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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 75 - No. 83 (2. Oktober - 30. Oktober)
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Ms
Irr? Derrtsctztrrm,

Hlhvon und Al'tav.

Der „Madische MskKs-ate erscheint 2mal wöchentlich
(Dienstags und Freitags).
Merkag ««d Leit««g: Heidelberg, Hirschstraße 13.
Telegramm-Adresse: M-kksv-te Keidetöerg.
Anzeigenpreis: Die Sgespaltene Garmondzeile 10 Pfg.

Metis viertekjShrttch
drrrch den Briefträger frei in's Haus gebracht Mk. 1.25,
durch unfern Boten Mk. 1.—,
Am Postschalter od. unserer Expedition abgeholt 80 Pfg.
Most-Ietturtgs-I'retsliste Mr. 755.

tzlW dkl SM-sHlistii Mm-Wki i>i Kdm md dk MW ZAlklck>«dk.

76.

Heidelberg, den 5. Oktober 1895.

S. Jahrg.

Wo steckt der Feind?
Die „Volkspartei" — luous a non luoenäo —
hielt ihren diesjährigen Parteitag am 21. und 22.
Sept, in München ab. Alle „Leuchten" der Partei waren
vertreten: germanische, semitische und Mischlinge. Mit
diesem Parteitag war eine „allgemeine öffentliche Volks-
versammlung" verbunden, zu welcher sich nach dem „Be-
obachter" an die 3000 Mann eingefunden haben soll-
ten. Andere Leute, die nicht mit dem demokratischen
Auge diese Dinge beobachteten, sprechen von 800, da-
runter etwa i/s Sozialdemokraten. Doch gleichviel! Die-
ser glänzenden Versammlung wurde das Paradepferd
der „Volkspartei", Kammerpräsident Payer, vorge-
sührt, der denn auch die in ihn gesetzten Erwartungen
nicht täuschte und in der edlen Kunst des Reitens alter
abgedroschener, darum aber in gewissen Kreisen immer
noch zugkräftiger, volksberauschender Phrasen sehr An-
erkennenswertes leistete. Er wies haarscharf nach, daß
nur die Demokratie die Partei der Zukunft sei und
daß alle anderen Parteien nichts taugen. Auch mit den
Antisemiten beschäftigte er sich und zwar, wie nicht
anders zu erwarten, ernst, gründlich, vorurteilsfrei,
geistreich. Der „Beob." giebt diese Stelle der kammer-
präsidentlerischen Rede wie folgt wieder: „Die Anti-
semiten kennzeichnen sich in ihren Führern". In dem
Bericht der „Allg. Zeitg". heißt es: „Auch mit den
Antisemiten sei es nichts, ihre Führer seien nicht von
der Art, daß der Eintritt in ihre Reihen einladend
wäre". —
Kann man eine Volksbewegung, wie es die Reform-
partei ist, vernichtender abthun, als es hier der Par-
teigötze der herrschenden Partei gethan hat? Wahrlich,
wenn Herr Payer sonst nichts über uns zu sagen
wußte, hätte er besser gethan, zu schweigen. Denn eines
ernsten, denkenden Politikers, der im vaterländischen
Leben eine solch hervorragende Rolle spielt, wie Herr
Payer in Württemberg, ist es unwürdig, in dieser
Weise eine politische Partei abthun zu wollen. Die Re-
formpartei hat Führer, die sich neben einem Payer
sehr wohl noch sehen lassen dürfen, die wenigstens nicht
in solcher glatten Weise den politischen Gegner ver-
unglimpfen. — „Einer von uns muß überall dabei
sein" — meinte einmal ein jüdischer Banquier. Der
Mann hat Recht behalten auch in Bezug auf diesen
demokratischen Parteitag. Nachdem nämlich der badische
„Salondemokrat" Muser als den ersten Feind des deut-
schen Volkes den Militarismus bekämpft hatte, trat
in dieser Versammlung Herr Koß« auf, von dem der
„Beob." zu berichten weiß:
Rechtsanwalt Kohn-Dortmund bezeichnet unter
allgemeinster Zustimmung als den zweiten Feind des
deutschen Volkes den norddeutschen Junker, gegen
den das deutsche Volk auf der ganzen Linie vor-
gehen müsse". —
Uns fehlt für dieses Auftreten eines Juden gegen
den deutschen Adel jede parlamentarische Bezeichnung.
Zum mindesten, meinen wir, dürfte Herr Kohn etwas
bescheidener sein, und wenn er den wahren Jeind
des deutschen Volkes sehen will, dann Sticke er in
den Spiegel! Das „norddeutsche Junkertum" hat im
Laus der Weltgeschichte unserem Volke schon so unend-
lich viele und große Dienste geleistet, seine Vorfahren
haben durch die Jahrhunderte Ehre und Leben, Gut
und Blut für deutsches Land und deutsches Volk, für
deutsches Wesen und deutsche Sprache, Gesittung und
Kultur dahingegeben, daß ihre Namen stets mit Stolz
genannt werden dürfen und müssen, solange man von
deutscher Geschichte reden wird. „Norddeutsche Junker"
sind es auch zum großen Teil, die uns vor 25 Jahren
das deutsche Reich erkämpften und es groß machten vor
den Nationen der Erde. Dagegen sind uns die Kohne
und Abrahamsohne von dem ersten Augenblick an, da
sie schachernd den deutschen Boden betraten, ein Fluch
gewesen tns auf den heutigen Tag, sowie sie allen
großen Kulturvölkern ein Fluch sind, unter denen sie
sich eingenistet haben. Nie haben sie Anteil genommen
an kriegerischer Verteidigung des Vaterlandes, nie haben
sie mitgearbeitet an dem Gesittungs- und Kulturwerk
der Deutschen. Was sie gethan und geleistet haben, ist
Stehlen und Hehlen, Betrügen und Wuchern, Spio-

