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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Muthesius, Hermann: Die Lage des Landhauses zur Sonne und zum Garten, [2]
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DER BAUMEISTER » 1907, NOVEMBER.


Aus der grossen Berliner Kunstausstellung 1907.

Amtsgericht Lichtenberg b. Berlin.

man einen neuen Beweis
dafür, bis zu welchem Grade
alte Formen gewohnheits-
mässig auf neue Verhält-
nisse übertragen werden.
Es ist anzunehmen, dass,
wenn erst die endgültige
Form für das Landhaus,
das heisst, das dem Lande
angepasste Haus, gefunden
ist, der Typus mit dem be-
wohnten Untergeschoss ver-
schwinden wird. Auf dem
Lande hat es keinen Sinn,
in die Erde zu kriechen,
man hat Platz genug auf
der Erde.
So steigen noch tausend
Bedenken gegen das Land-
haus in seiner heute noch
geübten Gestalt auf. Die
meisten der heute gebauten
Vororthäuser zeigen weder
irgend eine Rücksicht auf
die Besonnung der Räume,
noch streben sie irgend eine
Verbindung mit dem Garten
an, noch ist die Verteilung
der Wohn- und Wirtschafts-
räume den Bedingungen des

Einzäunung mit einem hohen hässlichen Drahtzaun. Das
einzige Mittel, mit diesem Lawntennisplatz fertig zu werden,
ist, ihn beiseite zu schieben und mit Bäumen zu verdecken.
Warum gibt man sich nicht die Mühe, einen Rasentennisplatz
anzulegen, wie in England? Er erfordert allerdings sorgfältige
Pflege und die Bälle fliegen von der Rasendecke vielleicht
nicht so korrekt ab, wie von dem glatten Boden. Aber der
Lawntennisplatz kann dann einen Teil des Gartens bilden und
gereicht der Umgebung des Hauses zur Zierde.
Ein ungemein wichtiger Gesichtspunkt für die Benutzung
des Gartens ist die Art und Weise, wie sich das Wohngeschoss
dem Garten anschliesst, vor allem aber die absolute Höhen-
lage der Wohnräume über dem Gartenniveau. Es ist schon
davon die Rede gewesen, dass eine Terrasse den Höhen-
unterschied ausgleichen kann. Immerhin erscheint es geraten,
diesen Unterschied an sich so gering als möglich anzunehmen,
das heisst, das Erdgeschoss des Hauses so wenig als möglich
über das Gartenniveau zu erheben. Das ist jedoch unmög-
lich bei dem bisher fast allein herrschenden Typus des
Hauses, welcher im Untergeschoss von Menschen bewohnbare
Räume, sei es in Gestalt einer Portierwohnung, oder der Küche
und Wirtschaftsräume, aufweist und dadurch von selbst mit
dem Wohngeschoss etwa 2 m über den Garten hinausrückt.
Bei einem solchen Hause wird das Wohngeschoss dem Garten
stets entrückt sein. Recht eigentlich i m Garten liegt das Haus nur
dann, wenn die Fensterbrüstung des Erdgeschosses nicht mehr
als 1,20 m bis 1,50 m über dem Gartenniveau liegt. Erst
dann ist es möglich, auf dem Stuhle sitzend die Blumenbeete
vor dem Hause zu sehen, und erst dann hat man das Gefühl,
sozusagen inmitten dieser Blumen zu leben. Um den Eindruck
des Nahgerücktseins des Gartens zu steigern, mindert man
praktisch die Höhe der Fensterbrüstung des Wohngeschosses
bis auf 60 oder 65 cm.
Eine eigentliche intime Beziehung zwischen Haus und
Garten wird nur möglich, wenn man auf die Ausnutzung des
Untergeschosses zu Wohn- oder Küchenzwecken verzichtet.
Es entsteht dann ein breites statt ein hohes Haus. Aber
das Haus mit teilweise im Keller liegenden Räumen ist auch
überhaupt kein eigentliches Landhaus. Es ist in der Stadt
entstanden, wo die Bodenverhältnisse beschränkt sind und
der Grund und Boden überhaupt von einer Kostbarkeit ist,
dass sich die Menschen übereinander schichten müssen, statt
nebeneinander zu leben. Indem man das Haus mit den
Kellerwohnungen auf das Land verschleppte, lieferte

Landhauses angepasst. Das Landhaus steht noch ebenso vorn
an der Strasse und richtet seine bewohnte Front noch ebenso
nach der Strasse, wie es das Stadthaus tat. Es hat noch
alle Nachteile, die dem Stadthause naturgemäss eigen sind,
aber beim Landhaus vermieden werden können. Die fernere
Entwicklung des Landhausbaues hat die Aufgabe, alle diese
Mängel zu beseitigen und ein wirklich echtes, aus seinen


Architekten Hennings und Schweitzer, Stuttgart.

Wohnhaus in Stuttgart.
 
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