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Baumeister: das Architektur-Magazin — 9.1911

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Heft 5
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Leixner, Othmar von: Die Stilwandlungen in der Architektur von 1750-1908, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.54602#0064
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DER BAUMEISTER ■> 1911 FEBRUAR.

italienischen Renaissance zeigt uns Otto Wagner in seiner
ersten Schaffensperiode, die Häuser in der Stadiongasse und
die Länderbank sind vorzügliche Belege seiner freien

Denkungsart; Mi-
chelangelo scheint
hiermitzusprechen.


Arc 11. Georg Meister und Oswald Eduard Bieber, München.

Arco-Palais (Geschäftshaus), München.


Bildh. Jos. Wackerle, am Arco-Palais.

Und in dieser Zeit, wo Wien so ganz im
Zeichen der historischen Richtung steht,
sehen wir die Wiener Barocke unerkannt,
ungewürdigt. Zweifellos dürfte hier der
beste Schilderer der italienischen Renaiss-
sance Burckhardt von Einfluss gewesen
sein, der der freieren Barockrichtung
ziemlich feindlich gegenüber steht. Wie
aber langsam das Gebiet der Renaissance
in grösseren und kleineren Publikationen
aufgearbeitet war, sehen wir die Kunst-
gelehrten auch auf diesem Gebiete tätig.
In Wien ist es Ilg, der sich der österreichi-
schen Barockkunst annimmt und uns die
Werke der grossen Meister wie Fischer,
Hildebrand etc. in ihrer ganzen Schönheit
vorzuführen weiss. Deutsche Gelehrte
folgen nach, Gurlitt verdanken wir die
erste grosse Gesamtbehandlung der
Barockkunst. Bald folgen einige Archi-
tekten nach, die durch Aufnahme der
österreichischen Barockbauten die Auf-
merksamkeit der Architekten auf dieses
reine bodenständige Gebiet lenken, wie-
der war damit eine historische Richtung
gegeben. Baumann, Ohmann, Heider
müssen als die wichtigstenVertreter diesen
publizistischen Schule genannt werden.
So hält im Verlaufe der achtziger und
neunziger Jahre des XIX. Jahrhunderts
die Barocke ihren Einzug, sowohl im
strengen Stil der italienischen Barocke,
wie im Stil des leichten Rokokos und
Louis seize wird da und dort gebaut. In
vollkommen historischer Reihe sehen wir
also im Verlaufe des XIX. Jahrhunderts
alle Stilarten vor uns auftreten, Aegypten,
Griechenland, Rom im Empire und Klassi-
zismus, altchristliche, byzantinische, roma-
nische und gotische Architektur in der
Romantik, da und dort noch stark ge-
mischt; zurZeit der Stilreinheit in voll-
kommen reiner Form. Französische Früh-
und Hochrenaissance, italienische Früh-,
Hoch- und Spätrenaissance, deutsche Re-
naissance, endlich Barock, Rokoko und
Louis seize. Der Vorwurf, der von radikal
moderner Seite den Künstlern dieser Zeit,
die vielfach mit zu den Besten zählen,
dass sie nur Stilkopisten gewesen, ist
vollkommen ungerecht, haben doch auch
sie wie die Meister der Renaissance das
alte Detail für neue Aufgaben im neuen
Sinn verwertet. Die Architektur steht im
Zeichen jener streng historischen Rich-
tung, die vor Mitte der fünfziger Jahre
des XIX. Jahrhunderts die Wissenschaft
und später die Kunst in ihrem Banne
hält. Sehen wir nach Deutschland, so
entrollt sich hier ein ähnliches Bild, nur
dass die italienische Renaissance einen
geringeren Einfluss gewinnt, die deutsche
 
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