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Architektur fiir große Opfer
82
einer tanzenden Frau erhalten. Vom
Schmuck des Daches kennen wir die
Figur eines Wagenlenkers und Pferde-
figuren (Abb. 76, 80).
Zur Entstehung des ephesischen
Monumentalaltares
Den Anstoß dazu, bei Altären - wie hier
in Ephesos - den Hofbereich mit einer
Säulenhalle zu umgeben, dürften zwei
kleinasiatische Bauten gegeben haben,
nämlich das Nereidenmonument von
Xanthos und das Mausoleum von Hali-
karnaß. Die monumentale Einfassung
des Altarplatzes setzt eine neue architek-
tonische Komponente, sie trennt nämlich
das Innere des Platzes räumlich von der
äußeren Umgebung. Inwieweit diese Ar-
chitektur selbst schon eine kultische
Funktion hatte, ist eine offene Frage. Es
wurde vermutet, daß die hohe, nach
Osten geschlossene Umfassungswand ein
letzter Hinweis darauf sein soll, daß der
Altarbereich ursprünglich einen selbstän-
digen Kult beherbergt hat.
Aufällig an den Einfassungsmauern
von Höfen im Artemision, sei es am
Altar, sei es im Sekos des Tempels, ist,
daß sie jeweils genau so groß sind, damit
sie verschiedene ältere Kultbasen und
Anlagen gerade noch einschließen.
Daher ist für den ephesischen Hofaltar
auch ein wesentlicher struktureller Un-
terschied zu anderen Hofaltären gege-
ben, die ein durchkomponiertes architek-
tonisches Konzept aufweisen, nämlich
einen Brandopfertisch bzw. eine Trapeza
im Inneren, die mit der Umfassungswand
gleichzeitig entworfen und gebaut wor-
den ist. Aus dieser Genese wird deutlich,
daß der Hofaltar im Artemision einem
notwendig älteren Prinzip entspricht als
die durch keine Vorbedingungen gebun-
denen späteren Hofaltäre Kleinasiens.
Daher können die im Inneren des Hofes
liegenden älteren Anlagen auch nur aus
einer lokalen Kultkonstellation heraus
verstanden werden. Auch sie sind im
4. Jh. v. Chr. wiederverwendet worden,
wie durch die einem Brandopferherd zu-
gehörigen Architekturglieder erschlos-
sen werden kann (Abb. 82). Der von Pau-
sanias erwähnte Kult der Artemis Pro-
tothronie hatte nach wie vor hier seinen
Platz.
Wie bereits oben (s. S. 63) erläutert,
hatten die Priester der großen Kulte die
Kontrolle über die Verteilung des Flei-
sches. Diese Schlüsselposition gab ihnen
einen entscheidenden politischen und
wirtschaftlichen Einfluß. Wie hat man
diese verschiedenen Absichten in der
religiösen Architektur verwirklicht? Die
Konstruktion der großen Altäre seit
archaischer Zeit zeigt die Bedeutung, die
man diesem Platz gab: Es sind Altäre mit
einem großen Hof, unter denen das Arte-
mision eines der ältesten und monumen-
talsten Beispiele geliefert hat, mit der
Idee, den Platz, an dem das Opfer statt-
fand, einzuzäunen und damit jene auszu-
schließen, die nicht eingeladen sind.
Man fragt sich nach den politischen
und soziologischen Gründen für die Ein-
zäunung des alten Platzes, der einst allen
Teilnehmern und Zuschauern zugänglich
war. Ein Beweggrund war vielleicht, daß
die Konkurrenz der komplementären
Heiligtümer nach der Monopolisierung
und Vereinheitlichung des Heiligtums
der Artemis verschwand. Die Teilneh-
mer am Opfer konzentrierten sich auf den
Altar der Artemis, und der Zustrom
erlaubte den Priestern, den Zugang zu
beschränken und eine Gunst aus der Teil-
nahme am Opfergeschehen zu machen.
Abh. 82 Bekrönender Block vom Brand-
opferherd im Inneren des Altarhofes. Lotos-
Palmettendekor unter einer Hohlkehle.
