Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

DOI Kapitel:
No. 33 - No. 41 (1. Mai - 29. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42838#0161
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
*

Jur? Deutschtum,

Hyvon uuö Attcrr?.

Inserate
finden in dem wöchentlich 2mal erscheinenden „Badischen Volksbvten"
die weiteste Verbreitung und kostet die viergespaltene Garmondzeile
oder deren Raum nur 10 Pfg., bei mehrmaliger Aufnahme wird
bedeutender Rabatt gewährt.

ZSesteMtilge«
auf den „Badischen Volksboten" können jederzeit bei allen kaiserl.
Postanstalten, den Landbriefträgern, so«ie unseren Agenturen gemacht
werden. — Preis vierteljährlich durch die Post bezogen 1 M. 25 Pf.,
bei unseren Agenturen 1 Mk., bei der Expedition abgeholt 80 Pf.


Grgcrn der deutsch-sozialen Weform -Walter in Melden und des
Wadischen Wauernbundes.

M 41.

Heidelberg, den 29. Mai 1893.

6. Jahrg.

Für 34 Pfg.
abonnirt man für den Monat Juni bei allen
Postanstalten auf den
„Badischen Volksboten"
Organ der deutsch-sozialen Reformpartei in Baden
und des Badischen Bauernbundes.
Bestellungen für Heidelberg werden jederzeit bei
unserer Geschäftsstelle — Hirschstraße 13 — entgegen-
genommen und die bereits erschienenen Nummern auf
Wunsch kostenfrei zugestellt.
Aufruf!
Der Reichstag hat mit großer Mehrheit die
Wahl des Abg. Dr. Böttcher für den Wahlkreis
Waldeck fü ungültig erklärt. Es muß daher bin. .m
kurzem in dem genannten Kreise eine Nachwahl statt-
finden. Bereits im Jahre 1893 wäre unser Kandidat,
wenn nicht bei dec Zustellung des Wahlergebnisses
mancherlei Verstöße und Irrtümer vorgekommen wären,
in die Stichwahl gekommen. Diesmal müssen wir den
Kreis nehmen nnd damit den durch das Zusammen-
treffen von mancherlei ungünstigen Umständen herbei-
geführten Verlust von Dresden-Land ausgleichen. Aber
der Kampf wird seh hart werden, denn die national-
liberale Partei wird alles aufbieten, um ihren alten
Besitzstand zu erhalten; sie hat Dr. Böttcher aufs neue
aufgestellt, während die Freisinnigen sich auf dem Bade-
Sanitätsarzt Dr. Schücking aus Pyrmont geeinigt haben.
Die Sozialdemokraten bringen wahrscheinlich wieder
ihren früheren Kandidaten, den Cigarrenhändler Garbe
aus Kassel. Außerdem sind zwei wilde Kandidaten in den
Wahlkreis eingefallen, ein Tapetenfabrikant Engelke aus
Hannover und der bekannte Oberstlieutenant v. Egidy,
der sich zu einem Reformator des Christentums berufen
glaubt.
Unsere deutsch-soziale Reformpartei stellt gemein-
sam mit dem Bunde der Landwirte den
Gutsbesitzer -Herrn I. Müller aus Wutztzoru
(Oldenburg)
auf. Unser Herr Kandidat ist ein tadelloser Ehrenmann,
ein erfahrener Landwirt und guter Antisemit.
Um schleunigst mit der Wahlagitation beginnen
zu können, bitten wir die Gesinnungsgenossen im Lande,
überall für die Heranfchaffung ausreichender Wahl-
mittel zu sorgen. Sendungen sind zu richten an
den Schatzmeister der Partei Hrn. Kempke,
Kass el Rothenditmolderstraße 9.
Der Vorstand der deutsch-sozialen Nesormpartei:
Liebermann v.Sonnenberg Zimmermann.

Selbsthilfe.*)
Da haben wir eine recht kräftige Ohrfeige er-
halten von zwei Gliedern der großen internationalen
Räuberbande. Die Leser der antisemitisch gerichteten
Zeitungen haben den Petroleumfchwindel ja längst ge-
ahnt, aber so frech halten sie sich die jüdischen Gauner
gar nicht vorgestellt; wenigstens viele nicht. Jetzt
aber sehen sie, daß Geldsack und Gewissen zwei einander
ausschließende Begriffe sind. Wir wollen den Schwindel
nicht noch einmal darstellen, wie zwei jüdisch-ameri-
kanische Millionäre sich der ganzen Petroleumproduktion
*) In diesem Artikel wird der Vorschlag der Selbsthilfe
gegenüber dem Petroleumwucher gemacht. Die Kleinhändler
werden beschworen, nicht ihren Arm zur Vernichtung der
letzten selbständigen Petroleumgrßhändler herzugeben. Könnten
sich die Deutschen einmal zu einem solchen Willen aufraffen,
wie er hier gefordert wird, es wäre eine große That. Eins
aber mag uns heute schon mit Genugthuung erfüllen: wir
sind nicht völlig ohnmächtig gegen die Beschlüsse der Petro-
leumkönige. Hoffentlich ist in Deutschland noch Willenskraft
genug vorhanden, um den ungeheuerlichen Auswüchsen des
Kapitalismus einmal vereinten Widerstand entgenzusetzen.
Die Schriftleitung.