niren und Verraten, Verderben und Verführen. Die
Geschichte des Judentums in Deutschland ist eine Ge-
schichte des durch die Juden angerichteten Elends —
was die Juden an unserem Volk gesündigt haben bis
auf die Gegeuwart, ist nie wieder gut zu machen.
Darum gilt es, dem frechen Judenschwindel mit
aller Schärfe entgegenzutreten, der den Adel als Sün-
denbock benützen will, um das schuldbeladene Judenvolk
reinzuwaschen, der durch fortgesetztes lautes Schimpfen
über einen, allerdings überlebten, aber doch seinem Kern
und Wesen nach ehrenhaften und tüchigen Stand die
öffentliche Diskussion von sich ablenken will. (Vgl. den
Fall Hammerstein!)
Nicht der Militarismus, nicht der Adel, sondern
der Jude ist der Feind des deutschen Volkes. Das
wollen wir nie vergessen! -S.

Tagesfragen.
j:f Ate Aeichstags«»chw«Hk i« Heks-War1e«öerg läßt
die biederen Philister gar nicht ruhen. Es ist aber auch
zu scheußlich: Immer wieder prophezeit man den völligen
Niedergang des Antisemitismus, seit Jahren schon liegt
er in den letzten Zügen, und nun dieses Anwachsen der
antisemitischen Stimmen um fast 3000, während die Kon-
servativen gegen 2000, der Freisinn noch mehr und die
Sozialdemokratie ebenfalls fast die Hälfte ihrer früher
erhaltenen Stimmen verloren haben. Herrn o. Kardorff
mag ob seines Pyrrhus-Sieges angst und bange ge-
worden sein. Jetzt sucht man sich zu helfen, so gut es
eben geht. Das Stuttg. „Neue Tagolatt" (Nr. 228) druckt
aus den „Hamb. Nachr." einen Artikel ab, aus dem wir
folgende charakteristische Stelle mitteilen wollen:
„Nicht das Programm, sondern die Methode der Agi-
tation ist es, was ihm in erster Linie den Vorteil ver-
schafft. Bon dem Gegner des Herrn v. Kardorff, dem
Antisemiten Puchstein, wird berichtet, daß er monatelang
in dem Wahlkreise auf dem Rade von Dorf zu Dorf ge-
fahren und von Haus zu Haus gegangen sei, um sich
anzupreisen und den einzelnen Wähler durch unmittelbare
Anbiederung zu gewinnen. Aehnliches hat man ander-
wärts an antisemitischen Kandidaten beobachtet, von dem
Verkehr des Herrn Ahlwardt mit den Bauern gar nicht
erst zu reden In diesem Vorgehen liegt das Geheimnis
der antisemitischen Erfolge. . . In der That werden alle
Parteien durch das Vorgehen der Antisemiten vor die
Frage gestellt, ob sie ihre Wahlinteressen noch glauben
wirksam wahrnehmen zu können, wenn sie sich mäst der-
gleichen Methode befleißigen, und damit droht unserem
ganzen parlamentarischen Wesen die größte Gefahr, die
sich denken ließe. Wie ost haben linksradikale Stimmen
geklagt, daß das Ansehen des Parlaments von der Re-
gierung nicht gehörig geachtet oder gar planmäßig herab-
gedrückt würde! Hier handelt es sich um eine unendlich
schwerere Schädigung, welche diesem Ansehen aus der
Depravation der politischen Sitten zu erwachsen droht.
Wer sich um ein Reichstagsmandat bewirbt, muß zu den
Wählern in Beziehung treten, das ist selbstverständlich:
aber das bis zur Umwerbung sozusagen jedes einzelnen
Wählers auszudehnen, führt ms Unmögliche. . . Nicht die
Abneigung gegen die jahrelarrae Ausübung eines diäten-
losen Mandats, sondern der Widerwille gegen ein paar
Dutzend Versammlnngen in rauchgeschwüngerten Räumen
mit der Aussicht aus die nichtswürdlgsten Angriffe hält
so manchen angesehenen Mann vom Eintritt in das par-
lamentarische Leben zurück. Reißt nun gar noch das
Hausieren bei den Wühlern ein, so wird man nach an-
ständigen Kandidaten bald mit der Laterne suchen müssen.
Oder glaubt man wirklich, ein Mann wie z. B. Herr v.
Kardorff werde sich iemals entschließen können, von
Wähler zn Wähler zu laufen, um irgend einen catilinari-
schen Demagogen auszustechen. Selbst wenn man physisch
einen solchen Wettkampf zu bestehen vermöchte, der mo-
ralische Ekel würde einen davon zurückschrecken. So
öffnet sich denn, wenn die Dinge auf der bisherigen
Bahn weitergehen, die Perspektive auf eine Zukunft, in
welcher diejenigen die Oberhand behalten werden, die für
solchen Ekel keine Empfindung haben. Und dement-
sprechend wird denn auch das Ansehen des Reichstag
sein. Wie immer es mit den Qualitäten seiner Mitglieder
beschaffen sein mag, Leute, die sich das Mandat m der
angegebenen Weise erbettelt, oder, wenn man das lieber
will, erschwindelt haben, können nie und nimmer die-
jenige Achtung genießen, die für die Autorität eines Par-
laments die allererste und unentbehrlichste Voraussetzung
ist. Zu derartigen trostlosen Betrachtungen find die
Wahrnehmungen bei der Wahl von Wartenberg-Oels
ganz besonders anzuregen geeignet, und sie sind wichtiger
als alle die kleinlichen Rekriminationen, denen man sonst
begegnet."
Das alte Geheule und Gejammer, wie es immer zu
hören ist, wenn die „anständigen Kandidaten" alles Ver-
trauen im Volke verlieren! Wir wissen nicht, ob die in
diesem Artikel über den Kandaten der Reformpartei be-
haupteten Thatsachen richtig sind: übertrieben sind sie
zwersellos sehr stark, denn es dürfte doch wohl etwas

