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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Muthesius, Hermann: Die Lage des Landhauses zur Sonne und zum Garten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0119

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DER BAUMEISTER » 1907, NOVEMBER.

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einige Beete zur Blumen-, Gemüse- und Obstzucht, einen
schattigen Wandelgang, einen schönen blumenbesetzten Mittel-
weg zu haben. Die natürliche Anlage eines solchen kleinen
Gartens ist die einer regelmässigen Einteilung. Und zwar
einfach deshalb, weil sie die nächstliegende ist. Die neuer-
dings sehr scharf einsetzende Polemik der Landschaftsgärtner
ergeht sich hier meist in Anklagen, dass die modernen
Architekten der Pflanze Gewalt antun wollten. Es ist aber
nicht einzusehen, warum die Pflanze auf geraden Beeten
nicht ebenso gut wachsen soll als innerhalb der Schlängelwege.
Eine der Oertlichkeit entsprechende, sich den natürlichen
Wachstumsbedingungen und der heimischen Pflanzenwelt an-
passende Bepflanzung ist von denen, die den einfachen regel-
mässigen kleinen Hausgarten an die Stelle des spielerischen
sogenannten Naturgartens setzen wollen, nie bekämpft worden.
Mit dem neuerdings von landschaftsgärtnerischer Seite so sehr
betonten sogenannten ökologisch-physiognomischen Gesichts-
punkte der Bepflanzung ist zwar ein volltönendes Wort in die

Architekten handelt? Es scheint unmöglich, wenn man Sätze
liest wie in dem Kapitel über den „geometrischen Garten“
in Willy Langes Buch „Die Gartengestaltung der Neuzeit“.
Es heisst dort: „Da es sich um Formung handelt, wird jede
Form, jedes Ornament, das man auf einem Gegenstand
irgend welcher Art, z. B. in Stickereien, Geweben,
auf Tellern findet, für eine Einzelheit oder die
Gesamtkomposition der F läche n gl i e de r u n g des
geometrischen Gartens alsVorbild dienen können.
Die jeweilig modernen Formen können also auch im
Kunstgarten angewendet werden“. So fasst also der neueste
Vertreter des ökologisch-physiognomischen Bepflanzungs-
prinzip das Wesen des architektonischen Gartens auf. Wer
solche Sätze gelesen hat, muss die Situation bei dem Berufs-
gärtner für hoffnungslos erklären.
Gerade über Gartengestaltung lassen sich allgemeine Regeln
sehr schwer aufstellen. Jeder Garten ist ein Werk für sich und
hängt ganz und gar von den örtlichen Bedingungen ab. Wie


Architekt Rud. Kolbe, Dresden.
Welt gesetzt, aber für die Grundgestaltung der Gartenanlage
des kleinen Hausgartens doch verschwindend wenig gesagt,
wenigstens durchaus nichts, was sich nicht auch im Garten
mit regelmässigen Beeten als Selbstverständlichkeit durch-
führen liesse.
Im übrigen haben die Gärtner die Bewegung in der Haus-
garten-Gestaltung selbst zur Notwendigkeit gemacht, nicht nur
indem sie den an sich gewiss berechtigten Gedanken der
landschaftlichen Komposition auf falsche Verhältnisse über-
tragen haben, sondern indem sie ihn in einer rein mechani-
schen Weise bis zur Unerträglichkeit verwässert haben. Wer ist
schuld an den Missgebilden, die man in unseren Vororten von
Grundstück zu Grundstück beobachten kann? Wen anders
soll man dafür verantwortlich machen als die bisherigen Ver-
treter des gärtnerischen Berufes? Und wenn die Gärtner selbst
jede Reform auf diesem Gebiete bekämpfen, auf Kongressen
Reden über Reden gegen die Reformgedanken halten, die
Vertreter der Reformgedanken persönlich verdächtigen, ihre
Gedanken entstellen und ihnen lächerliche Absichten unter-
schieben, wer soll dann die tatsächlich notwendige Reform-
arbeit anders übernehmen als die Architekten selbst? Ist es
wirklich unmöglich, dass die jetzige Generation der Land-
schaftsgärtner begreift, worum es sich bei den Absichten der

Entwurf zu einer Friedhofshalle.
die Verhältnisse heute liegen, muss ein neuer vernünftiger
Hausgarten erst wieder entwickelt werden. Der heutige
Imitationsgarten der kleinen Vorstadtvilla ist hierzu nicht zu
brauchen. Selbstverständlich kann auch nicht davon die Rede
sein, den alten französischen Ziergarten wieder neu aufleben
zu lassen. Er würde in unsere Zeit ebensowenig passen, wie
die Louis XVI.-Möbel und das Rokokozimmer. Der moderne
Mensch verlangt die modernen Gestaltungsprinzipien, die er
in seinem Anzuge bereits durchgeführt hat, die er in seinem
Hause zum wenigsten anstrebt, auch in seinem Garten. Prunk-
volle Repräsentation kann ihn ebensowenig befriedigen wie
Schnörkelkunst. Sein ausserordentlich gesteigertes Naturgefühl
wird eine viel intimere Pflege der Pflanze fordern als es in
früheren Jahrhunderten der Fall war. Er wird sich jedoch
auch mehr dem Nützlichen zuwenden, als es die Herren des
alten aristokratischen Gartens taten. Das sportliche Element,
das in unserm Leben immer eine grössere Rolle zu spielen
beginnt, wird sich auch in der Gartenanlage äussern. Schon
fehlt in keinem grösseren Garten der Lawntennisplatz. Freilich
heisst es heute mit Unrecht so, nachdem man aus der Rasen-
fläche eine garstige Kies- oder gar Betondecke gemacht hat.
Dieser kahle Fleck mitten im bewachsenen Garten ist selten
eine Zierde und er wird es noch weniger durch die übliche
 
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