bemächtigt haben und nun die Preise eigenmächtig
diktiren. Die Geschichte ist den Lesern bekannt. Wir
fragen nur: wollen wir uns diese Ohrfeige ruhig ge-
fallen lassen? Im Volksmund sagt man: eine Ohr-
feige kostet einen Thaler. Nun, die Herren, die hier
geohrfeigt haben, wird keine Staatsgewalt angreifen.
Sie sind ja die Regenten der Börse. Und die Börse
steht über dem Recht. Da müssen wir uns eben unser
Recht allein nehmen. Wenn irgendwo Selbsthilfe an-
gebracht ist, hier ist sie es. Und daß dieselbe ganz
aussichtslos sei, wie einige Blätter behaupten, können
wir nicht zugeben. Der Einzelne kann sich natürlich
bei diesem Petroleumwucher ebenso wenig helfen, wie
bei dem Geld- und Kornwucher. Das Mittel, womit
man sich, natürlich ein bischen Einigkeit vorausgesetzt,
Helsen kann, ist der Boykott. Das meinen wir aller-
dings nicht in dem Sinne, daß einzelne Firmen, die
dem Ringe noch Trotz bieten, von uns durch Einkäufe
bei ihnen unterstützt und die mit Rockefeller Hand in
Hand gehenden Firmen in Verruf erklärt würden.
Das wäre ein vergebliches Unternehmen. Die selb-
ständigen Firmen werden zur rechten Zeit zusammen-
brechen. Wenn der Winter kommt, und das Petroleum
wird für uns noch mehr unentbehrlich, wie jetzt, dann
wird der Ring alle Gegner zu Boden geworfen haben.
Also aus diese Art von Boykott setzen wir wenig oder-
gar keine Hoffnung. Die Waffen sind bei diesem
Kampfe, wie überhaupt in allen Börsenkriegen zu un-
gleich verteilt; aus der einen Seite geringe Mittel,
viel Thorheit und Kurzsichtigkeit und zersplitternder
Egoismus; auf der andern Seite Millionen, Schlau-
heit, scharfer Blick und (für's erste wenigstens) zusammen-
haltender Egoismus. (Nachher beginnt dann der Kamps
um Alleinherrschaft eines Einzelnen.)
Wir meinen nicht den Boykott von Personen
oder Handelsfirmen, sondern den Boykott von Dingen,
in diesem Falle des Petroleums. Wir müssen ohne Pe-
troleum auszukommen suchen. Die schlauen Petroleum-
wucherer suchen sich dadurch weiß zu brennen, daß sie
behaupten, die Oelquellen ließen nach. Glauben wir
ihnen das einmal. Was wird die Folge sein? Die
Menschen müssen sich nach einem andern Beleuchtungs-
material umsehen. Sollen wir uns nun vorher erst aus-
plündern lassen? Warum nicht schon jetzt das thun,
was wir doch einmal thun müssen? Es wäre doch köst-
lich, wenn durch Benutzung eines anderen Beleuchtungs-
materials die großen Besitzungen der Petroleummono-
polisten entwertet würden.
Um welche Beleuchtungsweisen könnte es sich denn
handeln? Wir können da eine Einteilung machen, je
nachdem einzelne Personen oder ganze Gemeinschaften
in Betracht kommen. Elektrizität und Gas lassen sich
nur gemeinschaftlich verwerten. Bei ihrer Anwendung
kommt es auf zweierlei an, auf Billigkeit und Bequem-
lichkeit. Daß sie bequemer sind, als Petroleum, wird
jede Hausfrau zugeben, wenn auch die Männer, welche
sich ja um das Reinigen der Lampen nicht viel zu be-
kümmern pflegen, die Petroleumlampe insofern ent-
behren mögen, als man ohne sie nicht so bequem Ar-
beitsplatz und Zimmer wechseln kann. Ist aber Gas
und Elektrizität billiger, als Petroleum? Für die großen
Städte ist die Frage zu ungunsten des Petroleums ent-
schieden. Viele ^mittlere und kleinere Städte, welchen
Wasserkraft zu Gebote steht, werden sich jetzt sicher
veranlaßt sehen, diese Kraft zur Beleuchtung auszu-
nutzen. Bisher lohnte sich eine solche Anlage nicht, da
Elektrizität auf diese Weise sich bedeutend teurer stellte
als Petroleum. Dabei ist allerdings, soweit wir die
Sache überschauen, nicht genug auf die Veränderung
der Straßenbeleuchtung Rücksicht genommen worden,
wie sie bei elektrischem Verfahren erzielt wird. Der
Kleinstädter hat sich an seine Petroleum-Straßenfinster-
niß gewöhnt; aber für einen Großstädter ist dieselbe
wahrhaft ängstlich. Doch alle die Vorteile der Elektrizi-
tät konnte bisher das Petroleum nicht verdrängen, we^l
letzteres sich zu viel billiger stellte. Wird das aber auch
weiter der Fall sein? Jetzt zwar noch. Aber sollte der

