Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
74

2. Die erste Stadtmauer von Frankfurt a./Main1).

Von

Clir. L. Thomas.

An die Niederlegung der alten Gebäude entlang der Nordgrenze des
ältesten Stadtgebietes zur Durchführung der künftigen Braubachstrasse haben
sich planmässige Grabungen nach der ersten Stadtmauer angeschlossen. Hier
hatte in der Urzeit ein parallel zum Main gerichteter und mit ihm in Verbin-
dung verbliebener Stromarm vom Nordufer des Maines einen hohen Gelände-
streifen inselartig abgetrennt. Nach der übereinstimmenden Anschauung der
Lokalgeschichtsforscher hatte sich das urkundlich erwähnte älteste Frankfurt
fast über die ganze Insel erstreckt. Auch besteht die Tradition, dass schon
zur Zeit der karolingischen Kaiser an der Innenseite der ihrem Verlauf nach
allerdings nicht ganz feststehenden nassen Umgrenzung des Stadtgebietes die
erste Stadtmauer erbaut worden wäre und davon noch etliche Teile vorhanden
seien. Dass die Insel wegen ihrer geschützten Lage und der Furt Uber den
Main schon in weit früherer Zeit besiedelt war, ist sowohl aus den im letzten
Jahrzehnt des verwichenen- Jahrhunderts mehrfach angetroffenen ausgedehnten
Kesten von römischen Gebäuden, als auch aus dem im Jahre 1901 gelegentlich
des Rathaus-Erweiterungsbaues in ungestörter Bodenschicht gemachten Fund
an merowingischen Scherben ersichtlich. Bruchstücke von Gefässen der La-Tene-
Zeit aber fanden sich schliesslich bei den Grabungen nach der ersten Stadt-
mauer im zähen Uferschlamm des erwähnten Mainarmes, wodurch die Frühzeit
der Besiedelung noch weiter hinaufrückt.

Die Tradition von der ehemaligen Existenz der karolingischen Stadt-
mauer und dem Vorhandensein noch etlicher Teile davon fand im Jahre 1827
eine Neubelebung, als bei der Erbauung des Dompfarrhauses dort im Boden
eine in der erwarteten Richtung ziehende 7 Fuss dicke alte sehr feste Mauer
gefunden wurde und Schwierigkeiten bereitete. Ohne jeglichen Beleg schloss
man aus der Stärke, grossen Festigkeit und der Richtung auf ihre karolingische
Herkunft. Man bezeichnete ausserdem noch etliche mit gleicher Richtung in
benachbarten Höfen sichtbare dicke Mauern als Überbleibsel der ersten Stadt-
mauer, weil alte Kaufbriefe, Zinsbücher und Gültebriefe den mit diesen parallel
ziehenden Mainarm den Stadtgraben nennen.

Die in Menge vorhandenen Angaben über das Vorhandensein und den
Zustand der ältesten Stadtmauer erwiesen sicli nun bei den vergleichenden
Betrachtungen an den aufgedeckten Resten als unzutreffend. Überzeugend und

1) Während in Nordwestdeutscbland die nachrömische Forschung- gerade auf
dem Gebiete des fränkischen Befestig-ungs- und Ansiedlungswesens in den letzten
Jahren reiche Erfolge aufzuweisen hat, stehen West- und Süddeutschland darin noch
zurück. Wir freuen uns daher besonders, hier auf die nachfolgenden Beobachtungen
hinweisen zu können, welche nicht nur ein wichtiges Monument fränkischer Zeit,
sondern zugleich auch ein interessantes Beispiel für Kontinuität der Ansiedelung und
für das Nachleben des Komischen im fränkischen geben.

i
 
Annotationen