Arrv Deutschtum,
Der „Aadische Mokksöote erscheint 2mal wöchentlich
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98.
Heidelberg, den 25. Dezember 1895.
6. Jahrg.
Des hl. Weihnachtsfestes wegen
fällt die Freitagsnummer anS.
Weihnachten!
Bethlehems Stern tritt hell entfacht
Heraus aus dunklen Wolkenthoren,
Und wieder hat die Winternacht
Den Herrn und Heiland uns geboren.
Bethlehems Stern strahlt goldnen Brands
Und feierlich schmückt jedes Zimmer,
V Christus, Deines Lächelns Glan;
Und Deiner blauen Augen Schimmer!
Versunken aller Hohn und Spott,
Bur Wohlklang füllt die stillen Stunden,
Der Kämpfer Lied, mein Herr und Golt,
Die wieder zu Dir heimgefunden.
Versunken alles, was uns trennt,
Nun dankbewegt in jedem Herzen
Dir eine Weihnachtskerze brennt,
So weist und fromm wie Christbaumkerzen.
Des Liedes farbenschönster Kranz
Gebührt dein hohen Feste freilich,
Doch bist auch du im milden Glanz,
Vorweihnachtszeit, nicht minder heilig!
Wie ausgelöschi ist aller Hast,
Und alles steckt voll Heimlichkeiten,
Und jeder sucht ohn' Unterlast,
Dem Bruder Freude zu bereiten.
So fromm die Seelen, lieberfüllt;
Manch traut Geheimnis wird gesponnen,
Das überraschend sich enthüllt
Um Fest, im Strahl der Weihnachtssonnen.
Der alle Dinge trägt und hält,
Polarstern in der Flut Getriebe,
Vor ihrem Heiland kniet die Welt
Und lacht und jubelt: Liebe, Liebe!
Cs soll oom Glanz, der uns umlvht,
Der hellste Strahl zur Tiefe dringen,
Brüder, zu euch, die mit der Not,
Der bittern Not des Lebens ringen! —
Vis zu der Wahrheit Siegestag,
Wo Recht gesetzt wird für Erbarmen,
Soll jeder Christ, was er vermag,
Für die Bedrängten Lhun und Armen!
Gedenkt bei froher Augen Licht
Der Augen, trauriger und trüber,
Geht an den kleinen Fenstern nicht,
Geht keinem Handwerksmann vorüber!
Macht glücklich, weil ihr glücklich seid!
Der Brüder Elend sucht zu lindern,
Seid edel, alle hilfsbereit
Und liebreich bei der Armut Kindern!
Es bringt die kleinste Wohlthat schon
So grostes Glück den Freudelosen
Und schmückt Vein Kreuz, o Gottessohn,
Mit unvergänglich gold'nen Rosen!
Deutscher Michel.
Friede aus Erders!
Das ist der Ruf, der uns am hl. Weihnachtsfest
entgegentönt. Doch wie weit sind wir heute von einer
Erfüllung dieser Verheißung entfernt. Kampfbereit stehen
sich die verschiedenen Stände und Klassen unseres Va-
terlandes gegenüber; dort herrscht leider vielfach bru-
tale Unterdrückung und Ausbeutung, während Haß und
Verbissenheit bei einem großen Theil unseres Volkes
Einzug gehalten. Ein uns an Glauben und Sitten, an
Charakter und Thätigkeit fremdes Volk vergiftet unser
Volks- und Staatsleben, nimmt den arbeitenden Stän-
den auf der einen Seite den ihnen zukommenden Ver-
dienst und hetzt auf der anderen Seite die von ihm
betrogenen, beraubten und ausgebeutenden Klassen gegen
Kirche, Königtum und Eigentum. Immer mehr zerstört
die Thätigkeit dieses nur ein Ziel, ein Streben: Er-
werben um jeden Preis, kennenden Volkes die hohen
und heiligen Ideale, Religion und Jugend, Vater-
landsliebe und Gemeinsinn, in unserem Vaterlands.