schwer halten, bei etwa 20,000 Wählern Besuche zu machen,
um sich dort „anznbinden"! Wenn aber der antisemitische
Kandidat mit einem Teil der Wähler in persönliche
Fühlung getreten ist, um aus eigenster Erfahrung und
Anschauung die Verhältnisse seines Wahlkreises kennen
zu lernen, so ist das jedenfalls im Interesse des Volkes
weit besser und richtiger, als wenn der „anständige und
ehrenhafte" Herr v. Kardorff ruhig auf seinem Schlosse
sitzt, und dann ein Reichstagsmandat ansübt, ohne dte
Freuden und Leiden, Anliegen und Sorgen des kleineu
Mannes zu kennen. Wenn die durch die Diätenlosigkeit
der Reichtagsabgeordneten geschaffenen Verhältnisse es
unmöglich machen, daß der Mittelstand Leute aus den
eigen Reihen in den Reichstag schickt, dann hat eben ein
diesen Kreisen nicht angehörender Kandidat die heilige
Pflicht, sich auf jede mögliche Art und Weise mit den
Verhältnissen der großen Massen des Volkes sich vertraut
zu machen. Das aber als „Erbetteln" oder „Erschwindeln"
des Mandats zu bezeichnen, ist eine Frechheit! Die für
das Parlament und seine Mitglieder nötige Achtung hat
bis jetzt glücklicherweise noch das Volk zu vergeben,
nicht aber irgend ein Tintenklexer, mag er seine Weisheit
auch in den Hamb. Nachr. oder im „N. Lagblatt" ab-
legen. Was uns not thut, das sind warmherzige, offene,
mutige Vertreter des Volkes, nicht aber die in den
Reihen der oberen 10,000 „geachteten" Männer!
— M-« unsere« K-ls«ie«. Wie verlautet, wird der
Eisenbahndirektor Bormann, dem die Leitung der Ab-
ordnung und der Arbeiten überwiesen ist, mit dem näch-
sten Dampfer nach der deutsch-ostasrikanischen Küste ab-
reisen und den dortigen Bahnbau in Angriff nehmen. —
Der bei der Schlußberechnung des Antisklavereikomiteetz
übrig gebliebene Rest an Kapital war bekanntlich dem
Fürsten zu Wied überwiesen wordeu zu dem Zwecke, daß
ein Aluminiumdampfer «»geschafft würde, der nach dem
Viktoriasee gebracht werden sollte. Die vorhandenen
Mittel reichten jedoch nicht aus und es wurden Privat-
sammlungen angestellt. Wie jetzt mitgeteilt wird, find die
nötigen Summen beisammen, der Dampfer ist bereits be-
stellt und wird im Frühjahr fertig sein.
— Mrtelke üöer die Sozialdemokratie. Vor kurzem er-
schien in verschiedenen Blättern Ostpreußens eine Er-
klärung zweier bisherigen Mitglieder der sozialdemokra-
tischen Partei, wonach diese sich genötigt sahen, aus der
Partei auszuscheiden. Nachdem oafür die sozialdemokra-
tische Preße Ostpreußens die beiden Renegaten (Zahl-
mann und Marquardt) mit Schmutz und Verleumdungen
überschüttet hatte, sehen sie sich nun zu einer öffentlichen
Erklärung übe» die Gründe ihres Austritte im „Ostpr.
