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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (6): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1895

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No. 33 - No. 41 (1. Mai - 29. Mai)
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Iüv DerrtscHLum,


Inserate —
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Hlh^orr und ALtcrv.

ZSesteMrnge« —...
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Grgcrn der: deutsch-soziclten Hlefor:m -Wcrrtei in Werden und des
Wndischen Wcruerrndundes.

36.

Heidelberg, den 12. Mai 1895.

6. Jahrg.

Rede des Abg. Zimmermann
zur Begründung der Interpellation der deutsch-sozialen
Reformpartei, betr. die künstlichen
Preistreibereien auf dem Petroleummarkte.
(Schluß.)
Es ist ja heute von der Reichsregierung erklärt
worden, es ist das ja auch bekannt, daß man wieder-
holt den Versuch gemacht hat, seitens der deutschen
Reichsregierung sowohl als seitens der preuß. Regier-
ung, Fühlung zu nehmen mit Sachverständigen und
dort nach Rath und Hülfe umzuschauen. Die Mittel,
die bis jetzt da vorgeschlagen worden sind, scheinen mir
allerdings nicht genügend, und ich glaube, wir haben
keine Ursache, länger zu zaudern. Es ist meines Er-
achtens schon zu lange gezaudert worden gegenüber die-
sen betrübenden Erscheinungen, mit denen wir längst
schon zu rechnen haben. Unter den Gegenmitteln, die
in Vorschlag gebracht sind, will ich zunächst diejenigen
erwähnen, die eine Rolle gespielt haben in den Preß-
erörterungen. Man hat darauf hingewiesen, daß es
vielleicht möglich sein würde, den Absatz, den das Pe-
troleum bei uns im eigenen Lande findet, zu stocken,
in etwas zu beschränken, indem man insbesondere die
Gasindustrie, die ja meistens in den Händen der Kom-
munen sich befindet, an ihre soziale Aufgabe erinnert,
billige Gas inrichtungen aufzustellen, automatische E s-
messer, wie sie in England verbreitet sind, und daß
man so bemüht sei, dieser drohenden Gefahr Einhalt
zu thun Man hat auch weiter hingewiesen darauf,
daß die Elektrizität in Aktion treten könnte, besonders
in jenen Gegenden, wo billige Wasserkräfte vorhanden
sind. Ein Vorschlag, der meines Wissens auch der
Reichsregierung gemacht worden ist, bestand in dem
Vorschlag einer Ermäßigung des Zolls auf Petroleum-
fässer, die meines E achtens nach der ganzen Art und
Weise dieses Verkehrs, wie er sich entwickelt, durch-
aus nicht mehr derartig bedeutend eingreifen kann, um
wirklich einen Vortheil zu bringen. Man hat weiter
den Vorschlag gemacht, daß man bei uns eine Ver-
schiebung in der Zolllage bezüglich des raffinirten und
unraffinirten Petroleums bringen soll und dadurch die
Anlegung von Raffinnerien des Erdöls in Deutschland
ermöglichen soll. Die Vorschläge, die nach der Seite
gemacht worden sind, erscheinen mir allerdings durch-
aus nicht genügend, denn ich sage: es sind das nur
kleine Mittelchen, die nicht durchgreifend wirken können
gegenüber der gewaltigen Gefahr, die von Seiten des
Großkapitalismus uns droht. Wir stehen ihr tatsäch-
lich machtlos gegenüber, wenn wir uns nicht zu außer-
ordentlichen Schritten entschließen. Wie wir auf dem
Standpunkte stehen, daß gegenüber der Notlage einer
so umfassenden Bevölkerungsklasse, wie der deutschen
Bauern und Landwirte es dringend nötig ist, durch-
greifende Mittel zu wählen, so stehen wir auch auf
dem Standpunkte, daß gegenüber dieser Gefahr von
Seiten des Großkapitalismus ganz außerordentliche
Wege eingeschlagen werden müssen. Allerdings beruft
sich ja die Standard Oil Company darauf, daß der
preußische Herr Handelsminister sich gelegentlich sehr
anerkennend über dieselbe geäußert und sogar erklärt
hat, er denke nicht daran, irgend jemals gegen dieselbe
einzuschreiten. Das ist eine Reklame der Standard Oil
Company, der ich keinen Glauben beimessen kann und
will, weil ich mir nicht denken kann, daß der preuß.
Handelsminister sich auf diesen Standpunkt stellen kann.
Wir meinen aber: es geht nicht anders, als wenn ge-
rade gegenüber dieser so ausschlaggebenden Frage für
das Wohl und Wehe von Tausenden und Millionen
in diesem Falle die Reichsregierung die Frage ernst-
lich erwägt, ob nicht auf dem Wege eines Reichsmono-
pols durch Verstaatlichung des Betriebs jene Gefah-
ren zu überwinden sind, und ob nicht gerade auch in
diesem Falle ein Gegenstand vorliegt, welcher ebenso
gut als wie bei der Münzfrage die Verhandlung der
europäischen Staaten unter einander erfordert, um auf
internationalem Wege dieser Allgewalt des Großkapi-
talismus zu begegnen. Wenn die Reichsregierung auf

