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Baedeker, Karl
Südbayern, Tirol und Salzburg, Ober-Italien: Handbuch für Reisende; mit zwei Uebersichtskarten und einer Karte von Salzburg und dem Salzkammergut, nebst den Plänen von Augsburg, Brescia, Mailand, Mantua, München, Padua, Salzburg, Venedig, Verona — Coblenz: Baedeker, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.39778#0116
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TIROL.

Stellwagen fahren auf allen grossem Strassen, bei guten Wegen selbst
in Nebenthälern, fast jeden Tag, oft zweimal, die Post (2 Meilen) in etwa
2 St. für BO bis 60 kr., Mittags 2 St. Rast. Es sind meist bequeme Wagen,
nach Art der Omnibus, mit 2 Sitzen in der Länge, für 10 bis 12 Pers., im
Cabriolet (etwas theurer) sehr eng für 3 Personen. Sind alle Plätze besetzt,
so ist’s allenthalben eng und die Fahrt auf die Dauer, namentlich bei
heissem Wetter und staubiger Strasse, sehr ermüdend. Sonst fährt sich’s
ganz gut, nach allen Seiten Aussicht. Auf der Höhe der Reisezeit pflegen
auf den grossen Strassenzügen, z. B. von Innsbruck nach Bozen, die Plätze
gewöhnlich schon am Abfahrtsort sämmtlich vergeben zu sein, so dass man
auf kleinern Zwischenstationen selten Platz findet. Die Stellwagen fahren
nur bei Tage (neuerdings auch einige bei Nacht, höchst unerquicklich) und
gewähren Gelegenheit, Land und Leute kennen zu lernen, da sie von
Jedermann benutzt werden; sie gleichen einem Taubenschlag, feine Herren,
Bauern in Hemdsärmeln, Mönche, stattliche Bürgerfrauen, selbst zierliche
Dämchen, steigen ein und aus. Der Kutscher hat gewöhnlich viel Durst,
er lässt aber dem Fahrgast gern Zeit, den seinigen auch zu befriedigen.
Wenn das immer an Orten zu geschehen pflegte, wo der Wein gut wäre,
möchte man sich’s wohl gefallen lassen, aber hier wie allenthalben pflegen
Kutscher und Wirthe sich gegenseitig iu die Hand zu arbeiten. Auch mit
dem Mittagessen geht’s häufig nicht viel besser. Da heisst’s oft noch lange
vor der Mittagsstunde: „hier wird Mittag gemacht, später wird nicht mehr
gehalten,“ und so der Fahrgast genöthigt, ein schlechtes theures Mahl,
vielleicht gegen den Appetit, zu geniessen. In der Regel ist’s am besten,
die Hauptmahlzeit auf den Endort der Tagesfahrt zu verschieben. Der
Tabak, welcher im Stellwagen geraucht wird, ist gewöhnlich nicht der beste.
Im Cabriolet (3 Plätze) werden auch Frauen zu zweien sich nicht unbehaglich
fühlen. Die Bezahlung der 3 Cabrioletplätze giebt aber nicht ausreichende
Gewähr, dass nicht auf einer Zwischenstation . ein Dritter sich eindrängt,
und der Fahrzettel nicht immer sichere Bürgschaft (im südl. Tirol eher
wie im nördlichen), dass der Berechtigte seine Nummer bekömmt. Beati
possidentes gilt, daher rathsam, sich eine gute Viertelstunde vor der Abfahrt
einzufinden und sogleich den richtigen Platz einzunehmen. Auf das Ge-
päck muss Jeder selbst achten. — Post-Steil wagen, Privat-Unter-
nehmung der Posthalter, Wagen bequemer, auch sonst gute Ordnung, Be-
gleitung eines Conducteurs, fahren rascher als die gewöhnlichen Stellwagen.
Die Wirthshftuser, bei welchen die gewöhnlichen Stell wagen halten,
sind meist 2. und 3. Classe und zum Uebernachten nicht immer zu em-
pfehlen ; für das Gepäck aber bequem, weil der Wagen vom Haus abfährt.
Die Post - Wirthshäuser sind fast alle gut, der Wirth bekümmert sich aber
gewöhnlich nur um seine Rosse, die Gäste sind lediglich an die Wirthin
und die weibliche Dienerschaft gewiesen.
Eilwagen (s. Einleit.) fahren für doppelten Preis Tag und Nacht durch,
fast noch mal so rasch, als der Stellwagen. Coupd sehr bequem und gute
Aussicht. Im Innern sind gewöhnlich nur 2 aussichtslose Plätze. Beiwagen
werden auf vielen Routen nicht gegeben. Extrapost s. Einleitung.
Lohnkutscher (im ital. Vettiirini, NolosinierC) fahren etwa 12 St. des
Tags (2 St. Mittagsruhe), mit einem viersitzigen Zweispänner im deutschen
Tirol auf den Tag 7 bis 8 fl., im italienischen etwas billiger, Rückfuhren.
(Ritorni) um ein Drittel oder die Hälfte billiger. Regel: ein Drittel weniger
bieten, als gefordert wird. Man lasse sich den Wagen zeigen, und erkläre,
dass der Kutscher keinen andern Reisenden mitnehmen dürfe, selbst nicht
auf dem Bock. Ist der Handel geschlossen, so lässt man sich als Unter-
pfand, jedoch erst, nachdem Alles genau verabredet und selbst der Wagen
genau besichtigt ist, ein Handgeld (caparra) von dem Vetturin geben, für
eine Tagereise wenigstens 1 fl. ; bei weniger kann man leicht Morgens
verlassen stehen, wenn der Vetturin vortheilhaftere Gelegenheit iand.
Beim Einsteigen, nachdem man sich überzeugt hat, dass Alles in Ordnung,,
giebt man das Handgeld zurück. Ferner ist rathsam, denjenigen, mit
welchem man unterhandelt, zu fragen, ob er selbst der Vetturin sei. Nicht
selten besorgen Unterhändler (sensali) den Verkehr, und es kann geschehen,
dass der Vetturin sie verläugnet. Namentlich ist die Vermittelung von
Kellnern zu vermeiden, die den Vortheil des vorübergehenden Reisenden
 
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