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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Hackemann, August: Städtephysiognomien
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0176
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78

DER BAUMEISTER « 1908, APRIL.


Nationalbank für Deutschland, Berlin. Kassenhof.

Arch. Alfred Messel, Berlin.

Städtephysiognomien.

sondern auch für die kleineren Weissenburg und Winds-
heim. — Wir kommen zu einem weiteren Kriterium. Mit
dem Wachstum der bischöflichen Macht bis zur territorialen
Selbständigkeit gewann auch die Verwaltung der hoch-
stiftischen Länderko mplexe eine klerikale Färbung. Geist-
liche bekleideten die vornehmsten Staats- und Ehrenämter.
Sie waren die höchsten Würdenträger, Macht und Reichtum
lagen in ihren Händen. Die Paläste der Domherren füllten
neben der bischöflichen Residenz ganze Stadtquartiere aus.
Wir gemahnen an die Prachtbauten der Eichstättischen Dom-
herrenhöfe, über welche die weltliche Macht des Raes als über
eine gefreite Stätte ebensowenig Macht hatte, als über die
Dienstleute der Kanoniker. Diese Bauten gaben den Bischofs-
sitzen nicht nur Glanz und Ansehen, sondern auch eine be-
stimmte Physiognomie. Wie die Hofhaltung der ehelosen
Landesfürsten, so fehlten auch den Besitzern dieser Paläste
ein für die Gestaltung des Haushalts höchst entscheidender
Faktor. Die Frau hatte keinen berechtigten Einfluss. Der
Begriff der Familienhaftigkeit existierte für den Regenten des
Landes, für die Räte und Grosswürdenträger desselben nicht.
In demselben Masse, als die Architektur des Mittelalters und
der Renaissance einer organischen Entfaltung des Hausbaues
von innen nach aussen mit aller Strenge Rechnung trug,
musste sich dieser Mangel im Hauswesen auch in der äusseren
Erscheinung des Hauses offenbaren. Trotz der Pracht und
des Luxus, trotz der Genuss- und Lebenslust und dem nichts
weniger als klösterlichen Gebahren an den bischöflichen

Von August Hackemann.
Die Physiognomie jeder Stadt erhält ihre Stim-
mung, ihr einheitliches Gepräge durch die Kultur-
geschichte des Bürgertums. Man sieht es jeder
Stadt an, welche der grossen Interessen der
Menschheit in ihnen vorgewogen haben. Die welt-
liche Residenz hat ein anderes Gepräge als die
geistliche, jeder Fürstensitz sieht anders aus als
die freie Reichsstadt und diese unterscheidet sich
wieder wesentlich von der Landstadt. Die grosse
Bedeutung der Bischofssitze in früherer Zeit gibt
ihnen etwas Altertümliches. Wir wählen unsere
Beispiele zunächst aus Franken, weil keine deutsche
Landschaft, was Mannigfaltigkeit der Städtege-
schichte und Städtegestaltung betrifft, sich mit
diesem Territorium messen kann. In Würzburg
und Bamberg ist trotz aller Neubauten und Um-
gestaltungen durch die spätere Architektur das Mo-
derne noch immer nicht in dem Masse bedingend
geworden, wie in Ansbach und Bayreuth, obwohl
die genannten vier Städte gleichmässig jene be-
langreichen Wirkungen erfuhren, welche eine Hof-
haltung an den Charakter der Städte ausübt. Selbst
wenn alle mittelalterlichen Reminiszenzen an jene
früheste Zeit, während welcher die bischöflichen
Städte Bedeutung hatten, indes die übrigen noch
kaum im Entstehen begriffen waren, selbst wenn
alles dieses verdrängt, das letzte gotische Mass-
werk abgerissen und das letzte romanische Säulen-
bündel überworfen würde, bliebe dennoch der
historische Charakter des Stadtbildes unverwischt.
Er wird noch nach Jahrhunderten in den älteren
Quartieren kennbar sein, denn er spricht sich schon
im Situationsplan aus, der sich dem freien Er-
messen des Bürgers, nicht aber einer landes-
herrlichen Laune anbequemen musste. Noch auf-
fälliger lässt sich dies in den alten Reichsstädten
beobachten, in welchen die Unabhängigkeit des
Bürgertums eine noch ausgebildetere war. Während
aber dort das Mittelalter, hat hier die Zeit der
Renaissance, die Epoche der reichsstädtischen
Blüte, den Charakter gegeben. In dieser Bezie-
hung hat Nürnberg eine typische Bedeutung nament-
lich für die mittelfränkischen Reichstädte, nicht nur
für die grösseren Rothenburg und Dinkelsbühl,


Treppenhaus.
 
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