Architektur fiir große Opfer
82
einer tanzenden Frau erhalten. Vom
Schmuck des Daches kennen wir die
Figur eines Wagenlenkers und Pferde-
figuren (Abb. 76, 80).
Zur Entstehung des ephesischen
Monumentalaltares
Den Anstoß dazu, bei Altären - wie hier
in Ephesos - den Hofbereich mit einer
Säulenhalle zu umgeben, dürften zwei
kleinasiatische Bauten gegeben haben,
nämlich das Nereidenmonument von
Xanthos und das Mausoleum von Hali-
karnaß. Die monumentale Einfassung
des Altarplatzes setzt eine neue architek-
tonische Komponente, sie trennt nämlich
das Innere des Platzes räumlich von der
äußeren Umgebung. Inwieweit diese Ar-
chitektur selbst schon eine kultische
Funktion hatte, ist eine offene Frage. Es
wurde vermutet, daß die hohe, nach
Osten geschlossene Umfassungswand ein
letzter Hinweis darauf sein soll, daß der
Altarbereich ursprünglich einen selbstän-
digen Kult beherbergt hat.
Aufällig an den Einfassungsmauern
von Höfen im Artemision, sei es am
Altar, sei es im Sekos des Tempels, ist,
daß sie jeweils genau so groß sind, damit
sie verschiedene ältere Kultbasen und
Anlagen gerade noch einschließen.
Daher ist für den ephesischen Hofaltar
auch ein wesentlicher struktureller Un-
terschied zu anderen Hofaltären gege-
ben, die ein durchkomponiertes architek-
tonisches Konzept aufweisen, nämlich
einen Brandopfertisch bzw. eine Trapeza
im Inneren, die mit der Umfassungswand
gleichzeitig entworfen und gebaut wor-
den ist. Aus dieser Genese wird deutlich,
daß der Hofaltar im Artemision einem
notwendig älteren Prinzip entspricht als
die durch keine Vorbedingungen gebun-
denen späteren Hofaltäre Kleinasiens.
Daher können die im Inneren des Hofes
liegenden älteren Anlagen auch nur aus
einer lokalen Kultkonstellation heraus
verstanden werden. Auch sie sind im
4. Jh. v. Chr. wiederverwendet worden,
wie durch die einem Brandopferherd zu-
gehörigen Architekturglieder erschlos-
sen werden kann (Abb. 82). Der von Pau-
sanias erwähnte Kult der Artemis Pro-
tothronie hatte nach wie vor hier seinen
Platz.
Wie bereits oben (s. S. 63) erläutert,
hatten die Priester der großen Kulte die
Kontrolle über die Verteilung des Flei-
sches. Diese Schlüsselposition gab ihnen
einen entscheidenden politischen und
wirtschaftlichen Einfluß. Wie hat man
diese verschiedenen Absichten in der
religiösen Architektur verwirklicht? Die
Konstruktion der großen Altäre seit
archaischer Zeit zeigt die Bedeutung, die
man diesem Platz gab: Es sind Altäre mit
einem großen Hof, unter denen das Arte-
mision eines der ältesten und monumen-
talsten Beispiele geliefert hat, mit der
Idee, den Platz, an dem das Opfer statt-
fand, einzuzäunen und damit jene auszu-
schließen, die nicht eingeladen sind.
Man fragt sich nach den politischen
und soziologischen Gründen für die Ein-
zäunung des alten Platzes, der einst allen
Teilnehmern und Zuschauern zugänglich
war. Ein Beweggrund war vielleicht, daß
die Konkurrenz der komplementären
Heiligtümer nach der Monopolisierung
und Vereinheitlichung des Heiligtums
der Artemis verschwand. Die Teilneh-
mer am Opfer konzentrierten sich auf den
Altar der Artemis, und der Zustrom
erlaubte den Priestern, den Zugang zu
beschränken und eine Gunst aus der Teil-
nahme am Opfergeschehen zu machen.
Abh. 82 Bekrönender Block vom Brand-
opferherd im Inneren des Altarhofes. Lotos-
Palmettendekor unter einer Hohlkehle.