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Denkender wird sich vermessen, einen Stein auf Letztere
zu werfen; kein Kenner wird sie geringschätzig der
Unwissenheit zeihen.
Man versetze sich nur einmal an die Stelle der
Pariser Kunstkenner und in den Gedankengang derer
hinein, die sich um die Erwerbung der Benivieni-
Büste für die Louvre-Sammlung bemühten. Die Büste
allein steht, losgelöst von allen Nachrichten über ihren
Ursprung vor dem prüfenden Auge. Nur was sie
selbst dem Kenner sagt, bestimmt sein Urtheil. Wenn
er nun strebt, nicht blos der Möglichkeit, sondern der
Wahrscheinlichkeit ihres Entstehens nahe zu kommen
— Alles führt dann hin in die Zeit der Renaissance,
nicht in unsere Gegenwart. Zunächst macht sich in
diesem Sinne der Gesammtcharakter des Werks mit
aller Bestimmtheit geltend. Und nun hat der Künstler
die Arbeit seiner Hand mit seinem Namen zu be-
zeichnen unterlassen, die dargestellte Person aber mit
unwiderleglicher Sicherheit benannt durch eine deut-
liche Inschrift. Wohl wird man zugeben, dass es ein
ganz wunderbarer Zufall ist, wenn ein unbefangen
schaffender, moderner Künstler gerade ein Porträt des
seit Jahrhunderten im Grabe ruhenden Benivieni her-
zustellen sich vornimmt. Einem Künstler zur Zeit
des Benivieni hingegen lag es nahe genug — das be-
weist Lorenzo di Credi’s Beispiel — ein Porträt des-
selben zu bilden.
In der Inschrift liegt eine verhängnissvolle Macht.
Gerade der gewissenhafte Gelehrte wird sie seiner
Urtheilsbildung mit zu Grunde legen. Non ihr aus-
gehend wird er andre Punkte mit ihr in Einklang
Denkender wird sich vermessen, einen Stein auf Letztere
zu werfen; kein Kenner wird sie geringschätzig der
Unwissenheit zeihen.
Man versetze sich nur einmal an die Stelle der
Pariser Kunstkenner und in den Gedankengang derer
hinein, die sich um die Erwerbung der Benivieni-
Büste für die Louvre-Sammlung bemühten. Die Büste
allein steht, losgelöst von allen Nachrichten über ihren
Ursprung vor dem prüfenden Auge. Nur was sie
selbst dem Kenner sagt, bestimmt sein Urtheil. Wenn
er nun strebt, nicht blos der Möglichkeit, sondern der
Wahrscheinlichkeit ihres Entstehens nahe zu kommen
— Alles führt dann hin in die Zeit der Renaissance,
nicht in unsere Gegenwart. Zunächst macht sich in
diesem Sinne der Gesammtcharakter des Werks mit
aller Bestimmtheit geltend. Und nun hat der Künstler
die Arbeit seiner Hand mit seinem Namen zu be-
zeichnen unterlassen, die dargestellte Person aber mit
unwiderleglicher Sicherheit benannt durch eine deut-
liche Inschrift. Wohl wird man zugeben, dass es ein
ganz wunderbarer Zufall ist, wenn ein unbefangen
schaffender, moderner Künstler gerade ein Porträt des
seit Jahrhunderten im Grabe ruhenden Benivieni her-
zustellen sich vornimmt. Einem Künstler zur Zeit
des Benivieni hingegen lag es nahe genug — das be-
weist Lorenzo di Credi’s Beispiel — ein Porträt des-
selben zu bilden.
In der Inschrift liegt eine verhängnissvolle Macht.
Gerade der gewissenhafte Gelehrte wird sie seiner
Urtheilsbildung mit zu Grunde legen. Non ihr aus-
gehend wird er andre Punkte mit ihr in Einklang