Angesichts dieses traurigen Zustandes könnte man an
der Wahrheit der Verheißung der heiligen Nacht ver-
zweifeln. —
Aber doch ist der „Friede auf Erden", welcher
bei der Geburt des Heilandes verkündet worden, eine
wahre und echte frohe Botschaft. Friede und Freude
hat uns in Wahrheit das Jesukindlein in den uns ge-
wordenen Lehren und Geboten des Christentums ge-
bracht. Nur das Christentum, das wahre, thätige,
lebendige Christentum kann die Gegensätze in den ver-
schiedenen Ständen ausgleichen. Das Christentum ge-
bietet den Besitzenden, den mit irdischen Glücksgütern
Gesegneten werkthätige Liebe zu den Besitzlosen, den
Armen und Unglücklichen, den Vorgesetzten Gerechtig-
keit und Sanftmut zu ihren Untergebenen. Denen, die
unter Sorgen und Kumrmt" ihr Brod essen, die unge-
recht verfolgt werden, Geduld und Ausdauer.
Und so fei unser Aller Bestreben, dafür zu
kämpfen, daß wieder in unserem Vaterlande das Christen-
tum unser Volks- und Staatsleben mehr und mehr
durchdringt. Schaffen wir eine feste Scheidewand gegen-
über dem Volke, welches, wie es einst den Gottessohn,
der in der heiligen Nacht geboren ward, und seine
Jünger mit roher Gewalt verfolgt hat, heute durch
List und Heuchelei sucht, den göttlichen Frieden, die
Zusammengehörigkeit im Christentum unter uns zu zer-
stören. Stehen wir fest zusammen, Helsen unseren von
den Dienern des Eigennutzes und der Habsucht bedräng-
ten Brüdern, verbannen wir den Geist der Zwietracht,
des Neides und der Mißgunst aus unseren Herzen und
seien treue Jünger des Heilandes, seien wir Christen
in Wort und Thal, und es wird auch für unser Vater-
land ein Weihnachten werden für Hoch und Nieder,
Arni und Reich, ein Fest des Friedens und der Liebe!
Tagesfragen.
Wnser Kecht! Wie oft schon mußte der
„Bad. Volksbote" Fälle geißeln, in denen sich das
Rechtsgefühl des Volkes durchAuslegnng undAnrvendung
der Gesetze verletzt fühlen mußte. Ein solcher, dem
„beschränkten Unterthanen-Verstande" des Volkes schlecht-
hin unbegreiflicher Fall ist auf die Behandlung, deren
sich der R echtsanwalt und frühere Landgerichts-
rat Pfizer in Ulm zu erfreuen hat. Wir dürfen die
Geschichte des „Falles Pfizer", als unfern Lesern
wohlbekannt, übergehen. Kürzlich stand dieser Mann
vor dem Schöffengericht in Ulm wegen „unbefugter
Titelführung", deren er auch schuldig befunden und
deshalb zu 5 Mk. Geldstrafe verurteilt wurde. Er
hatte sich wiederholt als „Landgerichtsrat a. D." un-
berechtigter Weise bezeichnet, um eine gerichtliche Ent-
scheidung durüber herbeizuführen, ob er zu Recht ent-
lassen worden sei oder nicht. Auf die Frage lassen
sich die Gründe des Ulmer schöffengerichtlichen Urteils
nun gar nicht ein. Gegenüber der Ausführnng des
Staatsanwalts,daß das Schöffengericht die Rechtmäßig-
keit des Urteils des Diseiplinarhofs nicht prüfen dürfe,
hatte der Angeklagte erwidert: Im Jahre 1849 sei der
damalige Großherzog von Baden durch eine vorüber-
gehende Revolution entthront und aus dem Land ver-
trieben worden; ob ein deutscher Richter oder Staats-
anwalt behaupten wolle, daß dieser Fürst während der
drei Monate, wo seine Regierung unterbrochen war,
ausgehört habe, Großherzog zu sein? Auf die Bemerkung
des Staatsanwalts, daß eine Revolution und ein rechts-
kräftiges .Urteil zwei Dinge seien, die man nicht mit-
einander vergleichen könne, hatte Pfizer entgegnet: Hoch-
verrat sei ein Verbrechen und Beugung des Rechts sei
ein Verbrechen; ein Verbrechen, eine Gewaltthat werde
nie rechtskräftig, also müsse seine Behauptung, daß an
ihm eine Gewaltthat verübt sei, geprüft werden. Der
Staatsanwalt erwiderte darauf nichts und auch das
Schöffengericht ging über diese Analogie in seinen Ent-