Preis nicht zu den verheißenen 60 Pfg. hochgeschraubt
werden können? So schlimm wird es nicht werden,
tröstet sich Michel. Schön! Zieh mir die Zipfelmütze
über die Ohren. Weil noch einige „selbstständige' Pe-
troleumquellenbesitzer nndHandelsfirmen vorhanden sind,
soll der Preis nicht weiter steigen können. Ha, ha, ha!
„Nachtigal, ich hör dir laufen", würde Bräsig sagen.
Wäre es nicht möglich, daß das Blendwerk ist? Wir
trauen den gerissenen Kunden viel Schlauheit zu. Und
Michel kann leider nicht sagen: „Wer mich will hinter-
gehen, der muß früh aufstehen". Andre Leute sind fast
immer eher auf, wie er. Wollen wir nicht einmal aus-
nahmsweise eine Ausnahme machen? Wir argwöhnen
nämlich, daß die Monopolisten einige Strohmänner vor-
schieben, die uns über den Sommer Hinwegtäuschen
sollen. Später, wenn alle Welt Beleuchtung nötig haben
wird, zeigen sie dann ihr wahres Antlitz mit einer gol-
denen „60". Wo es irgend geht, sollte man also schon
im Sommer Vorkehrungen treffen, damit man für den
langen Winter ein schneidiges Licht hat. Ob Gas oder
Elektrizität, das ist gleichgiltig. Beides hat seine Vor-
züge; man denke an Kochen mit Gas. Nur unabhängig
vom Stamm Juda!
Auf dem flack m Lande freilich muß man zu an-
dern Mitteln greifen. Gemeinschaftliche Beleuchtungs-
anstalten kann man da nicht benutzen. Wenigstens
vorläufig nach unserer Meinung nicht. Es mag noch
kommen. Die Wissenschaft steht nicht still. Aber ge-
meinsam handeln kann man auf dem Lande. Auch da
kann man das Petroleum boykottieren. Rüböl wird
jetzt schon viel gebrannt, weil es sich bedeutend billiger
stellt. Bedürfen die Lampen eine Umänderung, na,
da verdient der Klempner. Aber das brennt so trübe.
Sollte man das nicht ändern können? Immer denken:
das Petroleum ist alle geworden. Dann geht es.
Not ist die Mutter der Erfindungen. — Wer recht
Helles Licht haben will, nun, der nehme Spiritus. Eine
Berliner Firma empfiehlt Patentlampen. Wir wissen
nicht, ob die Lampe den Anpreisungen entspricht.
Jedenfalls sollte man sie ausprobieren.
Man darf nicht außer Acht lassen, daß die Land-
wirte, welche statt des Petroleums Rüböl brennen
oder Spiritus, damit der Landwirtschaft nützen. Da
bleibt doch das Geld im Lande. Es sind das nicht
einige Groschen, sondern viele Millionen. Auch ist es
besser, der Spiritus wird verbrannt, als vertrunken.
Die Hauptsache ist, daß man möglichst bald in irgend
einer Weise schlüssig wird. Wir müssen uns selbst
Helsen. Lassen wir uns durch andere Dinge, wie die
umgestürzte Umsturzvorlage und ähnliche, nicht ablenken.
Es kommt ja auch die Zeit der sauren Gurken, wo
die Politik zu ruhen pflegt. Da wollen wir die
Petroleumfrage nicht ruhen lassen. Sie ist äußerst
wichtig für den nächsten Winter. Wir wollen sparen
auf Kosten der Petroleumjuden. Petroleum in Boy-
kott! Das sei die Losung.

Tagesfragen.
* Vertin, 22. Mai. Im Reichstag wurde heute
die zweite Beratung über Art. 2 der Branntweinsteuer-
Novelle, betr. die neueinzuführende Brennsteuer, fort-
gesetzt. tz 3 setzt eine Rückvergütung von 6 Mark für
das Hektoliter in den für diese Rückvergütung vorge-
sehenen Fällen fest. Nach den Kommissionsbeschlüssen
soll auch für den zur Essigbereitung verwendeten Brannt-
wein eine Vergütung im gleichen Betrage eintreten.
Die Vergütungssätze sollen alljährlich einer Revision
durch den Bundesrat unterworfen werden. Die vom 1.
Oktober 1891 bis 30. September 1903 auskommende
Brennsteuer darf für Gewährung von Vergütung nicht
verwendet werden. Abg. Frank beantragte, die Revi-
sion durch den Bundesrat auch eintreten zu lassen im
Falle einer vorherigen Kürzung der Ausfuhrvergütung,
wenn die Gesamtsumme der Vergütungen für das ab-
gelaniene Jahr einen Betrag ergiebt, der größer ist,
als die Einnahme an Branntweinsteuer. Des Weite-
ren beantragte er, die Vergütung auch auf Fabrikate
 
Annotationen