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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 4.1869

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.45566#0007
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Elisabeth
oder
Ein Dam en-Duell.
Novelle von Eduard Kammer.
1.
Im grünen Jäger.
Ein warmer Junitag neigte sich
seinem Ende zu, als ein Reisender
das kleine Gebirgsdorf Timmenrode er-
reichte. Die meist freundlichen Häuser
lagen theils auf der ebenen Sohle des
überaus reizenden Thales, theils hingen
sie wie Schwalbennester an den steil
emporsteigenden Bergen, die das Thal
cinschlossen. Ein munterer Bach, dessen
krystallhclles Wasser glatte Kiesel bc-
plätschcrte, nahm fast die Hälfte der
einzigen langen Straße ein, aus der
das Dorf bestand. Hier und dort
stand eine Buche oder Linde, deren ge-
waltige Acstc weithin Schatten ver-
breiteten. Von dem Thurm des Kirch-
leins herab, das rechts auf einer An-
höhe lag, erklang die Abendglocke, die
den Sonntag einläutcte ... es war
Sonnabend. Kühe und Ziegen zeigten
sich zwischen den Häusern, sie kamen
von der Weide und suchten den Stall
auf.
Der Reisende, ein junger Mann
von fünfundzwanzig Jahren, betrachtete
mit Interesse das Idyll, das beim
Scheine der Abendsonne sich vor ihm
entrollte. Wie ein Künstler, der Stu-
dien macht, betrachtete er die Gruppen
der Kinder vor den Hänsern, die alten
Leute, die auf Bänken neben den
Thürcn saßen, und die malerisch ge-
legenen Häuschen an den Bergabhängen.
Wie ein müssiger Spaziergänger schritt

. er langsam an dem Bache hin, nachlässig den
leichten Nohrstock schwingend, der ihm als Wander-
stab diente; seine Ausrüstung war einfach, ele-
gant. An einem breiten grünen Bande trug er

sz. L. Lrachvogcl. (S. 8t.)

eine fein gestickte Reisetasche, die, wie ihr ge-
ringer Umfang verrieth, nur das Nöthigste ent-
hielt. Neben der Tasche hing das braune Etui,
das ein Fernrohr barg. Der gelbe Strohhut
mit breiter Krämpe, den ein schwarzes
Bändchen zierte, beschattete ein in-
teressantes, von einem dunklen Barte
eingerahmtes Gesicht, das bereits an-
fing sich zu bräunen. Man hätte den
Reisenden für einen Maler oder Ge-
lehrten halten mögen, der mit Genuß
reist oder Stoff zu neuen Arbeiten sucht.
In kurzer Entfernung von der
Kirche zeigte sich das Gasthaus, ein
langes einstöckiges Gebäude, dessen
Fenster jn der Abendsonne blitzten.
Unter einem Zelte neben der offenen
Thür saßen Damen und Hcrrm, offen-
bar Fremde, die sich für einige Zeit
hier niedergelassen. Der Reisende stieg
die Stcintrcppe hinan und erreichte den
Platz vor dem Hause. Ueberrascht blieb
er stehen. Es bot sich ihm eine Aus-
sicht über das Thal, wie er sie vor-
zufinden nicht erwartet hatte. Zu
seinen Füßen lag das Dorf, in das
man wie aus der Vogelperspektive hinab-
sah. Links breitete sich eine weite
Ebene aus, und rechts zeigte sich die
Fortsetzung des Thales, dessen Romantik
Felsen und schäumende Wasserfälle er-
höhten.
Ein dienstwilliger Aufwärter em-
pfing den Fremden, der ein Zimmer
für die Nacht verlangte. Beide be-
traten die geräumige Hausflur und
stiegen die Treppe hinan zu dem
schmalen langen Korridor.
— Kam? ich ein Zimmer mit freier
Aussicht erhalten?
— Ja, mein Herr!
Der Aufwärter schritt rasch voran
und öffnete eine Thür.

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