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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Hackemann, August: Städtephysiognomien
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0179
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DER BAUMEISTER « 1908, APRIL.

81

liebe mehrerer Landesfürsten für dasselbe dennoch ein höchst
kleinliches Gepräge an sich trägt und in dieser Richtung von
mancher bambergischen oder würzburgischen Landstadt über-
ragt wird. Aehnlich ist es auch bezüglich der neueren Quar-
tiere Bayreuths der Fall, wobei wir jedoch ausdrücklich zu

seiner Sitte und Anschauungsweise. Beinahe durchweg ist
die katholische Bevölkerung in Franken lebenslustiger und
sorgloser als die protestantische. Dort ist Pomp, mysteriöse
Pracht, Oeffentlichkeit, unter der Mitwirkung aller sieben
freien Künste, hier ist alles einfach, prunklos, heimlich, puri-

bemerken ha-
ben, dass wir
hier nicht die
allerneuesten
Schöpfungen
der bürger-
lichen Archi-
tektur im Auge
haben. Denn
diese repräsen-
tieren keines-
wegs den volks-
tümlichen, son-
dern den Ka-
sernenstil. Wie
die Gegenwart
überhaupt alles
Scharfausge-
prägte zu ver-
wischen, alles
Hervorste-
chende zu nivel-
lieren sich be-
strebt, so ver-
richtet sie auch
das gleiche Amt
auf dem Gebiet
der bürger-
lichen Bau-
kunst. Das fühlt
man am deut-
lichsten bei je-
nen Städten,
welche wie
Fürth und Hof
Schöpfungen
der Gegenwart,
nicht aus dem
spezifischen
Volksleben,
sondern aus
dem allerorten
gleichgearteten
Güterleben er-
wachsene Ge-
bilde sind. —-
Dass sich der
durch konfessi-
onelle Bezie-
hungen hervor-
gerufene Unter-
schied nicht auf
die Haupt- und
Residenzstädte
ausschliessend
beschränkt,
liegt in der Na-
tur der Sache.
Die religiöse
Anschauungs-
weise, die For-
men des kirch-
lichen Lebens
wirken allent-
halben bedin-


Arch. Alfred Messel, Berlin.

Nationalbank für Deutschland, Berlin, Behrenstr, 68/69. Aussenansicht. (S. Tat 51/56.)

tanisch, durch
das Konven-
tikelwesen auf
das Schlagend-
ste repräsen-
tiert. Katholi-
zismus und
Protestantis-
mus verhalten
sich in ihrer
Kundgabe wie
bunte, roman-
tische Phanta-
sie zum nüch-
ternen Ratio-
nalismus. Das
spricht sich
auch in der
Physiognomie
namentlich je-
ner Landstädte
aus, die ihren
architektoni-
schen Charak-
ter aus einer
Zeit her da-
tieren, wo das
religiöse und
beziehungs-
weise konfes-
sionelle Be-
wusstsein noch
ausgeprägter
war als in der
Gegenwart.
In den katho-
lischen Bezir-
ken ist dem
baulichen Zu-
standderWohn-
häuser durch-
schnittlich eine
geringere Sorg-
falt zugewendet
als in den pro-
testantischen.
Auch der
Schmutz ist
dort ein gut
Teil grösser als
hier, und Unter-
franken trägt
in dieser Rich-
tung jedenfalls
die Palme da-
von. Gleich-
zeitig herrscht
aber auch eine
grössere Pietät
für das Ueber-
kommene, das
man lieber zur
Ruine werden
lässt, als dass
man es moder-

gend und gestaltend auf die Volkstümlichkeit. Sie beeinflussen
das öffentliche Leben wie die Sitte des Hauses. Der Bürger
der Kleinstadt baut aber jedenfalls mit mehr Freiheit als der
Residenzler, nach seinem Sinn und Geschmack, d. h. nach

nisiert. Es findet sich in den Städtchen am mittleren und
unteren Main, in Stadtprozelten, Obernburg, Klingenberg
u. a. noch manche reizende Architekturstaffage aus der besten
Zeit der Gotik und Renaissance, die ihren malerischen
 
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