diesem Wege vorgeht, dann allerdings vielleicht würde
sie in die Lage kommen, unser Volk vor dieser ge-
waltigen Ausbeutung zu behüten; aber nimmermehr
wird sie sich stellen können auf jenen Standpunkt, der
vielfach zum Ausdruck gekommen ist, daß man einfach
diesen Dingen zusehen soll wie der Türke, der sich in
das Fatum ergiebt, daß wir unsererseits sagen: Roth-
schild ist groß und wir sind klein, wir müssen dazu
schweigen. Es ist leider Gottes nichts rechtzeitig ge-
schehen, diese Gefahren sind seit Jahren offenkundig;
allerdings unter einer Regierung, wie wir sie unter
dem Grafen v. Caprivi hatten, konnte man überhaupt
durchgreifende Maßnahmen nach solcher Seite hin nicht
erwarten. Aber man durfte wohl der Hoffnung Raum
geben, daß unter dem neuen Kurs endlich neue Mittel
und Wege eingeschlagen werden. Wenn wir nichts thun,
proklamiren wir den Grundsatz: Kleine Diebe hängt
man in Deutschland und die großen Millionendiebe läßt
man laufen. (Zuruf links.) Das können Sie dann be-
weisen, Herr Kollege! Es handelt sich meines Erach-
tens um die Frage: Sind wir nicht in der Lage, uns
einer fremden Auswucherergesellschast zu erwehren,
müssen wir es uns gefallen lassen, daß ein notwendi-
ger Bedarfsartikel über Gebühr vertheuert wird, daß
wir uns auf Gnade und Ungnade diesen Rothschild's
und Genossen ergeben, oder sollen wir ihnen entgegen-
treten? Das sage ich: es handelt sich um mehr, als
das bloße Interesse der Konsumenten, es handelt sich
um Sein oder Nichtsein für den modernen Staat, der
meines Erachtens mehr zu thun hat, als die Nacht-
wächterrolle zu spielen, der auch soziale Ausgaben zu
entfalten hat. Es steht alles auf dem Spiel. Wir haben
es oft genug erlebt, wie die Staaten und Regierungen
sich gefügt haben bei den Anleihen, die sie mit Hilfe
großer Finanzoperationen gemacht haben, wir haben
oft genug gesehen, wie die Staaten sich den mächtigen
Geboten der Finanzgruppen gefügt haben. Wenn wir
auch in diesem Falle mit gebundenen Händen ganz
machtlos dieser Konzentration des Großkapitalismus
gegenübertreten, dann allerdings wächst die Gefahr, die
immer von der äußersten Linken behauptet wird, daß
wir überhaupt nicht mehr leistungsfähig sind, daß wir
für den Untergang reif sind. Wir meinen aber: noch
ist es Zeit, wenn unsere Regierung sich auf ihre Auf-
gabe besinnt und wenn man gewillt ist, mit allem Auf-
gebot diesem Uebergriffe des Großkapitals nur zu be-
gegnen, noch ist es Zeit, die Mittel bei uns zu finden,
welche geeignet sind, unser Volk und unser Land vor
jener uns drohenden Gefahr zu behüten. Wir meinen,
es ist unbedingt nötig, daß wir diese Dinge hier im
Reichstag noch zur Sprache bringen. Ich gebe zu, es
mag ja sein, daß gewisse Verhandlungen dadurch ge-
stört werden, aber ich glaube im Gegentheil, daß der
Regierung nur damit gedient sein kann, wenn hier im
Reichstag zum Ausdruck kommt, daß ihre Volksver-
tretung im Interesse der gesamten Bevölkerung nicht
gewillt ist, sich den Machtgeboten jener Großkapitali-
sten zu fügen, sondern der Appell von hieraus ertönt,
daß der Staat und das Reich andere große soziale
Aufgabe zu erfüllen hat, gemäß den Aufgaben der
Sozialreform gegen die Bedrängten und Bedrückten im
Lande, die die ersten sind, die als Opfer für diese
neuen Lasten leiden werden. Wir meinen, es ist höchste
Zeit, daß dagegen etwas geschieht. Wir halten des-
wegen daran fest, daß wir unbedingt fordern und ver-
langen, daß auf dem Wege der Verstaatlichung, auf
dem Wege der internationalen Vereinbarung begegnet
wird dem übermäßigen Eingreifen dieser Ringe und
Monopolbetriebe zu Gunsten der schaffenden und arbei-
tenden Bevölkerung. Es würde aber auch leicht sein,
vielleicht bietet die weitere Debatte noch Anlaß dazu,
bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie gerade
das internationale Judentum es ist (Aha und Lachen
links), ja, wie gerade das internationale Judentum es
ist, welches diese Wege geebnet und vorgebildet hat zur
Beherrschung der Völker durch den Großkapitalismus.
Wenn auf jener Seite noch Aufklärungen und eine

