ausnahmegesetzes gegen die Sozialdemokratie sei
und hierfür sei das Centrum nicht zu haben. Es will
nicht nur Schutz der Ordnung, sondern auch Schutz für
Religion und Sitte und deshalb sei die Vorlage in
der Kommission in der bekannten Weise umgestaltet wor-
den. Der Abänderungsantrag sei das Aeußerste, was
das Centrum gewähren könne; einer Einbeziehung der
ßtz 113 und 114 könne es nicht beistimmen. Mit dem
Abänderungsantrage habe das Centrum das äußerste
Entgegenkommen gezeigt, es muß die Verantwortung
für das etwaige Scheitern der Vorlage ablehuen. Des
Weiteren wies Redner mit scharfen Worten die An-
griffe des Ministers v. Koeller auf den Reichstag und
die Rechtsbelehrung des Min. v. Schönstedt zurück.
Die Debatte verschärfte sich, als sich Herr v. Schönstedt
mehr zu einer Entgegnung erhob, die ungewöhnlich
scharf und herausfordernd ausfiel. Minutenlanger Lärm
im Centrum erhob sich, als er dem Abg. Gröber die
Berechtigung und Befähigung absprach, über Dinge inner-
halb der Regierung zu urteilen. Noch größer wurde
der Lärm, als er dem Abg. Auer antwortete, es habe
ihm nichts ferner gelegen, als das Centrum belehren
zu wollen oder um seine Liebe zu werben; ersteres
nicht, weil er es für aussichtslos halte, letzteres nicht,
weil es geschmacklos wäre und seinen Empfindungen
widerspräche. Diesmal war der Lärm nicht nur im Cen-
trum, sondern er wurde verstärkt durch durch die Ohos
und Zwischenrufe der Linken; die Situation war eine
äußerst kritische und eine leichte Rothe glitt über das
Gesicht des Redners, aber er behielt Mut und Kalt-
blütigkeit, ruhig stand er da und ließ die Hochflut vor-
überziehen, um dann zu einigen packenden Erklärungen

überzugehen. Er antwortete dem Cenlrum, daß die Kom-
missionssassung für die Regierung unannehmbar sei,
daß das Centrum der Regierung die Waffen versage,
die sie gefordert, und ihr dasür Waffen in die Hand
drücken wolle, von denen sie keinen Gebrauch machen
könne. Das war eine Absage ans Centrum, die dieses
wohl nicht erwartet hatte. Die Verhandlungen sind da-
mit abgebrochen und die Brücken zur Aufnahme neuer
Verhandlungen zerstört. Die Rechte klatschte Beifall,
während das Centrum zischte. Der Redner wandle dem
Hause hierauf den Rücken und schritt aus den Reichs-
kanzler zu, der sich erhob und mit ihm einige Worte
sprach; die äußeren Formen, in denen sich diese Unter-
haltung bewegte, zeigten am Besten, daß der Reichs-
kanzler mit dem Auftreten des Justizministers durch-
aus einverstanden war. Hiermit hatte aber auch die
Spannung im Hause ihren Höhepunkt erreicht und die
Atmosphäre war überaus schwül geworden. Da erschien
als Blitzableiter zur rechten Zeit der Abg. Dr. Sigl
auf der Tribüne, der es verstand, durch seine drasti-
schen Redewendungen und Witze den leidenschaftlich er-
regten Gemütern ein Lachen abzugewinnen. Die Schale
seines Zornes schüttete er vor allem über den Polizei-
minister aus, aber er that es mit so viel Witz, daß
Herr von Koeller selbst Beifall klatschte und auf die
Antwort verzichtete. Im Grunde genommen hatten die
Herren am Bundesratstische aber keine Neigung zum
Beifallklatschen. Kaum hatte Dr. Sigl seine Kapuzinade
geendet, so erhoben sich die Mitglieder der Regierung
und zogen sich zu einer einstündigen Konferenz zurück.
Augenscheinlich handelt es sich um die Frage, ob und
in welcher Form die Vorlage zurückgezogen werden soll.
Im Hause nahm nunmehr die Debatte ihren Fortgang.
Das Wort erhielt der Berichterstatter v. Buchka, wäh-
rend dessen halbstündigen Monologes die allgemeine
Stimmung auf das gewöhnliche Niveau zurücksank.
Darauf wurde die Generaldebatte geschlossen und in die
Spezialdebatte über die einzelnen Paragraphen und über
die gestellten Anträge eingetreten. Rascher als man er-
wartet hatte, wurde die Debatte geschlossen und zur
Abstimmung geschritten. Dieselbe ergab in allen ihren
Teilen ein negatives Resultat. Es wurden sämmtliche
Abünderungsantrüge, sowie die einzelnen Paragraphen,
des Weiteren die Vorlage sowohl in der Form der
Kommissionsberatung, wie in der ursprünglichen Fass-
ung ab gelehnt.
* Werkin, 11. Mai. Der Reichstag setzte heute
die Beratung der Umsturzvorlage bei tz 112, dem
sogenannten Militärparagraphen, fort. (Absatz 1 dieses
Paragraphen bedroht denjenigen mit Gesängniß bis
zu zwei Jahren, der einen Angehörigen des Heeres
oder der Marine auffordert, den Befehlen der Oberen
nicht Gehorsam zu leisten, insbesondere wer eine Person
des Beurlaubtenstandes oder eines Angehörigen des
Landsturms auffordert oder anreizt, dec Einberufung
zum Dienste nicht Folge zu leisten. Nach dem zweiten
Absatz dieses Paragraphen trifft denjenigen Gefängnis-
strafe, der in der Absicht, die militärische Zucht und
Ordnung zu untergraben, durch Wort, Schrift, Druck
oder bildliche Darstellung Angehörige des aktiven
Heeres oder der Marine oder Einrichtungen derselben
verächtlich macht oder zur Verletzung der auf die Ver-
wendung der bewaffneten Macht im Krieg oder Frieden
ausübenden militärischen Dienstpflichten auffordert oder
aureizt.) Erster Redner war der Abg. Haußmann,
Rechtsanwalt in Stuttgart (südd. Volksp.), der seinem
Bedauern darüber Ausdruck gab, daß die Regierung
nach Ablehnung des gefallenen 8 111 die Vorlage
nicht zurückgezogen habe. Innerhalb der Regierung
scheine der Mut der Kaltblütigkeit geschwunden zu
sein, au seme Stelle sei der Mut der Heißblütigkeit
getreten. Die Art und Weise, wie Minister von
Koeller den Reichstag behandle, habe namentlich die
Süddeutschen verletzt. Herr v. Koeller sei der „rich-
tigste" Vorkämpfer für die Umsturzvorlage gewesen.
Des Weiteren versucht Redner das von der Regier-
ung zur Begründung des Militärparagraphen bei-
 
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