Tageblatt" veranlaßt, der wir die folgenden Sätze ent-
nehmen wollen, die ein besonders scharfes Licht auf die
Zustände in der sozialdemokratischen Partei zu werfen
geeignet sind: „Die freie Meinungsäußerung in der
sozialdemokratischen Partei ist ein leerer Begriff, wir
haben das kennen gelernt. Mag die eigene Meinung auch
noch so berechtigt sein, sie darf nicht aufkommen, es
könnte dadurch die Partei geschädigt respektive blosgestellt
werden. Mit eiserner Konsequenz wird ein in Partei-
sachen Andersdenkender nieoergeschrien und Verdächtig-
ungen und Verleumdungen sind nicht selten gegen ihn be-
liebte Waffen." Weiter heißt eS, daß für den Austritt
einzig und allein die in der sozialdemokratischen Partei
herrschende Korruption maßgebend war. „Eine Partei,
die außerstande ist, in ihrer Mitte Ordnung zu halten,
die ihre Maximen nur auf dem Vapier hat, eine Partei,
in deren Mitte, wie in keiner anderen, das Strebertum
wuchert, und die dem Egoismus Thür und Thor öffnet,
eine solche Partei ist nicht in der Lage, eine neue Gesell-
schaftsordnung herkeizuführen. WaS kümmern sich die
Herren Führer um den Arbeiter, wen» sie nur selbst nicht
der Olefahr des Verhungerns ausgesetzt find."
— Zum jüdische« Geschäflsgeöahre« wird der „Deut-
schen Wacht" geschrieben: So geht's, da macht ein Jude
saft ein Jahr lang Vollständigen Ausverkauf wegen an-
dauernder Kränklichkeit", um dünn mit frischen Kräften
auf einer anderen Straße ein neues Geschäft zu eröffnen
wo er dreieinhalb Mal mehr Miete zahlt, wie bisher
Möchten doch unsere deutschen Frauen so einsichtsvoll mit
der Zeit werden, daß sie bei derartigen jüdischen Ausver-
käufen nichts kaufen. Sie helfen dem Juden nur wieder
auf die Beine, um ihn dann auf einer anderen Straße
wieder vorzufinden mit lachendem Gesicht von wegen des
Prvfitche. — Die Behörden haben hier noch ein dankbares
Feld, diese „Ausverkäufe wegen Geschäftsaufgabe oder
Kränklichkeit" sich etwas näher anzusehen. Meistenteils ent-
halten derartigen Anzeigen nur Vorspiegelungen falscher
Thatsachen zum Erwerb eines Vermögensvorteiles, und
diesGebaHr^^^iHnet-das^^eseH^m
Zur Zeitgeschichte.
Deutschland.
— Aer Kaiser nahm in Rominten den Vortrag des
landwirtschaftlielsen Ministers, Frhrn. v. Hammerstein,
entgegen und hörte daselbst die Vorträge des Chefs des
Reichs-Marine-Amts, Vize-Admirals Hollmann, sowie des
Chefs des Marine-Kabinetts, Admirals 1» suits Kontre-
Admirals Frhrn. v. Senden-Bibrau.
— Nachdem Staatssekretär von Bötticher von feinem
Urlaub zurückgekehrt ist, sollen nunmehr die Mke«arsitz««-e«
 
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