FRIEDRICH V. AMERLING IN DER GALERIE DES
19. JAHRHUNDERTS
VON GÜNTHER PROBSZT
Schon in der vorjährigen Herbstausstellung »Von Füger bis Klimt«, die der Verein der
Museumsfreunde in Wien in den Räumen der Secession veranstaltet hatte, bildeten die
Werke Amerlings eine Sensation; man fragte sich verwundert, ob dies wirklich der-
selbe Künstler sei, von dem in den letzten Jahren auf Auktionen kaum mehr als ein
paar routiniert gemalte, aber eben deshalb maniriert und konventionell anmutende
Mädchenköpfe zu sehen gewesen waren, ganz abgesehen davon, was alles dem Nach-
kriegspublikum als »Amerling« aufgetischt und von diesem um so gläubiger hingenommen
wurde, als der Künstler sich auch in den Kreisen sogenannter »Kenner« nicht des
allerbesten Rufes erfreute, jedenfalls aus der Mode war. Die lange Zeit — gut Ding
braucht Weile —, in der wir infolge Neuaufstellung der Galerie des 19. Jahrhunderts
im oberen Belvedere den Anblick unserer Altwiener Meister in geschlossener Phalanx
entbehren mußten, hat auch nicht wenig zu dem schiefen Urteile beigetragen, das die
jetzige Generation konservativ von ihren Eltern übernommen hatte; fehlte es doch bis-
her an der Möglichkeit, dieses Urteil zu überprüfen, denn das Historische Museum der
Stadt Wien birgt wohl Schätze an Werken heimischer Meister, aber gerade von Amerling
sind im ganzen nur vier Bilder ausgestellt, worunter allerdings sein berühmtes Grill-
parzer-Porträt, wogegen eine beträchtliche Anzahl weiterer Werke, darunter eine Reihe
vortrefflicher Familienbildnisse, die dem Legat der 1914 verstorbenen Witwe entstam-
men, aus Raummangel sich noch im Depot befindet.
Nun ist Amerling in den prächtigen Räumen der herrlichen Schöpfung Hildebrandts zu
neuem Leben erstanden, im Belvedere, das schon zu seinen Lebzeiten, als dort noch
die ganze kaiserliche Gemäldegalerie untergebracht war, unter anderm den jetzt wieder
dort ausgestellten »Fischerknaben« bewahrt hatte, und es entbehrt nicht einer gewissen
Pikanterie, daß es gerade Wiens schönster Profanbau aus der vom Künstler neben der
Renaissance so geliebten Barockzeit ist, der nun seine meisterlichsten Schöpfungen be-
herbergt. Hatte er doch sein Haus auf dem Gumpendorfer Linienwalle, die ehemalige
Mollart-Mühle, mit altem Hausrat aus diesen Zeiten angefüllt, die Bilder, die er gemalt,
mit schweren, reichgeschnitzten Barockrahmen umgeben.
Was die neu eröffnete Galerie nun an Werken Amerlings dem Publikum zugänglich
gemacht hat (mindestens ebensoviele, als ausgestellte Bilder, wurden als zweitrangig im
Depot belassen), ist dazu angetan, ein schweres, lange zurückreichendes Unrecht gut zu
machen, das die leichtvergeßliche Nachwelt, zum Teile sogar schon die Zeitgenossen,
einem der größten Wiener Künstler zugefügt hatte.
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19. JAHRHUNDERTS
VON GÜNTHER PROBSZT
Schon in der vorjährigen Herbstausstellung »Von Füger bis Klimt«, die der Verein der
Museumsfreunde in Wien in den Räumen der Secession veranstaltet hatte, bildeten die
Werke Amerlings eine Sensation; man fragte sich verwundert, ob dies wirklich der-
selbe Künstler sei, von dem in den letzten Jahren auf Auktionen kaum mehr als ein
paar routiniert gemalte, aber eben deshalb maniriert und konventionell anmutende
Mädchenköpfe zu sehen gewesen waren, ganz abgesehen davon, was alles dem Nach-
kriegspublikum als »Amerling« aufgetischt und von diesem um so gläubiger hingenommen
wurde, als der Künstler sich auch in den Kreisen sogenannter »Kenner« nicht des
allerbesten Rufes erfreute, jedenfalls aus der Mode war. Die lange Zeit — gut Ding
braucht Weile —, in der wir infolge Neuaufstellung der Galerie des 19. Jahrhunderts
im oberen Belvedere den Anblick unserer Altwiener Meister in geschlossener Phalanx
entbehren mußten, hat auch nicht wenig zu dem schiefen Urteile beigetragen, das die
jetzige Generation konservativ von ihren Eltern übernommen hatte; fehlte es doch bis-
her an der Möglichkeit, dieses Urteil zu überprüfen, denn das Historische Museum der
Stadt Wien birgt wohl Schätze an Werken heimischer Meister, aber gerade von Amerling
sind im ganzen nur vier Bilder ausgestellt, worunter allerdings sein berühmtes Grill-
parzer-Porträt, wogegen eine beträchtliche Anzahl weiterer Werke, darunter eine Reihe
vortrefflicher Familienbildnisse, die dem Legat der 1914 verstorbenen Witwe entstam-
men, aus Raummangel sich noch im Depot befindet.
Nun ist Amerling in den prächtigen Räumen der herrlichen Schöpfung Hildebrandts zu
neuem Leben erstanden, im Belvedere, das schon zu seinen Lebzeiten, als dort noch
die ganze kaiserliche Gemäldegalerie untergebracht war, unter anderm den jetzt wieder
dort ausgestellten »Fischerknaben« bewahrt hatte, und es entbehrt nicht einer gewissen
Pikanterie, daß es gerade Wiens schönster Profanbau aus der vom Künstler neben der
Renaissance so geliebten Barockzeit ist, der nun seine meisterlichsten Schöpfungen be-
herbergt. Hatte er doch sein Haus auf dem Gumpendorfer Linienwalle, die ehemalige
Mollart-Mühle, mit altem Hausrat aus diesen Zeiten angefüllt, die Bilder, die er gemalt,
mit schweren, reichgeschnitzten Barockrahmen umgeben.
Was die neu eröffnete Galerie nun an Werken Amerlings dem Publikum zugänglich
gemacht hat (mindestens ebensoviele, als ausgestellte Bilder, wurden als zweitrangig im
Depot belassen), ist dazu angetan, ein schweres, lange zurückreichendes Unrecht gut zu
machen, das die leichtvergeßliche Nachwelt, zum Teile sogar schon die Zeitgenossen,
einem der größten Wiener Künstler zugefügt hatte.
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