Aussprache gewünscht wird, so stehen wir dazu gerne
zu Diensten. Ich habe es absichtlich vermieden in meinen
jetzigen Ausführungen, um den Herren nicht einen Vor-
wand zu geben, eine Judendebatte zu provoziren. Wenn
aber die Herren, die lachten, das heraufbeschwören, so
sind wir jederzeit bereit, weil wir eben die Ueberzeug-
ung haben, daß das internationale Judenthum der
Träger dieser internationalen Gefahr ist, und von die-
sem reformatorischen Gesichtspunkte aus ist Staat und
Volk verpflichtet dagegen Stellung zu nehmen. (Leb-
Vom Reichstag.
* Werkin, 7. Mai. Der Reichstag genehmigte in
seiner heutigen Sitzung zunächst in dritter Lesung den
Nachtragsetat, betr. die Mittel zur feierlichen Eröff-
nung des Nord-Ostsee-Kanals und ging dann unter all-
gemeiner Spannung zum zweiten Gegenstand der Ta-
gesordnung, zur Entscheidung über die Wahl des Herrn
v. Böttcher über. Die Abgg. Dr. Marquardsen und
Prof. Enneceerus sprachen für die Giltigkeitserklärung
der Wahl ihres Fraktionsgenossen und für Wieder-
eröffnung der Diskussion. Der letztere appellirte unter
scharfem Widerspruch an das Gerechtigkeitsgefühl des
Hauses, das wenigstens eine Diskussion noch zulassen
müßte. Abg. Dr. Bachem (Centr.) widersprach der
Wiedereröffnung der Diskussion aus die Gefahr hin,
daß Prof. Enneceerus den Vorwurf des Mangels an
Gerechtigkeitsgefühl gegen ihn persönlich erheben sollte.
Der Bericht der Wahlprüfungskommission, der auf
Ungültigkeit der Wahl laute, sei klar und überzeugend,
die Gründe, die zur Ungültigkeitserklärung führen
müssen, seien so durchschlagend, daß sie durch das Rechts-
gutachten des Prof. Enneceerus nicht widerlegt sind
und auch durch eine noch so lange Diskussion nicht
widerlegt werden können. Es wäre ein Unikum, wenn
der Reichstag eine einmal geschlossene Diskussion wie-
der eröffnen wollte. Abg. Liebermann v. Sonnenberg:
Der Abg. Enneceerus hat durch ein längeres Gutach-
ten das Haus zu bestimmen versucht, die Wahl des
Dr. Böttcher für gültig zu erklären. Ich habe in einem
Gegengutachten, das den Herren Kollegen hoffentlich
schon zugegangen ist, diese Ausführungen widerlegt.
Eine Besprechung würde schon deshalb ganz erwünscht
sein, weil ich in der Lage bin, Herrn Enneceerus mit
seinen eigenen Worten zu widerlegen und nachzuweisen,
daß die Wahl Dr. Böttchers sür ungültig erklärt wer-
den muß. Prinzipielle Gründe veranlassen mich, den
Ausführungen des Abg. Bachem beizuslichten und gegen
die Wiedereröffnung der Diskussion zu stimmen. Ich
glaube nicht, daß die Wahl des Abg. Dr. Böttcher
eine so außerordentliche Wichtigkeit hat, daß der Reichs-
tag auch seinerseits außerordentliche Maßregeln treffen
müßte. (Stürmische Heiterkeit und Beifall.) Es ent-
spann sich hierauf eine längere, sehr hitzige Debatte
über die Frage, ob zuerst über den Antrag aus Wie-
dereröffnung der Diskussion, oder über die Wahl selbst
abgestimmt werden solle. Die Abgg. Enneceerus, Mar-
quardsen und Gamp entwickelten dabei mit großer Hef-
tigkeit die wunderbarsten Ansichten über die Geschäfts-
ordnung und verlangten Wiedereröffnung der Diskussion,
obgleich diese bei Widerspruch auch nur eines Abgeord-
neten unzulässig ist. Endlich war auch diese Debatte er-
ledigt und das Haus kam zur namentlichen Abstimm-
ung über die Wahl Dr. Böttchers mit 214 gegen 93
Stimmen. Für Gültigkeitserklärung der Wahl stimm-
ten Nationalliberale, Reichspartei und ein Theil der
Konservativen unter der Führung des Abg. v. Levetzow.
Das Resultat wurde mit lebhaftem Beifall und Bravo-
rufen ausgenommen. (Die Deutschsoziale Reformpartei
! geht schort mtt einem eigenen Kandidaten in den Kreis
g hinein, der, wie wir hören, auch die Unterstützung des
Bundes der Landwirte findet.) Es folgte die Berath.
ung über die Wahl des Abg von Dziembowski. Die
Kommission empfiehlt Ungiltigkeitserklärung wegen amt-
licher Beeinflussung durch den Landrat von Roll, die
darin gefunden wird, daß dieser einen Wahlaufruf im
 
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