fcheidnngsgründen mit Stillschweigen hinweg: Das
Urteil sei einmal rechtskräftig, und solange der Ange-
klagte es nicht durch Wiederaufnahme des Verfahrens
aus der Welt geschafft habe, müsse sowohl er als der
spätere oder jetzige Richter es anerkennen, „selb st w e n n"
— sagen die Gründe wörtlich — „ersterem dadurch
eine Unbill zugesügt würde, was zwar be-
dauerlich wäre, aber durchaus nicht zu ändern
ist" — So der Spruch eines deutschen Gerichtshofes
der es unumwunden zugiebt, daß ein unschuloig Ver-
urteilter zeitlebens die Folgen eines ungerechten „Rechts-
spruches" tragen muß, ohne jede Aussicht, jemals zu
seinem Rechte zu kommen. Denn daß es in 99 von
100 Fällen unmöglich ist, durch eine Wiederaufnahme
des Verfahrens das Urteil aus der Welt zu schaffen,
weiß der Jurist ebenso genau wie der Laie. So
müssen denn alle Richter bis in die spätesten Zeiten
dieses „rechtskräftige Urteil" anerkennen, selbst wenn
sie davon überzeugt sind, daß hier eine Beug-
ung des Rechts stattgesunden hat, und dem Ver-
urteilten damit eine Unbill zugesügt worden ist! Es
wird also ein offenkundiges Unrecht für Recht erklärt,
was zwar sehr bedauerlich, aber durchaus nicht zu
ändern ist! Ja, ja:
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage!
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das; mit uns geboren ist,
Van dem ist leider nie die Frage.
Und so^etwas nervu sich dann Rechtspflege und
Gerechtigkeit! Da waren unsere germanischen Vor-
fahren, die noch nicht von dem Geist des semitisch-
römischen Rechtes angesteckt waren, doch noch andere
Menschen. Die klebten nicht am toten Buchstaben
und kannten kein: „Das ist durchaus nicht zu ändern".
— Es ist wahrlich die allerhöchste Zeit, daß wir ein
wirklich deutsches Recht bekommen. Hoffentlich bringt
es uns das Bürgerliche Gesetzbuch, wenn es von den
mancherlei römisch-semitischen Schlacken, die ihn: heute
noch anhasten, befreit sein wird. Wir hegen zu der
Mehrheit des deutschen Reichstags, die sich in diesem
Falle aus Reformern, Konservativen und Centrum
zusammensetzen wird, das feste Vertrauen, daß sie sich
um das Recht des deutschen Volkes dieses große Ver-
dienst erringen wird.
— Zur Weform der vierten Watailkone. Die
„Köln. Ztg." ist in der Lage, mitzuteilen, daß der
Hauptzweck der Reform, eine entsprechende große Zahl
von Reservisten, sowie der Stämme für Neu-
formationen erreicht sei, doch habe die Erfahrung ge-
lehrt, daß die vierten Bataillone nicht die nach beiden
Richtungen nötige Qualität als Reservisten und
Stamm-Mannschaften für Neuformationen erzielen
lassen, vielmehr seien sie derart hinter den Anforder-
ungen zurückgeblieben, daß die Heeresleitung eine
Aenderung für notwendig erachte. Die Reform solle
diesen beiden Hauptmängeln abhelfen, was dadurch
am zweckmäßigsten geschehe, daß je zwei Halbbataillone
in ein ganzes zusammengezogen und letzteres auf den
niedrigen Etat gebracht werde. Die Hauptfrage, ob
ein Ausgleich des Etats vollständig aus drei anderen
Bataillonen bewirkt werden könne, ohne deren Aus-
rückstärke fühlbar zu beschneiden, könne bejaht werden.
Hierdurch erhalte jede Brigade ein siebentes Bataillon,
jedes Armeekorps eine Brigade, letztere würden im
Kriege wie im Frieden grundsätzlich zu denselben Aus-
gaben, wie die jetzigen vierten Bataillone bestimmt
sein. — Die „Kölnische Zeitung" versichert, diese
Reformerwägungen hätten inzwischen feste Gestalt an-
genommen, indes stehe noch nicht fest, ob in dieser
Form die Vorlage noch im lausenden Winter an den
Reichstag gelangen werde.
— Ale Klagen der Kandwerker über die Kon-
kurrenz , dre ihnen durch die G e s ä n gn i s arb e it