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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Grimschitz, Bruno: Ferdinand Georg Waldmüller
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0069

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FERDINAND GEORG WALDMÜLLER
erhält und in einer neuen Gipfelung weiterführt. Die Malerei Waldmüllers bleibt im
Zusammenhang der österreichischen Tradition. Sie ist ihre Zusammenfassung. Sie ist
mehr: in ihrer Ursprünglichkeit, in ihrer Lebendigkeit, in ihrer Universalität erreicht das
Österreichische die Steigerung in absolutes Maß. Und der Widerspruch zwischen dem
literarischen Manifest und der Kontinuität des malerischen Entwicklungsverlaufs löst
sich vom Blickpunkt der Distanz. Waldmüller, der in Paris, London und Italien auf alte
Meister und die Produktion der Zeitgenossen reagiert, verwehrt die überlegene kritische
Einstellung, die mit prophetischer Erkenntnis das Abgleiten der österreichischen Malerei
auf immer tieferes Niveau überschaut, die Hingabe an die Einseitigkeit eines Vorbildes.
Die Subjektivität seiner starken Natur wird unbewußt getragen durch das Fundament
der österreichischen Vergangenheit. Für Waldmüller ist die dekorative Formel der
organisch von der großen Tradition des 18. Jahrhunderts in das Bürgerliche überleitenden
Bildniskunst der Engländer gegenstandslos, von der Amerling und Daffinger ausgingen,
gegenstandslos das englische und fernerliegende Vorbild des holländischen Genres, dem
Danhauser und Fendi Anregung verdankten. Ihnen allen fehlt die phrasenlose Sachlichkeit;
die Sachlichkeit großen Stils. Ihnen fehlt die originale Modernität, wie sie den antiki-
sierenden Klassizisten und den gotisierendenNazarenernfehlt.Tiefere Linien der Traditon,
weitere Perspektiven nach rückwärts erstehen zu neuer Aktualität. Füger erscheint als
der Ahne Waldmüllers. Die Überlegenheit seines menschlichen Formates, die Höhe der
malerischen Kultur des letzten großen Erben des österreichischen Barocks grüßt über
die Niederungen künstlerisch kleiner Jahrzehnte den aristokratisch freien Willen des
Späteren. Dieser Macht einer großen Tradition, diesem Ausmaß ihres Trägers, der die
künstlerische Physiognomie zweier Generationen entscheidend bestimmt, kann sich Wald-
müllers Protest nicht entziehen. Füger selbst hatte in späten Porträtschöpfungen die
blendende Vision seiner aristokratischen Bildnisparaphrasen, jenes in eine irreale Sphäre
erhöhte Dasein, in die sachlich verfestigte Welt klassizistischer Tastbarkeit gewendet.
Lampi und Kreuzinger'vollzogen diese Wendung noch stärker in das Bürgerlich-begrenzte,
in eine stärkere Gegenwärtigkeit unmittelbarer Naturwiedergabe. Damit war das künst-
lerische Ausmaß der Schöpfung auf die Konvention eines kultivierten Handwerks redu-
ziert. Das Phänomen des Lebens sank zur Kopie des Lebens, aber das fruchtbare Erbe
des Handwerks wurde weitergetragen in breitem Strom. Und es enthüllt sprunghaft das
Größenmaß derVorstellungWaldmüllers, wie seine Sachlichkeit über das Handwerkliche
hinaus wieder die volle Dimension des Lebens verlangte. Wie seine Sachlichkeit, nur auf
sich selbst gestellt, sich wieder auf die Ebene der Totalität Fügers erhob. Ebenso auf der
anderen Linie einer Richtungsgleichheit: im Landschaftlichen. Die naturalistische Tat-
sächlichkeit Rebells, noch an klassizistisch-pathetisches Stilschema gebunden, die veduten-
halte Sachlichkeit der Alls, unbedingt den topographischen Grundlagen des Naturmotivs
 
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