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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,3): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Von Pertinax bis Theodosius — Stuttgart u.a., 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.1111#0108
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94

Julia Soaemias.

neu. Rechts zu ihren Füssen ein Delphin mit Amor. Ihr Haar
ist wie eine abnehmbare Perücke aus einem besonderen Stück
Marmor gearbeitet, schlicht gescheitelt und hinter die Ohren gelegt,
wobei längs der Stirn und vor den Ohren noch kleine, kurz ge-
schnittene Büschel, die nicht mit der Perücke Zusammenhängen,
sondern am Kopfe selber ausgemeisselt sind (Spuren einer früheren,
von dieser verschiedenen Haartracht?), zum Vorschein kommen,
während im Kacken zwei grössere Stränge sich loslösen und nach
vorn fallen. Der .Kopf wurde zwar vom Körper getrennt auf-
gefunden, passte aber so genau, dass nach Visconti an der Zu-
gehörigkeit nicht gez weif eit werden kann. Da nun die Frisur auf
den Anfang des dritten Jahrhunderts, der Fundort und das Motiv
am ehesten auf eine Kaiserin weisen, so scheint allerdings ein ver-
hältnismässig beschränkter Kreis von Möglichkeiten vorzuliegen.
Indes ist noch nicht gesagt, dass man wegen der Entblössung des
Oberkörpers notwendig an ein besonders schamloses Weib zu denken
habe. Visconti selbst nimmt keinen Anstand, eine im Grunde noch
entblösstere Statue des Vatican, Belvedere Kr. 42 (abg. Pio Clem.
II. 52) auf Orbiana, die Gemahlin des Alexander Severus, zu be-
ziehen, von der es wenig wahrscheinlich, dass sie schamlos gewesen.
Mehr als das freie aphrodisische Costüm möchten das reife Alter und
die Züge des Gesichts für Soaemias sprechen, zumal negativ, inso-
fern sie zu den übrigen Kaiserinnen mit dieser Haartracht, nament-
lich zu den drei Schwiegertöchtern der Soaemias viel weniger passen.
Ihre Schwester Mamaea aber und deren Schwiegertochter Orbiana,
die gewiss mit Unrecht in der oben genannten Statue vermutet wird,
trugen das Haar, wie man aus den Münzen entnehmen muss, gewellt.

Bei alledem bleibt die Deutung der Statue sehr problematisch
und es könnten daneben immer noch andere Bildnisse event. ein
Recht auf den Kamen Soaemias beanspruchen.

Der Catalog der vaticanischen Sammlungen nennt als solche
eine Büste des Braccio Kuovo Kr. 58, mit der dann wieder eine
angeblich an Julia Maesa erinnernde im Mus. Chiaramonti
Kr. 282 nahe verwandt ist: beide mit wie bei der Statue von
Palestrina angeordnetem, schlicht gekämmtem Haar, nur ohne
Schulterlocken, da hier die Auffassung als Venus weggefallen ist; I.

I. Nr. 402; der Kopf bei Visconti-Mongez pl. 51. Die letztere Abbildung
ist, wie aus der Vergleichung mit unserer Lichtdrucktafel hervorgeht, nicht
vorzüglich. Der Kopf ist in Wirklichkeit schöner, hat eine kleinere, mehr
gebogene Nase (allerdings ergänzt) und ein kleineres Untergesicht mit Nei-
gung zum Doppelkinn. Die Brauen sind von ungemein schönem, obwohl fast
horizontalem Zug.
 
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